Gesetzesbestimmungen
Gesetze zwischen Amtlicher Sammlung und Landbuch, 1863-1890
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Amtsblatt des Kantons Uri 1885
Gesetz über die Landsgemeinde
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Abl UR 1885 nach S. 240 (Beilage, 01-06)
Gesetz über die Landsgemeinde
«Die Landesgemeinde des Kantons Uri,
in Abänderung der Artikel 16 bis und mit 27 des Landbuches und ihrer Nachträge, auf Vorschlag des Landrathes, beschließt:
Art. 1. Der Besuch der Landesgemeinde ist als Bürgerpflicht eines jeden stimmfähigen Einwohners des Kantons aufzufassen.
Art. 2. Die ordentliche Landesgemeinde wird alljährlich am 1. Sonntag im Mai zu Betzlingen an der Gand abgehalten und soll dort um 12 Uhr beginnen. Am Morgen dieses Tages soll in allen Pfarrkirchen des Kantons das hochwürdigste Gut ausgesetzt und sollen allgemeine Gebete verrichtet werden.
Art. 3. Der Zug zur Landesgemeinde setzt sich um 11 Uhr vom Rathhaus aus (wohin der Landammann von den Weibeln begleitet wird) in Bewegung. Voran schreiten die Harsthornträger in Tellenkleidung, ihnen folgen die Musik, die militärische Ehrenwache (circa 50 Mann) mit dem Landespanner, getragen von einem in bürgerlichen Ehren und Rechten stehenden Offizier oder Unteroffizier, eine Abtheilung des Landjägerkorps und dann die Kutschen, in einer vom Regierungsrathe festgesetzten Anzahl. In denselben nehmen der Rangordnung nach Platz: Der Landammann, die übrigen Mitglieder des Regierungsrathes, der Präsident des Kantonsgerichtes, die hierseitigen Abgeordneten in die eidgenössischen Räthe, die in Altdorf anwesenden Landräthe und die Landschreiber. Die drei Landweibel, der Thalweibel von Ursern und die farbtragenden Gemeindeweibel (Silenen, Spiringen, Wassen und Seelisberg) nehmen vornen auf den Kutschen Platz und tragen die Landesinsignien, nämlich den Stab, das Schwert, die Land-, Satzungs¬ und Ammannbücher und die Landessiegel. Die in diesem Artikel benannten Vorsteher und Amtsleute sind bei ihrer Amtspflicht verhalten, sich in der angeführten Weise am Zuge zu betheiligen.
Art. 4. Am Ringe zu Betzlingen nehmen die Regierungsräthe, der Kantonsgerichtspräsident, die Abgeordneten in die eidgenössischen Räthe und die Mitglieder des Landrathes die für sie bestimmten Sitzplätze ein. Der Landammann dagegen, als Präsident der Landsgemeinde, nimmt mit dem ersten Landschreiber, als Protokollführer, am Tische in der Mitte des Ringes Platz.
Art. 5. Zum Beginne der Landesgemeinde ruft der erste Landweibel die übliche Formel über Stimmberechtigung und Theilnahmsfähigkeit aus, worauf die Landesgemeinde mit einer Ansprache des Landammanns und der Anrufung des hl. Geistes durch Abbetung von 5 Vater unser und Ave Maria eröffnet wird.
Art. 6. Zur Behandlung dürfen nur solche Gegenstände kommen, welche auf dem gedruckten Geschäfts-Verzeichniß stehen, oder solche Wahlen, welche als unvorhergesehene Ersatzwahlen für in eine andere Stellung Gewählte zu betrachten sind. Die Reihenfolge der Verhandlungsgegenstände ist folgende:
a) Die Wahlen des Landammanns, des Landesstatthalters, des Landessäckelmeisters, der im Austritt befindlichen Regierungsräthe, des Kantonsgerichtspräsidenten, der Ständeräthe, der Kantonsrichter, der Kantonsgerichtssuppleanten und der Forstkommission.
b) Nach erfolgter Wahl des Landammanns findet sofort dessen Beeidigung durch das im Range zunächst stehende Mitglied des Regierungsrathes statt, worauf das versammelte Volk, vom Landammann aufgefordert, den Eid schwört.
c) Die Anträge des Landrathes.
d) Die Siebengeschlechtsbegehren.
e) Die übrigen der Landesgemeinde zustehenden Wahlen, als der Landschreiber, der Landesfürsprechen und der Landweibel.
Art. 7. Ueber jede Wahl und jeden Berathungsgegenstand soll der Rangordnung nach ein Mitglied des Landrathes angefragt und daraufhin die allgemeine Umfrage angehoben werden.
Bei allen Abstimmungen entscheidet das absolute Mehr. Dasselbe wird durch die Weibel (siehe Art. 2) vergeben, unparteiisch nach Eidespflicht. Kann das Mehr nach dreimaliger Abstimmung nicht vergeben werden, so erfolgt die Abzählung der Stimmen. Der Landammann trifft die deßhalb nothwendig werdenden Anordnungen. Er bezeichnet die Stimmenzähler ans den Landrathsmitgliedern, welche die Abzählung nach Eidespflicht unparteiisch vorzunehmen haben. Kommt Einer in Abstimmung, der einem Weibel im ersten oder zweiten Grad verwandt ist, so hat sich der Weibel vom Platze zu entfernen und sich der Stimmabgabe bei Vergebung des Mehres zu enthalten.
