Gesetzesbestimmungen
Gesetze zwischen Amtlicher Sammlung und Landbuch, 1863-1890
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Amtsblatt des Kantons Uri 1883
Verordnung über den Markt- und Hausierverkehr
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Abl UR 1883 nach S. 260 (Beilage 1, 01-11)
Verordnung über den Markt- und Hausierverkehr
«Der Landrath des Kantons Uri, in Revision der Verordnung über Ausübung von Handel und Verkehr, vom 21. Mai 1879, mit Rücksicht auf Art. 31 der Bundesverfassung, auf Antrag des Regierungsrathes, beschliesst und verordnet:
A. Marktverkehr.
Art. 1.
Die Bewilligung von Märkten und Festsetzung deren Zeitpunktes kömmt dem Landrathe, beziehungsweise der Landesgemeinde, zu.
Art. 2.
Der Besuch der anerkannten Jahrmärkte zum Verkaufe von Waaren auf hiezu bestimmten Plätzen steht Jederman frei, wofern er sich im Besitze eines Marktpatentes befindet. Den Gemeinden steht indessen das Recht zu, von den Verkäufern eine Marktgebühr, die jedoch Fr. 1 per Markt nicht überschreiten darf, sowie ein Platz- und Standgeld und wo die Gemeinden Marktbuden liefern, einen Budenzins zu beziehen.
Wer während eines Marktes in andern, als den von dem Gemeinderath als Marktlokal bezeichneten Lokalitäten Waaren feilbieten will, ohne im Kanton einen festen Wohnsitz zu haben, wird nicht als Marktbesucher betrachtet und darf nicht auf Grund eines Marktpatentes seine Maaren feilbieten.
Art. 3.
Der Einlösung eines Marktpatentes sind enthoben die im Kantone wohnhaften Verkäufer von landwirthschaftlichen Rohprodukten, als Setzlingen, jungen Stämmen, Wildpret, Fischen, Butter, Käse, Obst und dgl.; ebenso ist der Handel mit allen Arten Vieh patentfrei.
Der Auftrieb mit Vieh und der Handel von Gewild und Fischen unterliegt jedoch den bestehenden diesbezüglichen eidgenössischen und kantonalen Verordnungen und Gesetzesvorschriften.
Art. 4.
Vom Marktverkehr ist ausgeschlossen: Der Verkauf von Salz, Schiesspulver, Sprengstoffen, Arzneistoffen, Giften, geistigen Getränken, Fleisch und Würsten.
Art. 5.
Alles Ausrufen und Ganten von Krämern oder deren Angestellten an Märkten oder in deren unmittelbarer Nähe, und gleichfalls das Veranlassen zu Glücks- und Hazardspielen und dgl. ist verboten.
Art. 6. Die Patentertheilung ist an eine zum Voraus zu bezahlende Taxe gebunden, die nach folgender Klasseneintheilung zu beziehen ist:
I. Klasse.
Für Gold- und Silberwaaren, Seiden- und Pelzwaaren, Modenwaaren, Wolltücher und andere dergleichen werthvolle Sachen, per einfachen Standladen und per Markt Fr. 3.
II. Klasse.
Für Halb- und Baumwollenwaaren, Leinwand, Teppiche, Wachstuch, Leder, Wollhüte, Bettfedern, gefertigte Kleider, Regen- und Sonnenschirme, Floretseide, optische Waaren, chirurgische Instrumente, Colonialwaaren, Porzellan-. Krystall-, Quincaillerie- und Merceriewaaren etc. per Standladen und Markt Fr. 2. 50.
III. Klasse.
Gemälde oder Bilder, Photographien, Bücher, Wanduhren, Sämereien, Glaswaaren, Kupfer- und Eisenwaaren, Spenglerwaaren, Schuh- und Sattlerwaaren, feine Holzarbeiten, Strohhüte, Kappen, gewobene Strümpfe, Reisten-, Moll- und Baumwollgarne, Seiler, Unterkleider, Messer, Elfenbeinarbeiten u. dgl., per Standladen und Markt Fr. 2.
IV. Klasse.
Fasshahnen, Geisselstöcke, gröbere Holzarbeiten, Töpferwaaren, Wetzsteine, Baumwolle, baumwollene Nastücher, Barometer, Bürsten und andere dergleichen Sachen von geringerm Werthe, per Standladen und Markt Fr. 1. 50.
Art. 7.
