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Literarisches Uri .



Sorge Reinhard Johannes
1982 - 1916
 
Reinhard Sorge wurde am 29. Januar 1892 in Berlin-Rixdorf als ältestes von drei Kindern geboren. Die Krankheit seines Vaters und die damit verbundene häusliche Not zwingt ihn zum Abbruch des Gymnasiums und zu einer einjährigen Lehre in einem Eisengeschäft. Reinhard Sorge wechselt bald auf eine Bank und bereitet sich auf die kaufmännische Gehilfenprüfung vor. Nach einem Aufenthalt in Ostpreussen kehrt er ans Gymnasium zurück. Nach dem Tode des Vaters 1909 siedelt die Familie nach Jena über; der Besuch des Jenaer Gymnasiums beengt Sorges Drang nach literarischer Tätigkeit. Den Gedanken an die private Vorbereitung aufs Abitur lässt er fallen, er lehnt die wilhelminische Erziehung ab, glaubt an die Berufung als Dichter und wendet sich den Werken Nietzsches zu, deren Lektüre ihm mit 18 Jahren zum prägenden Ereignis wird. Ein Jahr älter macht er mit dem Drama «Der Bettler» die literarische Welt auf sich aufmerksam. Im Mittelpunkt des Werkes steht der junge, verzweifelte, einsame Mensch im Kampf gegen eine dem Materialismus verfallene Welt; jede Bindung an eine Gemeinschaft fehlt. Im Jahre 1912 erscheint der «Bettler» im Buchhandel. Reinhard Sorge erhält den Heinrich-Kleist-Preis und sichert sich mit diesem Frühwerk einen bleibenden Platz in der deutschen Literaturgeschichte, gilt er doch als der eigentliche Schöpfer und Wegbereiter des literarischen Expressionismus, welcher die bürgerliche Gesellschaft negiert und zur Erneuerung des Menschen ausruft. Auf einer einsamen Nordseeinsel erfährt Reinhard Sorge sodann ein tiefgreifendes Gotteserlebnis. Sein Leben erfährt eine Wende. In «Zarathustra» hält der Dichter Gericht über die Weltanschauung Nietzsches. 1913 heiratet er Susanne Hendewerk. Das junge Paar tritt zum katholischen Glauben über; Reinhard Sorge nimmt Johannes als zweiten Vornamen an. Die Hochzeitsreise führt das Paar nach Rom «zur Vertiefung in den Katholizismus».

Der Dichter nimmt Wohnsitz in Flüelen
Am 14. November 1913 kommt das Ehepaar Sorge auf der Heimreise von Rom in Flüelen an. Dem Ehepaar gefällt der Ort am Urnersee so gut, dass es beschliesst, hier Wohnsitz zu nehmen. Mit einem Empfehlungsschreiben des Pfarrers von Jena wenden sie sich an Pfarrer Emil Züger. Durch Vermittlung des Flüeler Pfarrers finden sie in der Nachbarschaft des Pfarrhauses auf dem Grundbühl denn auch gleich eine Wohnung mit Küche und zwei Zimmern – «bei lieben Leuten» wie Reinhard Johannes Sorge festhält. Der Preis für die Wohnung beträgt 50 Franken im Monat. Eine bleibende Wohnung will sich das Paar erst mit der Zeit suchen.
Beim Egg an der damals weltberühmten Axenstrasse mit Blick auf den Urnersee und die Urner Berge schreibt Reinhard Johannes Sorge erstmals seiner Mutter in Deutschland: «Du bist die Erste, die einen Brief erhält aus der neuen Heimat. Denn wunderbar hat uns der liebe Gott geführt, dass uns, was wir suchten, aus seiner Hand wie mühelos zukam. Hier ist der rechte Ort für uns, und hier wollen wir nun bleiben, dankbar für seine Fügung, und hier mag für mich das reifen, was ich den Menschen zu sagen habe.» Reinhard Johannes Sorge ist von der Schönheit der Natur begeistert. Er fasst die Beschreibung der Landschaft am Vierwaldstättersse in zwei kurzen Sätzen zusammen: «Es ist hier wundervoll. Die Natur ist unbeschreiblich schön.» Er verspricht, in den nächsten Briefen noch mehr zu schreiben und bittet seine Mutter, ihm die grosse Bücherkiste und den kleinen Koffer mit den Manuskripten als Eilfracht nach Flüelen zu schicken.

