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Gesetzes- und Verfassungsbestimmungen

Abl UR 1866 nach S. 212 (Beilage, 01-07)
«Ein freies Wort an freie Männer» (Errichtung einer Kantonalbank) - Öffentlicher Brief von Bezirksammann Joseph Arnold
Dienstag, 9. April 1867
   
«Gar süss hab' ich geträumet
Ach, in goldener Banklust;
Doch, wie ich ausgeräumet,
Nagt Täuschung an meiner Brust.

Noch wenige Tage und der erste Maisonntag wird sich wieder einstellen. Wie gewohnt, wird er auch unsere Landsleute von nah und fern herbeilocken zu ihrer ordentlichen Jahresversammlung, woran sie ohne Zweifel mit dem frischen Muth und dem fröhlichen Sinn erscheinen, wie sie die Ausübung eines der schönsten republikanischen Rechte von jeher in der Brust des freien Mannes zu erwecken vermochte.
Wenn ein gnädiger Kaiser oder eine durchlauchte Königin die Kammern eröffnet, so geht ein erwartendes Gemurmel durch die Welt; die Herren Senatoren spitzen ihre unterthänigen Ohren, um jedes Wort zu vernehmen, das die Majestät spricht, wenn auch dieselbe es nicht selbst erfunden, sondern nur ihren Ministern abgelernt hat; auf der Börse hängt das Zünglein der Waage am zartesten Fädchen, um je nach einem Ausdruck die eine Schaale steigen oder sinken zu lassen; die Zeitungskorrespondenten tünken ihre Federn zum Voraus in Tinte von allen möglichen Farben, um Sinn und Wirkung des hohen Ergusses recht malerisch und lebhaft in die Oeffentlichkeit zu verbreiten. Und nach allem dem findet es sich meistens, dass die Rede mehr Interesse bietet durch das was sie verschwiegen, als durch das, was sie gesagt hat, und dass man von dem darin Geoffenbarten eigentlich das Gegentheil verstehen muss. Wenn ich also diese monarchischen Zustände anführe, so geschieht es wahrlich nicht um einer Vergleichung, sondern um des Kontrastes willen. Denn nicht nur haben wir in Uri noch keine Börse, und auch keine Zeitung mehr; nicht nur sind unsere „Kammern" (wie man sich am Sonntag wird überzeugen können) beständig und nach allen Seiten offen: der urner'sche Landammann ist auch kein Potentat und will aus seinen Ansichten und Aeusserungen weder einen Glaubensartikels noch eine Polizeiverordnung machen, und am künftigen Sonntag darf er gar noch über die Hauptfrage, welche der Landsgemeinde vorgelegt wird, sich nicht zum Voraus aussprechen, sonst heisst es gleich wieder: Sehet, der böse Mann will uns schon ehe und bevor die Bank nur in Behandlung ist, böses Spiel bereiten.
Aber man hat mich in einer masslos leidenschaftlichen, aufreizenden Broschüre, aus welcher Vater, Sohn und — noch ein anderer Geist — leuchtet, sowie in weitern literarischen und unliterarischen Posaunen mit noch Andern, in deren Gesellschaft ich mich nicht zu scheuen habe, gestupst, dass es mich anmacht, nur so privatim einen kleinen Schreibebrief abzufassen und ihn abdrucken zu lassen. Dabei halte ich am Grundsatze fest, dass wahre, freundschaftliche Theilnahme an unglücklichen Projekten und ihren Trägern nicht darin besteht, dass man schon bestehender Aufregung schmeichelt, oder auch im Sinne leidenschaftlicher Erregtheit antwortet, sondern dass man sie vielmehr nach den Grundsätzen der Vernunft und des Christenthums zu mildern strebe. Aus solcher Stimmung bringt mich selbst der bekannte Korrespondent des „freien Schweizers" nicht, wenn er endlich aufrichtig sagt, mit einer Bank sei eigentlich wenig geholfen, unsere Personen müssen her! Ich für meinen Theil acceptire.

