Einzelnes Geschäft an der Landsgemeinde
Sonntag, 5. Mai 1872
Landesgemeinde vom 5. Mai 1872
Bötzlingen an der Gand, Schattdorf, 12 Uhr
Landammann:
Dominik Epp
Landschreiber:
Gisler
Geschäfte:
Revision der Bundesverfassung / Abänderung der Kantonsverfassung über das Repräsentationsverhältnis im Landrat und in den Bezirkrsräten / Abänderung des Paternitätsgesetzes / Gesetzesentwurf über das Assekuranzwesen / Wahl eines Landammanns / Wahl eines Landesstatthalters / Wahl eines Pannerherrn / Wahl eines Landessäckelmeisters / Wahl zweier Ständeräte / Erneuerungswahlen des Kantonsgerichts
Abänderung des Paternitätsgesetzes.
Antrag:
«Der Landrath, in Betracht:
1. daß das hiesige Gesetz über Vaterschaftsklagen das einzige in der Schweiz ist, welches noch auf dem Grundsatze der Paternität beruhet;
2. daß die Festhaltung dieses Grundsatzes, wie die Erfahrung häufig zeiget, keinen vernünftigen Zweck mehr hat, sondern nur dem Lande vielfältigen Nachtheil bringt;
3. daß es daher zeitgemäß und gerathen erscheint, diesem Grundsatze denjenigen der Maternität zu substituiren, immerhin jedoch unter Beibehaltung einer Alimentationsklage gegen den Schwängerer; bringet den gutächtlichen Antrag an die h. Landesgemeinde, auf eine partielle Revision des Paternitätsgesetzes vom 3. Mai 1857 einzutreten, und diesfalls folgende abändernde Bestimmungen zu erlassen:
1. Die unehelichen Kinder erhalten den Geschlechtsnamen und das Gemeindebürgerrecht der Mutter. Eine Ausnahme findet statt, wenn der Vater nicht Kantonsbürger ist, und an dessen Heimathorte dem Kinde ein Heimathrecht ermittelt werden kann.
2. Die Beeidigung der Klägerin bei der Geburt soll außer den im gegenwärtig bestehenden Gesetze (§6) bereits bezeichneten Fällen auch nicht gestattet werden, wenn die Geschwächte schon zweimal außerehlich geboren hat, oder zweimal wegen Unzucht gerichtlich bestraft wurde.
Diese Beeidigung bei der Niederkunft darf überhaupt nur dann stattfinden, wenn das Gericht dieselbe beschlossen hat, in jedem Falle aber soll die Gebärende pro Informatione verhört werden.
3. Wenn bei einem Fehltritte, um denselben eher zu ermöglichen, ein Eheversprechen stattfand, so hat eine Geldstrafe von Fr. 50 zu Händen des Staates einzutreten.
4. Die den Grundsätzen dieser Gesetzesabänderungen widersprechenden Bestimmungen des bisherigen Paternitätsgesetzes, namentlich die 13 und 20 letztes Alinea, sind aufgehoben und außer Kraft erklärt, im Uebrigen behält aber das bisherige Gesetz, soweit eine Abänderung nicht vorliegt, seine volle Gültigkeit.»
Ergebnis:
Die vom Landrat beantragten vorgeschlagenen Abänderungen des Paternitätsgesetzes werden laut Traktanden-Zirkular angenommen.
Quelle:
Abl UR 1872, Nr. 16, 18. April 1872, nach S. 114, 1-11 (Beratungsgegenstände); Abl UR 1872, Nr. 19, 9. Mai 1872, S. 133 f. (Verhandlungen).
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DIE IM GESCHÄFT BEHANDELTEN GESETZESBESTIMMUNGEN
Abl UR 1872 nach S. 146 (Beilage 2, 01-02)
Abänderung des Paternitätsgesetzes
«Die Landesgemeinde des Kantons Uri,
In Abänderung des Gesetzes über Vaterschaftsklagen, vom 3. Mai 1857,
Auf Antrag des Landraths, beschliesst:
1. daß das hiesige Gesetz über Vaterschaftsklagen das einzige in der Schweiz ist, welches noch auf dem Grundsatze der Paternität beruhet;
2. daß die Festhaltung dieses Grundsatzes, wie die Erfahrung häufig zeiget, keinen vernünftigen Zweck mehr hat, sondern nur dem Lande vielfältigen Nachtheil bringt;
3. daß es daher zeitgemäß und gerathen erscheint, diesem Grundsatze denjenigen der Maternität zu substituiren, immerhin jedoch unter Beibehaltung einer Alimentationsklage gegen den Schwängerer; bringet den gutächtlichen Antrag an die h. Landesgemeinde, auf eine partielle Revision des Paternitätsgesetzes vom 3. Mai 1857 einzutreten, und diesfalls folgende abändernde Bestimmungen zu erlassen:
1. Die unehelichen Kinder erhalten den Geschlechtsnamen und das Gemeindebürgerrecht der Mutter. Eine Ausnahme findet statt, wenn der Vater nicht Kantonsbürger ist, und an dessen Heimathorte dem Kinde ein Heimathrecht ermittelt werden kann.
2. Die Beeidigung der Klägerin bei der Geburt soll außer den im gegenwärtig bestehenden Gesetze (§6) bereits bezeichneten Fällen auch nicht gestattet werden, wenn die Geschwächte schon zweimal außerehlich geboren hat, oder zweimal wegen Unzucht gerichtlich bestraft wurde.
Diese Beeidigung bei der Niederkunft darf überhaupt nur dann stattfinden, wenn das Gericht dieselbe beschlossen hat, in jedem Falle aber soll die Gebärende pro Informatione verhört werden.
3. Wenn bei einem Fehltritte, um denselben eher zu ermöglichen, ein Eheversprechen stattfand, so hat eine Geldstrafe von Fr. 50 zu Händen des Staates einzutreten.
4. Die den Grundsätzen dieser Gesetzesabänderungen widersprechenden Bestimmungen des bisherigen Paternitätsgesetzes, namentlich die 13 und 20 letztes Alinea, sind aufgehoben und außer Kraft erklärt, im Uebrigen behält aber das bisherige Gesetz, soweit eine Abänderung nicht vorliegt, seine volle Gültigkeit.»
Quelle:
Landsgemeinde-Erkenntnis vom 05.05.1872.
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