Einzelnes Geschäft an der Landsgemeinde
Sonntag, 4. Mai 1873
Landesgemeinde vom 4. Mai 1873
Bötzlingen an der Gand, Schattdorf, 12 Uhr
Landammann:
Dominik Epp
Landschreiber:
Gisler
Geschäfte:
Gesetzesvorschlag über Vermächtnisse / Wahl eines Landammanns / Wahl eines Landesstatthalters / Wahl eines Landessäckelmeisters / Wahl zweier Ständeräthe / Wahlen ins Kantonsgericht.
Gesetzesvorschlag über Vermächtnisse.
Antrag:
«Der Landrath beantraget, in Abänderung der bisherigen Gesetzesbestimmungen über Vermächnisse, folgenden Gesetzesentwurf zur Annahme:
§ 1. Unter Vermächniß ist jede letztwillige Verfügung zu verstehen, wodurch Jemand (der Erblasser) auf den Fall seines Todes einem Andern einen Vermögensvortheil zuwendet, welcher ihm durch die Erben ausgerichtet werden soll.
§ 2. Jede Person, die das 16. Altersjahr erfüllt hat und zur Zeit der Vermächnißerrichtung im Zustande der Besonnenheit und Willensfreiheit sich befindet, kann ein Vermächniß errichten.
§ 3. Minderjährige, d. h. Personen unter 20 Jahren, und Bevogtete, welche ein Vermächniß errichten wollen, bedürfen der Mitwirkung ihres Vogts, sowie der Genehmigung des Gemeinderaths und des Bezirksrathes.
§ 4. Es kann innert folgenden Schranken durch Vermächniß über eine künftige Verlassenschaft verfügt werden:
a. Besitzt Jemand, der ein Vermächniß errichten will, Kinder oder Kindeskinder, Eltern oder Großeltern, so daß seine Verlassenschaft auf seine Leibeserben oder deren Descendenten oder Ascendenten fällt, so mag ein solcher nicht über mehr als den zehnten Theil seiner reinen Verlassenschaft verfügen.
b. Hat der Vermächnißgeber keine Leibeserben, wohl aber Geschwister oder deren Abstämmlinge (Descendenten), denen seine Verlassenschaft zufällt, so kann er einen Sechstel seiner reinen Verlassenschaft vermachen.
c. Ist der Fall, daß eine Erbschaft nach der Kopfzahl auf Geschwisterkinder eines Erblassers oder weiter fällt, so kann derselbe durch Vermächniß über den vierten Theil seiner reinen Verlassenschaft verfügen.
§ 5. Ueberschreitungen in Vermächnissen sind auf das gesetzliche Maß zurückzuführen und zwar gegenüber den Bedachten je proportionell.
§ 6. Der Vermächnißgeber ist ermächtigt unter Beobachtung der für Errichtung des Vermächnisses vorgesehenen Förmlichkeiten dasselbe — sofern die Aushändigung nicht schon stattgefunden hat — wieder aufheben zu mögen.
§ 7. Das in gültiger Weise errichtete jüngere Vermächniß hebt jeder Zeit ein früheres, und in seinen Verfügungen widersprechendes auf, wofern Dieses durch Jenes ausdrücklich widerrufen wird.
§ 8. Zur Gültigkeit eines Vermächnisses wird erfordert, daß dasselbe vom Erblasser eigenhändig geschrieben oder auf Verlangen desselben entweder von einem unbetheiligten Landschreiber gefertigt und unterschrieben oder von zwei unparteiischen Zeugen, die gegenüber den Erbbedachten gemäß §§. 53 und 54 der Civ.-Proz.- Ordn. zum Zeugniß nicht als unfähig erklärt werden können, unterschrieben sind.
§ 9. Vermächnisse zu Gunsten von Kirchen, Schulen, Armenanstalten u. dgl. schließen jedoch die betreffenden Kirchgenossen oder Gemeindebürger keineswegs von der Zeugenfähigkeit aus und es können dieselben gleichwohl als Zeugen beigezogen werden.
§ 10. Eheleute mögen einander die Hälfte ihres Vermögens, was Namens solches immer sein mag, zu Leibgeding, nämlich lebenslang zu besitzen und zu genießen vermachen, es seien Kinder vorhanden oder nicht.
Nach Absterben des überlebenden, dies Leibgeding besitzenden Theils, soll dasselbe den rechtmäßigen Erben des Erstern wieder zufallen.
Wenn der überlebende Theil zu keiner fernern Ehe schreitet, so soll ihm auch bei Abgang eines Vermächnisses ein Kindstheil, welcher jedoch ein Viertel der Verlassenschaft nicht übersteigen darf, und ihm Falle keine Leibeserben vorhanden sind, ein Viertel der Verlassenschaft zur Nutznießung zukommen.
§ 11. Verkäufe, die erst nach Ableben des Verkäufers in Kraft treten, haben keine Rechtskraft.
§ 12. Art. Ldb. 126, 127 und 128 werden hiemit aufgehoben.
§ 13. Gegenwärtiges Gesetz tritt sofort in Kraft.»
