Gebäudegeschichten
Der Brand des Kurhauses Moosbad - Brandstiftung ohne Brandstifter
1906 wurde neben dem bestehenden Badehaus ein grosses modernes Hotel errichtet. Doch der Erfolg wollte sich nicht einstellen und der Betrieb schrieb rote Zahlen. Im Herbst 1912 wurde das Moosbad geschlossen. In der Nacht auf Karfreitag, 21. März 1913, brannten Hotel und Badehaus nieder. Es lag offensichtlich Brandstiftung vor. Jedoch konnte niemandem eine Schuld nachgewiesen werden.
Es geschieht in der Nacht von Gründonnerstag auf den Karfreitag im Jahre 1913. Die Bise kämpft mit dem Föhn und weht kräftig den Talboden hinauf. Im Hause von Bauer Michael Arnold wird Nachwuchs erwartet. Frühmorgens kurz nach 4 Uhr will der Bauer die Hebamme nach Altdorf begleiten. Als er aus dem Hause tritt, nimmt er aus Richtung seines Gadens starke Rauchentwicklung gewahr. Sein Verdacht, dass sein Stall brennen würde, bewahrheitet sich glücklicherweise nicht. Jedoch kommt der Rauch vom Kurhaus Hotel Moosbad herüber. Was Bauer Arnold befremdet, ist, dass im Altbau zwei Fenster erleuchtet sind, wie wenn dahinter elektrisches Licht brennt. Man hört ein Knistern und Brasseln im Gebäude, und plötzlich schlagen die Flammen an vier bis fünf Stellen aus dem Fenster. Das Moosbad brennt. Es muss gehandelt werden!
Mangelnde Alarmorganisation
Das Telefonnetz ist zwar seit knapp 20 Jahren in Altdorf, jedoch haben erst vor allem Hotels und Geschäfte einen Anschluss.
Michael Arnold weckt also seinen Knecht. Dann eilen sie der Landstrasse entlang, der eine südwärts, der andere nordwärts, vor jedem Haus ausrufend: «Fürio! Das Hotel Moosbad brennt!»
Die Bewohner des Dorfes werden durch das Läuten der Feuerglocke im Türmli und durch das Signal des Alarmtrompeters aus dem Schlaf geschreckt. Feuerwehrkommandant Emanuel Schillig wird nach seiner Ansicht viel zu spät alarmiert; man kann ihm zudem nicht sagen, wo genau es brennt. Diese Kunde bringt ihm erst Bauer Arnold, welchem er im Hellgässli begegnet. Gemeinsam begibt man sich zum Brandplatze weit unten im Moosbad.
Die Alarmorganisation entspricht also keineswegs heutigen Vorstellungen. Im Kanton gibt es keine Handvoll Automobile, und das Fahrrad kann sich noch nicht jedermann leisten. Zugtiere für die Wagen sind zwar bestimmt, doch müssen deren Halter erst alarmiert werden.
Die mangelnde Mobilität bei der Alarmorganisation wird dann auch bei der Feuerwehr eingesehen, lässt doch Alarmtrompeter Josef Zberg an der nächstfolgenden Generalversammlung des Feuerwehrvereins verlauten, dass er inskünftig seines Amtes nicht mehr zu Fuss, sondern beritten amten werde. Jedoch bereits ein Jahr später wird beschlossen, dass der Alarmtrompeter und die Kommandanten-Ordonnanz als Radfahrer ihre Funktion ausüben sollen. Das Trompetensignal wird schliesslich im Jahre 1931 durch die auf dem Postgebäude aufgestellte Sirene ersetzt.
Wagen müssen auch im Eilmarsch gezogen werden
Die Föhnwache wird alarmiert und rückt mit dem Pikettwagen aus. Ein Hydrantenwagen und die grosse Dorfspritze können erst später mit Pferdekraft losgeschickt werden. Die restlichen Hydrantenwagen müssen jedoch zum Brandplatz gezogen werden, da die Alarmierung im Dorf ungenügend ist, und es dadurch an Zugtieren mangelt. In der Zwischenzeit wird am Brandplatz das wenige Wasser, welches der Dorfbach noch führt, gestaut. Als die Dorfspritze angekommen und in Betrieb genommen ist, platzten die nach Beurteilung des Kommandanten «uralten» Schläuche. Die Mannschaft muss auf neues Schlauchmaterial warten. Ob man nicht den Dorfbach anlassen könne, fragt der Nachbar des Brandobjektes den Feuerwehrkommandanten. Dieser jedoch verneint. Um die notwendigen Reparaturen an Wasserrädern und Ausbesserungen am Bachbett vorzunehmen, ist das «Kett» in Bürglen tags zuvor weggenommen worden.
Das Wechselspiel zwischen Föhn und Unterwind nährt das Feuer derart, dass es auf das benachbarte neue Hotelgebäude übergreift. Das Feuer bedroht nun den Wald und auch die umliegenden Gebäude. Es droht Waldbrandgefahr! Es werden die Feuerwehren von Flüelen, Attinghausen, Schattdorf, Seedorf und der Eidgenössischen Munitionsfabrik alarmiert. Nach der Ankunft der auswärtigen Hilfe wendet man sich deshalb vorerst diesen Aufgaben zu, droht doch der Wald an mehreren Stellen in Brand zu geraten. Es wird nun eine Schlauchleitung vom nächsten Hydranten über 900 Meter erstellt.
Die niemandem anzulastende Brandstiftung
Die in den Neubau eingedrungenen Feuerwehrleute stellen einen ausgesprochenen Petrolgeruch fest. So treffen sie im Hausgang einen Haufen Sägemehl an, welcher mit Petrol getränkt ist. Auch die Gangteppiche sind mit dem Brennstoff getränkt. Im Speisezimmer des Parterres liegt teils auf, teils unter den Tischen zusammengetragenes Kleinholz, welches ebenfalls mit Petrol begossen ist. Dass der Zeitpunkt der Brandlegung in die Zeit fällt, als der Dorfbach abgestellt ist, passt ebenfalls in das Schema der Brandstiftung. Dieser Verdacht wirkt sich auch auf die Arbeit der Feuerwehrleute aus, so hält Kommandant Emanuel Schillig in seinem Bericht abschliessend fest: «Die Arbeit der Mannschaft war befriedigend, wenn auch durch das Bekanntwerden von Brandstiftung eine gewisse Gleichgültigkeit einreissen wollte.»
Die anonymen Zeugen schweigen sich aus
Für den Verhörrichter Anton Lusser ist es deshalb klar, «dass die böswillige Täterschaft, die Brandlegung vor langer Hand vorbereitet hatte und sich dabei des Deckmantels der Nacht bediente.» Verdächtige sind zahlreich vorhanden, doch kann niemandem die Schuld nachgewiesen werden: nicht dem zahlungsunfähigen auswärtigen Hoteldirektor, nicht seiner einheimischen Freundin, der Schlüsselverwalterin, nicht ihrem Vater, dem Nachbar, dem ein Verhältnis mit der ehemaligen Bademeisterin nachgesagt wird, nicht dem entlassenen Wächter, und auch nicht dem brandgeschwärzten Fabrikler, welcher von Hundefleisch und Schnaps lebt, und zu einer Italienreise aufgebrochen, schon in Göschenen wieder umkehrte. Es melden sich zwar anonyme Zeugen, welche Angaben machen, den Täter zu kennen, ohne jedoch jemals den Namen zu nennen. So blieb denn die Akte Moosbad ungelöst.
Von Dr. Rolf Gisler-Jauch
> Porträt des Kurhotels Moosbad
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