Träumer, Phantast, Suchender, Visionär
Reinhard Johannes Sorge fällt in Flüelen nicht nur durch seine Spiesshaare, sondern durch seine Frömmigkeit und vor allem durch sein freundliches Wesen auf. Seine Briefe aus Flüelen sind voll religiöser Glut und grenzenloser Liebe zum Nächsten. Reinhard Johannes Sorge war ein Träumer und Phantast, ein leidenschaftlich Suchender, ein Visionär. Nach seinem Übertritt zum katholischen Glauben drängt es ihn, sein Glaubenserlebnis allen Freunden zu offenbaren und sie auf den Weg zu führen, den er selbst beschritten hat. Es ist ihm ein tiefes Bedürfnis, alle Menschen von der Wahrheit des katholischen Glaubens zu überzeugen. In seiner religiösen Dichtung appelliert er an die Menschheit, sich zu erneuern und der im Fortschritt und in der Technik befangenen Welt zu entsagen. Nach einer Münchner Reise kehrt Reinhard Johannes Sorge anfangs Januar 1914 nach Flüelen zurück. Er entwickelt eine grosse Schaffenskraft. Er schreibt Tag für Tag. Morgens besucht er die Frühmesse, wo er gerne die Aufgabe des Ministranten übernimmt. Danach beginnt er die Arbeit und schreibt bis 13 oder 14 Uhr. Nach dem Essen liest er in der Bibel den Stoff zum nächsten Bild für sein neues Drama durch. Es folgt ein ausgedehnter Spaziergang mit seiner Frau. Am Abend liest er seiner Frau die Texte vor. «König David», ein fünfaktiges Schauspiel, schreibt er auf diese Weise in 15 Tagen. In diesem Schauspiel gibt der Dichter die Antwort auf alle Fragen, die er im «Bettler» gestellt und offengelassen hatte. Im Mai erscheint der «Guntwar» als erste gedruckte Dichtung nach dem «Bettler». Im November kommt das letzte Werk Sorges heraus: «Preis der Unbefleckten» ist eine Hymne auf die Wunder von Lourdes.

Der Drang des Familienvaters, Priester zu werden
Am 10. November 1914 kommt Reinhard Johannes Sorges erster Sohn zur Welt. Einen Mo­ nat später, am Festtag Maria Empfängnis, wallfahrtet der Dichter nach Einsiedeln. Dort erkundigt er sich bei einem Priester, ob ihm, da er verheiratet sei, der Weg zum Priestertum überhaupt offenstehe. Er erhält die Antwort, dass er mit dem Einverständnis seiner Frau ohne weiteres Priester werden könne.
Reinhard Johannes Sorge besucht im Kollegium Maria Hilf in Schwyz von anfangs Januar bis Mitte Mai täglich Philosophiekurse. Mit Rücksicht auf seine Frau will er sich erst dann endgültig für den Priesterberuf entscheiden, wenn er die Verhältnisse seiner Familie gesichert weiss. Er wird sich dem Entscheid jedoch nicht stellen müssen!

Als Soldat in den Krieg Sein Heimatland Deutschland tritt am 1. August 1914 in den Ersten Weltkrieg. Reinhard Johannes Sorge meldet sich freiwillig bei der deutschen Militärbehörde. Vorerst folgt kein Befehl. Aus Flüelen schreibt Sorge im Februar 1915 seiner Mutter: «Die Tage fliessen still. Aber Arbeit gibt es immer. Wird mich Gott noch in den Krieg schicken. Ich wills geduldig hinnehmen, wenn ich mich auch nicht dazu geschaffen halte. Wer Gott sehr liebt, muss ja auch eigentlich den Frieden lieben; denn Gott ist der Friede. Aber doch gibt es viele Heilige, die im Krieg ihren Mann standen. Denn, die Gott lieben, gereicht eben alles zum Besten.»
Am 25. Mai 1915 kommt der Einberufungsbefehl für Reinhard Sorge nach Flüelen. Er wird der Reserve in Konstanz zugewiesen. Gehorsam ergibt er sich seinem Soldatenschicksal. Er fasst ihn als Willen Gottes auf. Reinhard Johannes Sorge wird sein liebgewonnenes Flüelen nicht mehr wiedersehen. Er erhält nach einem Jahr erstmals Urlaub. Ende Juni 1916 trifft er Frau und Sohn, welche aus Flüelen kommen, in Fulda. Gemeinsam besuchen sie seine Mutter in Jena. Am 12. Juli kehrt er an die Front zurück.