Zwar denk ich dieser That mit Grauen;
Doch möcht ich durch die Finger schauen,
Wenn sie auf meine Räthe bauen,
Und einer Staatsbank nicht vertrauen!

Ich verspreche sogar, auch ohne Aemtchen ein ruhiger Bürger zu sein, und den Finkenstrich nicht zu nehmen; gleichwohl mache ich noch einen

Vorschlag zur Güte.

Die Frage über Errichtung einer Bank, mehr Hypothekar-, als Notenbank ist schon vor Jahren, von mir und Anderen ernstlich verhandelt worden, sie ist untersucht worden für Uri allein, sie ist besprochen worden für die drei Urkantone Uri, Schwyz und Unterwalden. Aber die Absicht lag ferne, gleichzeitig die bestehenden Spar- und Leihkassen zu sprengen, da solche der Landbevölkerung von grösstem Nutzen sind, während eine Bank mehr dem Handel treibenden Publikum und allenfalls grössern und kleinern Herren zu einigem Dienste wäre, ja von Spekulanten und sogenannten „Herren" geradezu bis auf's Mark ausgebeutet werden könnte, so dass dä liebä g'meinä Landlitä das Nachsehen bliebe. Das Eingehen auf ein Bankprojekt in Uri oder in den drei Kantonen wollte daher Niemanden behagen.
Sollte nun die Aufgabe vom Kanton Uri allein gelöst werden, ohne Beiziehung des Privatkapitals, z. B. auf dem Wege von Aktien? Wenn ja, so heisse ich das ganze Projekt eine Last für den Kanton, der das Geld billiger beschaffen soll, als es ihm die Kapitalisten überlassen und das dem Kanton in einem einzigen Jahre ebensogut Fr. 30,000 und mehr, als nur Fr. 10,000 Einbusse bringen kann. Doch nein, — man rechnet ja auf grossen Profit! Wirklich lächerlich ist der aus S. 6 der Eingangs erwähnten Broschüre gemachte Ausruf: „So lange der Staat schöne Einkünfte hat, so brauchen wir nicht zu steuern.”
Auf der einen Seite sagt man, dass die Bank möglichst wohlfeil Geld verschaffen soll, auf der andern Seite aber soll sie soviel verdienen, dass sie an die Staatskasse abgeben kann. Wer anders bezahlt denn solche Einkünfte, als die gleichen Landsleute, welche steuern?! Man will gemeinnützig sein und gleichzeitig profitiren. Ich würde also vorschlagen, dass man das Geschäft einem l. Siebengeschlecht oder einer andern freiwilligen Aktien-Gesellschaft mit Aufsichtsrecht des Staates überlaste und gegen die sehr mässige Kaution von Fr. 100,000 auf ein Gesellschaftskapital von einer Million oder etwas mehr sogar vorläufig auf fünf Jahre demselben die kantonale Garantie ausspreche, auf welche man so sehr abstellt. Wenn diese Uebernahme auf Grundlage des Sieben-Geschlechts-Projektes geschieht, so trete ich von heute an mein Einkommen als vielbeneideter Verwaltungsrath der eidgen. Bank ebenfalls auf volle fünf Jahre den Unternehmern, seien sie wer sie wollen, ab, und dazu noch zum Kurspreise die 20 Aktien, die ich als Verwaltnngsrath deponiren musste und die mich Fr. 100 das Stück kosteten, während sie heute noch Fr. 60 gelten.
Länger als 5 Jahre dürfte der Staat bei solch' mässiger Kaution nach meiner Ansicht nicht garantiren, wenn man nicht befürchten wollte, dass dann der Landessäckelmeister, wenn sein Anzug sich nach der Staatskasse richtete, nicht nur im Frühling und Sommer, sondern noch in den kalten Dezembertagen im Schinnhut und in den Sommerhosen — erschiene. Die zwei Hauptredaktoren des Projektes wissen das, darum werden sie selbst auf einen solchen, nach ihren dem Volke gemachten Berechnungen sehr günstigen Antrag, den ich den Behörden empfehlen könnte, nicht eingehen, denn sie wissen wohl

Eine Kantonalbank kann wenig nützen; nach dem vorgelegten Projekte gar nicht existiren.

