Gesetzes- und Verfassungsbestimmungen
LB UR (1864) Bd VI a S. 263-269.
Vertrag betreffend Verbesserung des Seeabflusses in Luzern
Samstag, 9. Oktober 1858
«Zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft, den Uferkantonen des Vierwaldstättersees: Luzern, Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden, und der Gesellschaft der schweizerischen Zentralbahn, alle vertreten durch die endesunterzeichneten Abgeordneten, ist zum Zwecke der Verbesserung des Seeabflusses in Luzern und einer dadurch herbeizuführenden Tieferlegung des höhern Seewasserstandes folgender Vertrag abgeschlossen worden:
§. 1.
Es soll, unter Wegreissung eines Theils des bisherigen geschlossenen Wehres in Luzern, ein Schleussenwehr angelegt werden, und zwar nach demjenigen Projekte, welches die vom Bundesrathe ernannten Sachverständigen, Herren Oberst Müller, Oberst Göldlin und Oberingenieur Presset, in ihrem Gutachten mit Planbeilagen vom 18. September 1858 unter Nummer II (sogenanntes reines Nadelwehr) in Vorschlag bringen.
Das Werk soll in der von den Sachverständigen in erster Linie vorgeschlagenen grossen, einen Kostenvoranschlag von 97’000 Franken bedingenden Breite ausgeführt werden.
§. 2.
An die Kosten des Werkes tragen bei:
die schweizerische Eidgenossenschaft Fr. 24’250
die Gesellschaft der schweizerischen Zentralbahn Fr. 33’000
den übrigen Theil der Kosten tragen die Uferkantone nach sol- dem Verhältnisse:
Luzern im Verhältnisse von 32 %
Uri 18 %
Schwyz 18 %
Obwalden 14 %
Nidwalden 18 %
Die gleiche Skala gilt auch für einen Mehrbetrag der Kosten, der sich über den Expertenvorschlag von 97’000 Fr. hinaus ergeben möchte.
Jedem Kanton bleibt überlassen, je nach der bei ihm bestehenden Gesetzgebung oder Uebung bezüglich solcher Unternehmungen die betreffenden Kosten aus die Staatskasse zu übernehmen, oder ganz oder theilweise auf die betreffenden Betheiligten im Kantone zu verlegen. Gegenüber den Theilnehmern an diesem Vertrage haftet aber in jedem Falle der Kanton. Die zugesicherten fixen Beiträge der Eidgenossenschaft und d.er Zentralbahngesellschaft sollen durch einen Mehrbetrag der Kosten nicht berührt werden.
Die Einzahlung der oben bestimmten Beitragsquoten erfolgt im Verhältnisse des Vorrückens der Arbeiten.
§. 3.
Mit der Ausführung des Werkes wird der Kanton Luzern betraut.
Zu diesem Zwecke wird er sofort die Ausführungs- und Detailplane mit Detailskostenberechnungen aufnehmen lassen, und dieselben den bisherigen bundesräthlichen Sachverständigen, Herren Oberst Müller, Oberst Göldlin und Oberingenieur Presse!, zur Prüfung vorlegen.
Finden diese die Pläne genehm und den Grundlagen gegenwärtigen Vertrages entsprechend, und zeigt sich auf ergangene Ausschreibung hin ein Unternehmer um eine Summe, welche es möglich macht, mit den Gesammtkosten nicht über 97’000 Fr. zu steigen, so kann ohne Weiteres zur Ausführung geschritten werden.
Können sich die Sachverständigen mit der Regierung von Luzern über die Planvorlagen nicht verständigen, so entscheidet der Bundesrath.
Zeigt sich für die festgestellten Ausführungsplane um eine Summe in obenangedeuteten Schranken ein Unternehmer nicht, so sind sämmtliche Uferkantone zu einer Konferenz zusammenzuberufen, um sich zu verständigen, bevor der Zuschlag erfolgt. Können sie sich nicht verständigen, so entscheidet der Bundesrath.
Längstens bis 1. Mai 1861 soll das Werk vollendet sein.
§. 4.
Jeder Uferkanton kann während des Baues Bemerkungen über den Gang, die Beschaffenheit und Zweckmässigkeit der in Ausführung begriffenen Arbeiten anbringen. Das gleiche Recht steht der Zentralbahngesellschaft zu.
Können solche Bemerkungen durch die Dazwischenkunft der bundesräthlichen Experten nicht erledigt werden, so entscheidet der Bundesrath.
Letztere Behörde behält sich ebenfalls die Aufsicht über den Gang und die Beschaffenheit der Bauten vor.
§. 5.
Nach Vollendung des Werkes soll unter Mitwirkung aller Betheiligten konstatirt werden, dass die Ausführung den Grundlagen dieses Vertrages und den genehmigten Ausführungsplanen gemäss stattgefunden habe.
§. 6
Den Unterhalt des Werkes, so wie das zur Regulirung des Seewasserstandes nöthige Oeffnen und Schliessen der Schleussen übernimmt der Kanton Luzern.
§. 7.
Ueber das Oeffnen und Schliessen der Schleussen wird die Regierung des Kantons Luzern, im Einverständniss mit den Regierungen der übrigen Uferkantone, seiner Zeit ein Reglement aufstellen.
