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Themen des Automobilwesens in Uri im Detail

Reistwege und Forststrassen




In den Urner Gebirgswäldern wurden für den Holztransport bis in die 1960er-Jahre Reistzüge angelegt. So wurden bis 1975 im Altdorfer Bannwald 14'000 Meter Schlitt- und Reistwege und daneben drei Seilanlagen mit insgesamt 2'200 Metern Länge erstellt. Davon waren 1975 nur gerade 1'000 Meter am unteren Waldrand für Lastwagen befahrbar. Diese Wegnetze wiesen Steigungen von 10 bis 25 Prozent auf, die Breite variierte zwischen 1,5 und 2,0 Metern. Die Wendestellen wurden wegen des steinigen Geländes meistens als Spitzkehren angelegt. Solche Reist- und Schlittwege wurden bis 1966 projektiert und angelegt. Bis 1960 waren in den Urner Waldungen 110 Kilometer solcher Wege erstellt worden. In den späteren 1950er-Jahren wurde darauf geachtet, dass mit den Reist- und Schlittwegen auch die angrenzenden Bergheimwesen und Alpen erschlossen werden konnten. Während der Bau von "lastwagenbefahrbaren" Erschliessungsstrassen in verschiedenen Regionen der Schweiz zügig vorangetrieben wurde, hatten die Urner bis in die 1970er-Jahre diesbezüglich eine zurückhaltende Einstellung. Gegen eine "Motorisierung der Holzerei" sprachen die Steilheit des Geländes, und vor allem, dass die Nebenbeschäftigung im Wald erhalten werden musste. Die Regel sollte der Holztransport bei Schnee bleiben. Beschränkte Lagerplätze im Talboden und vor allem die Behinderungen durch diverse Hochspannungsleitungen im Reusstal liessen Langstrecken-Seilkran-Anlagen nur in den Nebentälern aufkommen.
Der Bau der Nationalstrasse bedingte die Wende im forstwirtschaftlichen Erschliessungskonzept. Aufgrund von Gutachten wurden vor allem bergseits der N2 Waldbewirtschaftungs- und Unterhaltswege als Basisstrassen erstellt. Die Notwendigkeit von "lastwagenbefahrbaren" Strassen wurde auch für andere Kantonsgebiete erkannt. In Folge der schweren Überschwemmungen im Urnerland von 1977 und 1987 wurden im Rahmen des Hochwasserschutzprogrammes zur Erschliessung der Bachverbauungen weitere Strassen ins Gebrige angelegt, welche auch der forst- und landwirtschaftlichen Erschliessung dienten. Auch die Massnahmen gegen das Waldsterben in den 1980er-Jahren erforderten Erschliessungsstrassen. Dadurch, dass diese forstwirtschaftlichen Strassen durch oder nahe an Berggüter oder Alpen führten, begann auch bezüglich der landwirtschaftlichen Erschliessung ein Umdenken. Wurden bisher die Berggüter und Alpen hauptsächlich mit Seilbahnen erschlossen, gab man nun der Strasse den Vorzug. Die Mobilität sollte auch die Bergheimet erreichen.
Gemäss Schweizerischem Alpenkataster waren im Jahre 1966 von den etwas mehr als 1300 Landwirtschaftsbetrieben im Kanton mehr als die Hälfte ohne jede Zufahrtsmöglichkeit und auch ohne Seilbahnerschliessung, so dass zu diesen Betrieben noch fast sämtliches Material auf dem Rücken zugetragen werden musste.
Rund vier Fünftel der bis anfangs 1991 erbauten 235 Kilometer land- und forstwirtschaftlicher Erschliessungsstrassen wurden nach 1970 erstellt. Mit ihrem Bau stagnierte zwangsläufig der Bau von Luftseilbahnen. Insgesamt wurden durch diese Strassennetze 590 Haushalte (447 von Landwirten und 143 von anderen) sowie 173 Ferienhäuser erschlossen. Die erschlossenen Haushalte machen dabei 5,5 Prozent der Urner Haushalte aus.
Seilbahnanlagen kamen bei Neubauprojekten einmal aus technischen und Kostengründen nicht mehr überall in Frage, vor allem dann nicht, wenn hiezu zwei Sektionen notwendig wurden. Neben Vorteilen, welche eine Erschliessung mit einer Seilbahn vor allem für den Personentransport hat, bringt sie den Nachteil des oft mehrfachen Umladens bei Materialtransporten und den damit verbundenen Zeitverlusten. Eine Luftseilbahn vermag vor allem auch dem Bedürfnis der Erschliessung des Waldes nicht zu genügen. Weiter können Seilbahnen ohne den ins Gewicht fallenden Touristenverkehr nicht selbsttragend betrieben werden. Seilbahnen sind im Urnerland mit dem starken Föhn auch sehr exponiert, und ihr Betrieb muss oft eingestellt werden. Die Strasse konnte hingegen fast jederzeit benützt werden.
Wo schon Seilbahnen bestanden, trat die Erschliessungsstrasse besonders hinsichtlich des Gütertransportes zu ihnen in Konkurrenz. Regierungs- und Landrat waren bemüht, dass die bestehenden Seilbahnen durch die Erschliessungsstrassen nicht konkurrenziert wurden. Trotz Ver¬boten wurden die Erschliessungsstrassen jedoch teils rege benutzt. Zur Durchsetzung der Fahrverbote wurden Schranken aufgestellt oder Ausweise (Kleber) an die berechtigten Benützer abgegeben.
Durch die topographischen Gegebenheiten bedingt, überschnitten sich vielfach die Erschliessungsstrassen mit den benutzten Wanderwegen. Um die Unterhaltskosten der Erschliessungsstrassen zu reduzieren, wurden die Strassen vielfach mit einem Asphaltbelag versehen. Diese pflegeleichten Strassen werden allerdings vom Wanderer wiederum nicht geschätzt. Das bergige Gelände lässt es jedoch vielfach nicht zu, diese Strassen und Wege doppelt zu führen. Die Asphaltierung stand somit in Widerspruch zum Urner Touristikkonzept, welches das Wandern im Sommer als den Hauptanziehungspunkt für die Feriengäste wertete. Anfangs des 20. Jahrhunderts wurde der Wanderer nicht zuletzt der Staubplage wegen von den Passstrassen vertrieben und wich auf die Wanderwege aus, nun sollte ihn mit der Asphaltierung der Wanderwege das gleiche Schicksal ereilen. Das Auto drang weiter in die unberührte Natur vor. Gegen die Erschliessungsstrassen erwuchs deshalb auch Opposition.

Literatur: Gisler-Jauch Rolf, Uri und das Automobil – des Teufels späte Rache, S. 77 f.

 
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Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 03.03.2021