Es gibt kein Wiedersehen
Zurück an der Front beginnt die grosse englisch-französische Offensive. Der letzte Brief von Reinhard Johannes Sorge datiert vom 16. Juli: «Wir werden die Ehre haben, die Front an einer der bedrohtesten Stellen zu schützen. Auf Wiedersehen!» Doch es gibt kein Wiedersehen! Am 20. Juli 1916 wird der Dichter Reinhard Johannes Sorge an der Somme durch Granatsplitter schwer verwundet. Er stirbt in der Nähe von Ablaincourt in Frankreich. Sein Kompagnieführer schreibt an seine Frau: «Als Kamerad und Soldat hatte der Gefallene herrliche Eigenschaften. Der Tapfersten einer ging er in das Gefecht, mutig und unbesorgt, nicht ahnend, wie bald er dem Vaterland sein junges Leben opfern sollte.»
Am 1. August trifft die Todesnachricht in Flüelen ein. Pfarrer Emil Züger schreibt im Nekro­ log: «Die Meldung wirkte lähmend auf ganz Flüelen, das sich eben anschickte, mit Sang und Klang den Tag der Bundesfeier zu begehen. So war also auch er ein Opfer des entsetzli­ chen Krieges geworden, er, den unser Volk so liebte und schätzte wegen seiner Beschei­ denheit, seiner Liebenswürdigkeit, seiner Glaubenstreue und seinem Bekennermut und sei­ nem herrlichen Beispiel, das er uns allen ganz besonders in der Kirche gab.»

Schritte gegen die Vergessenheit Der Dichter Reinhard Johannes Sorge fiel im Sommer 1916 auf dem Schlachtfeld. An Weih­ nachten wird unter der Regie von Max Reinhardt «Der "Bettler» von der Gesellschaft «Junges Deutschland» im Deutschen Theater in Berlin uraufgeführt. Reinhard Johannes Sorge war es in seinem kurzen Leben vergönnt geblieben, eines seiner Stücke auf der Bühne zu sehen. Susanne Maria Sorge schreibt an ihrem Wohnort Flüelen die Erinnerungen an ihren Ehe­ mann Reinhard Sorge nieder. Die Erinnerungsschrift «Reinhard Johannes Sorge - unser Weg» widmet sie ihren beiden gemeinsamen Söhnen, Johannes und Reinhard. Die Schrift erscheint im Jahre 1924. Susanne Maria Sorge wohnt weiterhin in Flüelen. Von hier aus be­ suchen die beiden Söhnen das Gymnasium in Altdorf bis im Sommer 1931. Dann ziehen sie fort.
Zum 30. Todestag des Dichters gedenkt Pfarrer Walter Hauser in einem kurzen Artikel. Im Jahre 1958 führt der damalige Gymnasiast Franz Steinegger in Flüelen eine Umfrage über Reinhard Johannes Sorge durch. Nach Jahren erinnert sich ein Flüeler Bauer an den Dichter mit folgenden Worten: «Sorge? Man sagt, er sei ein Dichter gewesen. Aber er war ein guter Christ.» Die Resultate der Umfrage werden in einem Bericht von Pater Bruno Scherer in den «Borromäer-Stimmen» veröffentlicht.
1964 gibt Hans Gerd Rötzer im Christiana-Verlag Zürich Sorges gesamtes Werk in drei Bänden heraus. Ein Jahr später erscheint im Buch «Flüelen» ein Artikel von Alphons Müller­ Marzohl «Reinhard Johannes Sorge (1892-1916) - ein bahnbrechender Dramatiker.» Am 12. Dezember 1982, 66 Jahre nach dem Tod ihres Ehemannes, stirbt Susanne Maria Sorge, gedanklich noch immer mit ihm verbunden.
1991 widmet Karl lten in seinem Buch «Uri - Die Kunst- und Kulturlandschaft am Weg zum Gotthard» dem Schriftsteller Reinhard Johannes Sorge ein Kapitel und schliesst mit den Worten: «So wie die wild herniederstürzende Reuss sich im milden Spiegel des Urnersees beruhigt auflöste, war der wortgewaltige, leidenschaftliche Sucher von einst hier an den Ufern des Urnersees nahe daran, den eigentlichen Sinn des Lebens zu begreifen.»

Rolf Gisler-Jauch

VERÖFFENTLICHTE LITERARISCHE WERKE

1911
Antichrist

Verlag:  

1911
Zarathustra

Verlag:  

1912
Der Bettler. Eine dramatische Sendung

Verlag:  

1916
König David

Verlag:  

1917
Mutter der Himmel

Verlag:  

1921
Gericht über Zarathustra

Verlag:  

1924
Sieg des Christos

Verlag:  

 
LITERATUR

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Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 14.3.2018