Findet diesfalls eine Verständigung nicht statt, so entscheidet über die streitigen Punkte der Bundesrath.
Die Aufstellung dieses Reglements erfolgt, nachdem im Verlaufe von drei Jahren, von Vollendung des neuen Wehrs an gerechnet, die nöthigen Beobachtungen und Erfahrungen gesammelt sein werden.
Inzwischen wird, unter Aufsicht der Regierung von Luzern, durch dasige Stadtbehörde nach bestem Ermessen mit Rücksicht auf den jeweiligen Wasserstand, die Witterungsverhältnisse u. s. w. das Oeffnen und Schliessen besorgt, wobei die hienach unter Ziffer 1—3 bezeichneten Vorschriften bereits in Anwendung zu bringen sind.
In dem aufzustellenden Reglemente sind unter Andern, folgende Grundsätze in vollem Masse zu berücksichtigen:
1) Der bisherige niedrigste Wasserstand soll auch für die Zukunft beibehalten werden. Derselbe ist durch die Höhe eines festen Pfahles bezeichnet, welcher in dem dermalen bestehenden Wehr gesetzt sich befindet und dessen Spitze mit einem runden Knopf versehen ist.
2) Bei Regulirung der Schwellwerke am Seeausflusse soll als Regel gelten, die Seestande möglichst tief zu halten. Daher soll vom Momente an, wie der See über den festgesetzten Niedrigen Stand zu steigen beginnt, das Oeffnen der Schleussen im angemessenen Masse beginnen und der Wasserabfluss nach Bedürfnis, hergestellt werden; dieses aber immerhin innert solchen Gränzen, dass in Folge der neuen Reussabfluss-Einrichtungen dem unterhalb gelegenen Uferlande im Gebiete des Kantons Luzern keine grössern Nachtheile erwachsen, als denen es unter jetzt bestehenden Verhältnissen ausgesetzt war.
3) Im Falle, dass das aus dem See abfliessende Wasserquantum noch durch eine Anschwellung der Emme so wesentlich vermehrt wird, dass eine Gefährde für die untern Reussgegenden sichtlich zu besorgen ist, so soll, in Uebereinstimmung mit der im Expertengutachten vom 18. September 1858 ausgesprochenen Ansicht, die Regierung von Luzern berechtigt sein, während der gewöhnlich kurzen Dauer der Hochwasserstände der Emme mittels des Wehrs den Seeausfluss im erforderlichen Masse zu beschränken. Diese Einschränkung soll im Maximum jedoch 4000 Kubikfuss per Sekunde nicht überschreiten und jeweilen nicht länger als 24 Stunden dauern.
§. 8.
Die Regierung des Kantons Luzern soll darüber wachen, dass an dem Seeausflusse und dem Reussbette in Luzern keine Bauten oder sonstige Veränderungen vorgenommen werden, welche einen Einfluss von bemerkenswerthem Nachtheil auf den Seeabfluss üben.
Wenn den Vorstellungen der übrigen Uferkantone gegen solche Bauten und Veränderungen nicht Rechnung getragen wird, so entscheiden darüber die kompetenten Bundesbehörden.
§. 9.
Die Regierungen der Kantone Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden geben gegenüber der schweizerischen Zentralbahnverwaltung die Erklärung ab, dass sie keine Einwendung erheben, wenn allfällig in Folge Verkommnisses zwischen benannter Eisenbahngesellschaft und der Regierung von Luzern, oder in Folge kompetenten Entscheides, eine Verlängerung des Bahndammes vorgenommen werden wollte.
Jedoch darf durch eine solche Dammverlängerung diejenige Rücksicht nicht verletzt werden, welche im vorhergehenden Art. 8 vorbehalten ist.
Würden über letztere Frage sich Anstände erheben, so entscheidet darüber der Bundesrath.
§. 10.
Die Regierung des Kantons Luzern gestattet der Zentralbahnverwaltung, die laut genehmigtem Plane (Profil) projektirte Höhenlage des Bahnhofes, der Zuleitungsstrassen etc. um 2 Fuss tiefer zu halten, so dass die Höhenquote dieser Anlage statt 638 Fuss bloss 636 Fuss sein darf.
§. 11.
Die Uferkantone und die Gesellschaft der schweizerischen Zentralbahn haben die Ratifikation dieses Vertrages bis spätestens den 15. November nächstkünftig dem Bundesrathe einzusenden.
Unter Vorbehalt der Ratifikation ihrer Vollmachtgeber also vereinbart und unterzeichnet.
Luzern, den 9. Oktober 1858.
Der Abgeordnete des Bundesrathes: Stämpfli.
Uri: K. Em. Müller, Landammann / Alex. Muheim, alt Landammann
Luzern: V. Huber / Neuward Meyer.
Obwalden: Al. Michael, Regierungsrath
Schwyz: X. Aufdermaur, Landammann / P. M. Wyss, Regierungsrath.
Nidwalden: Jak. Kaiser, Landammann / L. Wyrsch, Landesstatthalter
Die Abgeordneten der schweiz. Zentralbahngesellschaft: Trog. / W. Pressel.»
vom 09.10.1858, genehmigt vom Landrathe den 19.10.1858.
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