Art. 8. Bei Vorschlägen für Wahlen darf vom gleichen Antragsteller nicht mehr als an Einen gerathen werden.
Art. 9. Für die Abstimmungen gilt folgendes Verfahren:
a) Bei den Wahlen sind die Vorgeschlagenen nach der Reihenfolge des Vorschlages in Abscheidung zu bringen, ausgenommen bei Wahlen, für welche Anmeldungen vorliegen, wo die Namen nach ihrer alphabetischen Reihenfolge zur Abstimmung kommen müssen.
b) Bei den Anträgen des Landrathes und der Siebengeschlechter soll zuerst das Begehren, wie es gedruckt lautet, und dann jeder Abänderungsantrag nach der Reihenfolge, wie er gestellt worden ist, zur Abstimmung gelangen. Ist jedoch ein Antrag gestellt worden, überhaupt gar nicht einzutreten, so soll zuerst abgestimmt werden, ob man darauf eintreten wolle oder nicht.
Art. 10. Will gegen einen Beschluß der Landesgemeinde Recht dargeschlagen werden, so muß die bezügliche Erklärung sogleich nach erfolgter Annahme desselben, oder doch spätestens 8 Tage nachher dem Landammann abgegeben werden.
Art. 11. Das Protokoll der Landesgemeinde führt der erste Landschreiber, im Verhinderungsfalle desselben der zweite. Dasselbe soll in der der Landesgemeinde zunächst folgenden Landrathssitzung verlesen und genehmiget werden.
Art. 12. Die Redner an der Landesgemeinde sollen sich möglichster Kürze bedienen; keinem ist es gestattet, in einer Rede länger als 20 Minuten zu sprechen. Bei Wahlen sind Entschuldigungs- und Empfehlungsreden zu vermeiden; ist Einer gesonnen, das Amt nicht anzunehmen, so mag er seine Gründe in Kürze anführen.
Art. 13. Anonyme Vorträge sind an der Landesgemeinde untersagt. Spricht Jemand im Auftrage Anderer, so muß er die Auftraggeber mit Namen nennen.
Art. 14. Siebengeschlechtsbegehren, welche auf das Traktandenverzeichniß der ordentlichen Landsgemeinde genommen werden sollen, müssen am 1. Sitzungstag des ordentlichen Aprillandrathes dem Landammann entweder mit den benöthigten Unterschriften versehen oder persönlich durch die Unterzeichner eingereicht werden.
Von den Unterzeichnern des Begehrens müssen sich 7 Männer aus 7 verschiedenen Geschlechtern am offenen Ringe versammeln, und durch Antwort auf den Namensaufruf zu ihrem Begehren sich bekennen und dasselbe durch einen Redner vertreten lassen.
Art. 15. Alle Verhandlungen an der Landesgemeinde sollen ruhig und würdig geführt werden. Ausschreitungen sind in die gebührenden Schranken zurückzuweisen; Verletzungen der Redefreiheit (vorbehaltlich Art. 12) sind untersagt.
Art. 16. Ernstliche Störungen der Landesgemeinde oder Verunmöglichung der vorschriftsgemäßen Abhaltung oder Fortführung derselben sind vom Strafrichter angemessen zu ahnden.
Art. 17. Das Wirthen und Halten von Kramläden ist während der Landesgemeinde auf dem Gut Betzlingen untersagt, bei Fr. 20 Buße.
Art. 18. Die Weibel und Landjäger erhalten einen Taglohn von Fr. 2 und das gesetzliche Marschgeld. die Ehrenwache den reglementarischen Sold und die Musik soll nach Anordnung des Regierungsrathes angemessen entschädiget werden.
Art. 19. Die Bestimmungen dieses Gesetzes gelten auch für die außerordentlichen Landesgemeinden, mit Ausnahme der Vorschriften über den Aufzug, insofern eine außerordentliche Landesgemeinde in der Gemeinde Altdorf abgehalten wird. In letzlerm Falle setzt der Regierungsrath die Formalität des Aufzuges fest.
Art. 20. Die Vollziehung dieses Gesetzes, insoweit es die Verhandlungen an der Landesgemeinde und die Zugsordnung betrifft, liegt dem Landammann ob, die Ausführung aller übrigen Bestimmungen, bei welchen der Regierungsrath nicht als kompetent erklärt ist, bleibt dem Landrathe vorbehalten.»
Landsgemeindebeschluss vom 03.05.1885, Abl UR 1885, Nr. 19, 07.05.1885, nach S. 240, 1-6.
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RECHTSAMMLUNGEN
ABKÜRZUNGEN
LG = Landsgemeinde
eLG = Extra-Landsgemeinde
NG = Nachgemeinde
LR = Landrat
RA = Rat
WR = Wochenrat
AR = Allmendrat
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