Der Unterschied zwischen unsern kleinern schweizerischen Kantonalbanken und einer blossen Spar- und Leihkasse wird hier, soweit es sich um Wechselskontirungen, Banknotenausgabe und dgl. handelt, wenig gefühlt. Es bleibt nur das Bedürfniss, dass auch die Ersparnisskassa Geld suchend auftritt und eine gewisse Vermittlung zwischen dem Kapitalbesitz und der Kapital- oder Geldnachfrage übernimmt. Diese Vermittlung hat die urner'sche Ersparnisskassa-Verwaltung in frühen Jahren oft geübt und nun steht ihr dafür der Zinsfuss von 4 ½ vom Hundert für die Einleger trefflich zur Seite.
Die ganze Rechnung der Projektmacher beruht auf dem Banknoten-Gewinn. Glücklicher Weise ist sie so gestellt, dass zu deren Enträthselung nur Niemand zum Schulmeister gehen muss.
Die Annahme, dass von einer urner'schen Bank Fr. 900,000 in Banknoten zirkuliren sollen, ist eine Rechnung, an welche der Erfinder so wenig glaubt, als der Asbest sich belaubt, eine reine Absurdität. Vergleichen wir: Luzern mit einer Bevölkerung von zirka 140,000 Seelen, hat ungefähr für Fr. 150,000 Banknoten in Zirkulation, Aargau mit 200,000 Seelen etwa Fr. 360,000, beides Banken mit mehr als 10jährigem Bestande. Günstiger steht Solothurn mit 10jährigem Bestande, auf 70,000 Seelen mit Fr. 250,000 ; Bern aber hat nach 30jährigem Bestande und mit fast einer halben Million Einwohner etwa eine Million Banknoten. Wenn es eine Urnerbank auf 70,000 Fr. Banknoten brächte, so wäre das ein Verhältniss von 5 vom Kopf, was nur in einigen der grössten Handelsstädte der Schweiz existirt. Die eidgen. Bank mit ihren Filialen und Einlösungsanstalten kann nicht als Beispiel für Uri gebraucht werde. Dass man ach ihrem Haberkasten lüstern ist, finde ich viel natürlicher.
Wer auch ein Freund von Bankinstituten wäre, der kann sich mit der Befürwortung, die in der Broschüre liegt, nicht befreunden; da kann man auch sagen: ”B'hüt mich Gott vor meinen Freunden.‘’ — Mit den Banknoten wenig oder kein Profit, und dennoch das Geld eher wohlfeiler ausgeben, als man es einnimmt, wie reimt sich das?
Aber hören wir auch wie unsere Nachbaren, die Glarner, in gleicher Sache vorgegangen sind. Das Landesgemeinde-Memorial von Glarus vom Jahr 1865 sagt: Unter dem Eindrücke des zeitweiligen grossen Geldmgngels ist der Antrag gestellt worden, es möchte von Landes wegen eine Bank (neben der dort bestehenden Privatbank) gegründet werden. Die Landesgemeinde trat dann nicht ein, überwies aber die Sache dem dreifachen Rathe zur Untersuchung. Dieser wies in einem weitläufigen Memorial nach, dass bei richtiger Würdigung der Verhältnisse ein Eingehen auf den Antrag nicht zweckmässig, ja sogar gefährlich wäre und stellte den Antrag aus Abweisung, welcher an der Mai-Landsgemeinde 1866 einmüthig angenommen wurde.
Herr Landammann Dr. Heer, von Glarus, der nun als schweiz. Gesandter nach Berlin geht, einer der hervorragendsten schweiz. Staatsmänner, schreibt mir noch Folgendes: Ich finde es, insbesondere in einem kleinen demokratischen Kantone sehr bedenklich von Staatswegen ein Geldgeschäft zu betreiben und die Verpflichtung zu übernehmen zu jeder Zeit jedem Geldbedürftigen, der Sicherheit zu bieten vermag, gegen möglichst niedrigen und nach oben limitirten Zinsfuss Geld herzuschaffen. Bei dem Ihnen vorliegenden Projekte ist mir das Unbegreiflichste, dass die Bankverwaltnng direkt durch die Landesgemeinde gewählt werden sollte und also gewissermassen als gleichberechtigte Macht neben die Regierung zu stehen käme An so Etwas dachte hier bei uns Niemand und ich würde es für einen grossen Missgriff halten, wenn der Gedanke bei Ihnen zur Ausführung käme. — Wie man im Kanton Uri aus dem Banknotengeschäft Fr. 45,000 herausschlagen will, ist mir rein unverständlich. In Betreff der Vortheile, die man sich von den Banknoten verspricht, gibt man sich in der Regel einer grossen Täuschung hin. Die Noten einer kleinen Bank, an einem kleinen Orte, werden auswärts nie eine grosse Verbreitung finden, und wenn man sie hinaussendet, so kommen sie auf allen möglichen Wegen wieder zurück. Unsere hiesige (Privat-) Bank, die ausserordentlich solid ist und den grössten Kredit geniesst und verdient, macht darüber die eklatantesten Erfahrungen; ihre Noten zirkuliren allerdings in ziemlich bedeutender Menge im Innern des Kantons, aber auch diess ist fast ausschliesslich dem Umstande zuzuschreiben, dass unsere meisten Fabrikanten starke Aktionäre der Bank sind und sich desshalb, im eigenen Jnteresse, möglichste Mühe geben, die Noten derselben, durch Benutzung bei den Zahlungen an die Arbeiter in Zirkulation zu bringen. Sie aber haben keine Fabriken, der Kanton ist zur Hälfte kleiner und der Bauer — wenigstens bei uns und so gewiss auch bei Ihnen — hat gegen das Papiergeld eine grosse Abneigung und gibt dasselbe sobald wie immer möglich, wo er genöthigt war, solches abzunehmen, wieder von sich, d. h. er wechselt es direkt an der Kasse der Bank wieder ein.
Wir stehen also in Uri nicht allein, mit unserer ehrlichen vaterländischen Meinung für

