Sitte und Moral
Nach dem Untergang der Helvetik machte sich die Urner Priesterschaft für die Hebung der Sitten stark und reichte entsprechende Postulate ein (Eid auf die Religion, Sonntagsheiligung, Bekämpfung von Ehebrüchen und Lastern, Kleiderordnung, Einrichtung von Sittengerichten usw.). Die Landsgemeinde beauftragte den Landrat mit dem Vollzug. Die Kontrolle der Presse übernahm die Zensurkommission, ein Ausschuss des Diözesanrates. Der Landammann, zusammen mit einem weiteren vorsitzenden Herrn und dem bischöflichen Kommissar, wachte über das Lesen und Verbreiten «gefährlicher, böser oder anstössiger Schriften». Die Kommission schritt verbietend wie strafend ein. Erst die bundesrechtliche Presse- und Meinungsfreiheit brachte 1848 eine Lockerung in diese Praxis.
Die sittenpolizeilichen Forderungen des Klerus wurden durch Bestimmungen des nun wieder gültigen alten Landbuches weitgehend erfüllt. Der Landrat verschärfte dieselben jedoch verschiedentlich und erliess am Ende jedes Jahres das Sittenmandat. Dieses wurde als Verhaltensregel für alle in den Kirchen verlesen. In den Dörfern wurden Sittengerichten eingerichtet, die eine Intensivierung und Verschärfung der Kontrolle über das sittliche und religiöse Verhalten der Bevölkerung brachten. Übertretungen des Sittenmandat zogen Strafen nach sich.
Stadler-Planzer Hans, Geschichte des Landes Uri, Bd 2 b, S. 47 ff.
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EREIGNISSE BETREFFEND SITTE UND MORAL
Dienstag, 8. März 1803
Programm der Priesterschaft zur Hebung der Sitte
Das Priesterkapitel reicht der zuständigen Landeskommission ein ausführliches Programm zur Hebung der während der Revolutionszeit angeblich zerrütteten Sitten und der geschädigten Kirchlichkeit ein. Religionswidrige Schriften seien zu verbieten. Der Landsgemeindeeid solle ergänzt werden durch einen Eid auf die Religion. Die spärlich niedergelassenen Reformierten sollen einen Eid des Respektes auf die «herrschende Religion» schwören. Der Staat wird aufgefordert, bei der Durchsetzung der Sonntagsheiligung, des Besuches von Gottesdienst und Christenlehre mitzuwirken, weil Unwissenheit zum Laster führe. Zur Bekämpfung der vermeintlich grassierenden Ausschweifung, von Geilheit, Hurerei, Ehebrüchen und Laster sei das Strafrecht zu verschärfen. Luxus und fremde Moden müssten verboten werden. Zur Überwachung des Volkes und zur Bestrafung jeglichen Unfugs schlug der Klerus die Einrichtung von dörflichen Sittengerichten vor, bestehend aus Ratsherren, Kirchenvogt und Pfarrer. Das Schulwesen, die Lateinschulen und die Schulen in den Dörfern müsse gefördert werden, wozu die Geistlichkeit ihre Hilfe anbiete. Schliesslich fordert der Klerus die Einsicht in die Kirchengüter und zu seiner Entlastung die Einsetzung von Pfrundvögten. Die Kirchengüter müssten zur Sicherung des Einkommens der Seelsorger unantastbar bleiben.
Stadler-Planzer Hans, Geschichte des Landes Uri, Bd 2 b, S. 47 f.
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Sonntag, 27. März 1803
Landsgemeinde beauftragt Landrat mit dem Vollzug klerikaler Sittenpostulate
Die Landsgemeinde beauftragt den Landrat mit dem Vollzug der klerikalen Sitten-Postulate.
Stadler-Planzer Hans, Geschichte des Landes Uri, Bd 2 b, S. 48.
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Samstag, 22. November 1924
Protest gegen Schokoladenwerbung mit den Drei Königen
Ein Lesebriefschreiber beschwert sich im "Urner Wochenblatt" über den Umstand, dass in Altdorf die "Drei Könige" als Plakatsujet für Schokoladen-Werbung verwendet werden.
UW 47, 22.11.1924
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Mittwoch, 23. September 1942
Wo bleibt der Anstand?
Aus dem Maderanertal. Die Reklame übertreibt nicht, wenn sie das Maderanertal als eines der schönsten Alpentäler der Zentralschweiz rühmt. Es ist auch wirklich herrlich am schäumenden, rauschenden Kerstelenbach. Da die stolzen Bergriesen, die mit ihren Zacken und Zinnen hinaufragen bis in den Himmel, dort der schattige, kühle Bergwald mit all seinen Reizen und heimlichen Herrlichkeiten, dahinter die grüne Alpweide mit reichem Blumenschmnuck, dann der bezaubernde Wasserfall, das wilde Gletschermassiv usw. Wer zählt sie alle auf, die prächtigen Flecklein Erde in diesem romantischen Hochtale? Und dann wohnt da ein urwüchsiger Menschenchlag, arbeitssam, einfach und zähe. Was nun aber nach dem Urteil jedes anständigen Menschen nicht zur Urwüchsigkeit der Bewohner und zum Frieden der Talschaft passt, das sind gewisse auswärtige Talbesucher, denen leider das Gefühl für Wohlstand und der Schicklichkeit zu fehlen scheint. Sie glauben da oben eine so stoffarme Frauenmode zur Schau tragen zu müssen, wie sie in jeder anständigen Schweizerstadt abgelehnt würde und wie man sie kaum im heissen Afrika findet. Beosnders krass soll es mitunter am Golzernsee oben sein. Aber auch unten auf der Dorfstrasse von Bristen begegneten wir unlängst 6 solch abgeschmackter "Evastöchter". Sie kamen in Zweierkolonne daher, oben ein ärmelloses Turnerleibchen mit tiefem Halsausschnitt, unten ganz kurze Knabenspielhöschen. Und da aangen diese halbnackten Wandervögel das Lied: "Wir sind die jungen Schweizer ...." Das nennt man nicht mehr abgeschmackt, das ist mehr *gschämig". Ich wundere mich eigentlich nur, dass das ansässige Volk nicht schon längst solchen Unfug den Riegel geschoben hat. Keusch deckt die weiche Moosdecke alle Kanten und Ecken des harten Steins. So gefällt er uns. Wissen diese Weiblein nicht, dass sie mit ihrer Entblössung und ihrem übertrieben bubenhaften Benehmen eigentlich die Zartheit der Weiblichkeit wegwerfen und abstossend wikren? Wann wird es besser?
UW 73, 23.9.1942
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ABSTIMMUNGEN ZUR SITTE UND MORAL
Datum | | Titel | | E/K | | UR | | CH |
09.02.2014 | | Aufhebung des Gesetzes über die Filmzensur im Kanton Uri | | K | | Ja | | - |
18.05.2014 | | Volksinitiative "Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen" | | E | | Ja | | Ja |
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SOZIALWESEN
GESELLSCHAFT
MODE
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