Urner Ereignisse an einem bestimmten Tag
Samstag, 13. Oktober 1923
Die Sänger der «Blauen Nacht»
In der «Gotthard-Post» wird mit einem Leserbrief im geharnischten Ton auf eine Epidemie hingewiesen, die in Altdorf seit langer Zeit grassiere und auf die einmal hingewiesen werden müsse, namentlich darum, weil sie im Laufe der Zeit in bedenklicher Form an Kraft und Ausdehnung zugenommen habe. Zwar wisse man genau, dass der Sanitätsdirektor, der zugleich auch Polizeidirektor sei, von dieser Epidemie Kenntnis habe, über deren Wirkung jedoch im Unklaren sei. Es sei allerhöchste Zeit, dass zur Bekämpfung dieser Krankheit kategorische Massnahmen ergriffen werden müssen. Die Epidemie, unter der ein grosser Teil der hiesigen Bevölkerung so anhaltend zu leiden habe, hiesse: «Sing-, Jodel-, Lärm-, Heul-, Krakehl-, Radau- und Musizierwut» auf öffentlichen Strassen und Plätzen unserer Gemeinde zu jeder Stunde in der Nachtzeit. Was hier seit längerer Zeit von einer gewissen Sorte Leute geleistet werde, gehe dann doch über die Hutschnur. Es vergehe sozusagen keine Nacht, wo nicht in den Hauptgassen und Plätzen, wo die Akustik am besten sei, angeheiterte Bürschchen, die noch zur Mutter gehören würden, sowie ältere Jahrgänge ihre Stimmorgane probieren. Je ärger das Geheul, desto grösser werde der Ärger der Ruhestörer. Die friedlichen Schläfer würden erschrocken aus der Ruhe auffahren oder man komme bis zum Morgengrauen überhaupt nicht mehr zum Einschlafen. Einzeln und in ganzen Rudeln würde in deutscher, französischer und italienischer Sprache gegröhlt – mit und ohne Handorgelbegleitung. Es sei bedauerlich, dass ein solcher Zustand in einem Kantonshauptort geduldet werde und männiglich sich frage, wie lange derselbe noch dauere. Unsere Polizeiorgane würden sich des Dankes der Einwohnerschaft versichern, wenn da energisch Abhilfe geschaffen würde. Der in seiner Nachtruhe gestörte Bürger schlägt dann auch gleich Massnahmen vor: «Man veranstalte doch hin und wieder nächtliche Razzien, namentlich Samstags und Sonntag nachts, notiere die Adresse der Radaubrüder und verabreiche ihnen als Medizin zur Bekämpfung der Epidemie recht gesalzene Bussenzettel.» Und der Leserbriefschreiber versichert, dass «die wohltuende Wirkung» bestimmt nicht ausbleiben würde. Dem Ärger habe er sich nun Luft gemacht, allerdings noch nicht ganz, und so setzt er «anschliessend an Obiges» die Bitte an die Hundebesitzer, während der Nacht die Tiere einzuschliessen. Es gehöre nämlich nicht zum schönsten der Gefühle, während der Nachtruhe «dem stundenlangen Gekläff herumstreichender Köter» zuzuhören.
Quellen / Literatur:
Gotthrad-Post Nr. 41/1923.
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DAS HEUTIGE DATUM
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