Ergebnis:
Das vom Landrat beantragte Gesetz über Vermächtnisse wird von der Landsgemeinde unverändert angenommen.
Quelle:
Abl UR 1873, Nr. 17, 24. April 1873, nach S. 142, 1-4 (Beratungsgegenstände); Abl UR 1873, Nr. 19, 8. Mai 1873, S. 155. (Verhandlungen).
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DIE IM GESCHÄFT BEHANDELTEN GESETZESBESTIMMUNGEN
Abl UR 1873 nach S. 158 (01-03)
Gesetz der Vermächtnisse
«Die Landesgemeinde des Kantons Uri,
Auf gutächtlichen Antrag des Landrathes beschliesst:
§ 1. Unter Vermächniß ist jede letztwillige Verfügung zu verstehen, wodurch Jemand (der Erblasser) auf den Fall seines Todes einem Andern einen Vermögensvortheil zuwendet, welcher ihm durch die Erben ausgerichtet werden soll.
§ 2. Jede Person, die das 16. Altersjahr erfüllt hat und zur Zeit der Vermächnißerrichtung im Zustande der Besonnenheit und Willensfreiheit sich befindet, kann ein Vermächniß errichten.
§ 3. Minderjährige, d. h. Personen unter 20 Jahren, und Bevogtete, welche ein Vermächniß errichten wollen, bedürfen der Mitwirkung ihres Vogts, sowie der Genehmigung des Gemeinderaths und des Bezirksrathes.
§ 4. Es kann innert folgenden Schranken durch Vermächniß über eine künftige Verlassenschaft verfügt werden:
a. Besitzt Jemand, der ein Vermächniß errichten will, Kinder oder Kindeskinder, Eltern oder Großeltern, so daß seine Verlassenschaft auf seine Leibeserben oder deren Descendenten oder Ascendenten fällt, so mag ein solcher nicht über mehr als den zehnten Theil seiner reinen Verlassenschaft verfügen.
b. Hat der Vermächnißgeber keine Leibeserben, wohl aber Geschwister oder deren Abstämmlinge (Descendenten), denen seine Verlassenschaft zufällt, so kann er einen Sechstel seiner reinen Verlassenschaft vermachen.
c. Ist der Fall, daß eine Erbschaft nach der Kopfzahl auf Geschwisterkinder eines Erblassers oder weiter fällt, so kann derselbe durch Vermächniß über den vierten Theil seiner reinen Verlassenschaft verfügen.
§ 5. Ueberschreitungen in Vermächnissen sind auf das gesetzliche Maß zurückzuführen und zwar gegenüber den Bedachten je proportionell.
§ 6. Der Vermächnißgeber ist ermächtigt unter Beobachtung der für Errichtung des Vermächnisses vorgesehenen Förmlichkeiten dasselbe — sofern die Aushändigung nicht schon stattgefunden hat — wieder aufheben zu mögen.
§ 7. Das in gültiger Weise errichtete jüngere Vermächniß hebt jeder Zeit ein früheres, und in seinen Verfügungen widersprechendes auf, wofern Dieses durch Jenes ausdrücklich widerrufen wird.
§ 8. Zur Gültigkeit eines Vermächnisses wird erfordert, daß dasselbe vom Erblasser eigenhändig geschrieben oder auf Verlangen desselben entweder von einem unbetheiligten Landschreiber gefertigt und unterschrieben oder von zwei unparteiischen Zeugen, die gegenüber den Erbbedachten gemäß §§. 53 und 54 der Civ.-Proz.- Ordn. zum Zeugniß nicht als unfähig erklärt werden können, unterschrieben sind.
§ 9. Vermächnisse zu Gunsten von Kirchen, Schulen, Armenanstalten u. dgl. schließen jedoch die betreffenden Kirchgenossen oder Gemeindebürger keineswegs von der Zeugenfähigkeit aus und es können dieselben gleichwohl als Zeugen beigezogen werden.
§ 10. Eheleute mögen einander die Hälfte ihres Vermögens, was Namens solches immer sein mag, zu Leibgeding, nämlich lebenslang zu besitzen und zu genießen vermachen, es seien Kinder vorhanden oder nicht.
Nach Absterben des überlebenden, dies Leibgeding besitzenden Theils, soll dasselbe den rechtmäßigen Erben des Erstern wieder zufallen.
Wenn der überlebende Theil zu keiner fernern Ehe schreitet, so soll ihm auch bei Abgang eines Vermächnisses ein Kindstheil, welcher jedoch ein Viertel der Verlassenschaft nicht übersteigen darf, und ihm Falle keine Leibeserben vorhanden sind, ein Viertel der Verlassenschaft zur Nutznießung zukommen.
§ 11. Verkäufe, die erst nach Ableben des Verkäufers in Kraft treten, haben keine Rechtskraft.
§ 12. Art. Ldb. 126, 127 und 128 werden hiemit aufgehoben.
§ 13. Gegenwärtiges Gesetz tritt sofort in Kraft.»
Quelle:
Abl UR 1873, Nr. 19, 08.05.1873, nach S. 158.
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