Verwerfung einer Kantonal- oder Staatsbank,

weil sie dem biedern, schlichten Bauersmanne und Handwerker im besten Falle nicht das wäre, was ihm eine gut bestellt Spar- und Leihkasse ist, und weil sie höchstens grössern und kleinern Herren bester zu Diensten stünde und zwar auf Rechnung des Landvolkes und des Landsäckels, welch' Letzterer solche Experimente nicht vertragen kann.
Zum Schlusse sei noch, böswilligen Ausstreuungen gegenüber, gesagt, dass die eidgenössische Bank seit ihrem Bestand im Kanton Uri noch gar keine Geschäfte oder Darleihen gemacht hat und keine machen will, dass von ihr weder direkte noch indirekte kein Rappen in die Ersparnisskasse geflossen ist, und dass — wenn ich das Landesinteresse meinem persönlichen unterordnen wollte — ich für die Siebengeschlechts-Bank stimmen würde, aus welcher den grössten Nutzen zu ziehen mir ein Leichtes wäre. Soviel, Niemanden, als dem Vaterländchen zu lieb, und Niemanden zu leid.

Geschrieben am letzten (nicht am ersten) April 1867. Joseph Arnold. »

    
Abl UR 1866 nach S. 212 (Beilage, 01-07)
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Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 26.8.2018