Wenn mittelst eines Standladens Waaren verschiedener Kategorien - verkauft werden wollen, so ist jeweilen die höhere Tax-Klasse zu berechnen.
B. Gewerbbetrieb im Umherziehen.
(Hausirverkehr.)
Art. 8.
Unter den Begriff des Gewerbebetriebes im Umherziehen fällt: 1. Das Feilbieten von Waaren:
a) durch Umhertragen oder Umherführen in den Strassen oder in den Häusern;
b) durch vorübergehende Eröffnung eines Waarenlagers ausserhalb der Dauer von Märkten (Ausverkäufe, Geschäftsliquidirung etc.)
2. Das Aussuchen von Bestellungen, mit oder ohne Muster, bei andern als solchen Personen, welche mit dem betreffenden Artikel Handel treiben oder denselben in ihrem Gewerbe verwenden.
3. Der gewerbsmässige Ankauf (im Umherziehen) von Knochen, Hadern, Metall, altem Eisen, alten Kleidern, von Glas, Antiquitäten und andern Waaren irgend welcher Art.
4. Der Betrieb eines Handwerks im Umherziehen: Sieb- und Korbmacher, Sägenfeiler, Schirm- und Kesselflicker, Scheerenschleifer, Zinngiesser, Glaser und Spengler etc.
5. Die Ausübung künstlerischer Hausirgewerbe: Schauspieler, Kunstsänger, Musikanten, Photographen, Kunstreiter, Seiltänzer, Taschenspieler etc., und die gewerbsmässige Schaustellung von Ort zu Ort von Naturgegenständen und Kunstwerken (Menagerien, Panoramas etc.).
Art. 9.
Zur Ausübung des Gewerbebetriebes im Umherziehen ist der Besitz eines Patentes erforderlich.
Art. 10.
Das Hausiren mit Erzeugnissen der Landwirthschaft und des Garten- und Obstbaues, mit wildwachsenden Früchten, mit zur Heuernte nothwendigen Holzwaaren, mit Besen und Duft ist wie bisher ohne Patent gestattet.
Von der Patentgebühr für das Aufsuchen von Waarenbestellungen (Art. 8, Ziff. 2) sind enthoben und nur der ordentlichen Steuer unterworfen die im Kanton niedergelassenen Kaufleute, welche in demselben ihr eigenes Waarenlager oder den eigentlichen Sitz ihres Geschäftes haben.
Art. 11.
Vom Hausirhandel sind ausgeschlossen die in Art. 4 für den Marktverkehr verbotenen Maaren, ausgenommen das Fleisch.
Das Gold und Silber und diesen ähnliche Waaren, wodurch das Publikum leicht betrogen werden kann, sind dem Hausirhandel ebenfalls entzogen.
Art. 12.
Das Hausiren mit Lebensmitteln, die nicht als Krämerwaaren, wie Spezereien, Kaffee, Zucker, Zuckerwaaren etc., zu betrachten sind, ist ohne besondere Bewilligung frei gestattet.
Wer mit Fleisch hausirt, muss für jede Lieferung und für jeden einzelnen Hausirtag mit dem Zeugniss des Viehinspektors des Ursprungsortes versehen sein und dasselbe sooft es von Behörden oder Privaten in der Gemeinde, wo er hausirt, verlangt wird, vorweisen.
Art. 13.
Es wird kein Patent ertheilt an sogen. Zigeunerbanden oder wenn mit der Ausübung des Gewerbes
a) in sittlicher Beziehung Anstoss erregt wird;
b) eine Belästigung des Publikums damit verbunden ist, wie bei Orgelspielern, Bänkelsängern, Gassen, Musikanten, Bärenführern etc. c) es mehr auf Schaustellung von körperlichen Gebrechen abgesehen ist, um auf das Mitleid des Publikums zu spekuliren.
Art. 14.
Die Patente für den Hausirverkehr werden für einen Monat oder für ein Jahr ausgestellt. Das Monatspatent gilt 30 Tage und das Jahrespatent bis zum Ablauf eines Jahres vom Datum der Ausstellung an.
Art. 15.
Die Patentgebühren für den Hausirverkehr richten sich im Allgemeinen nach der im Art. 6 bezeichneten Kassifikation: Für ein Patent I. Klasse per Monat Fr. 40
Patent II. Klasse per Monat Fr. 30
Patent III. Klasse per Monat Fr. 20
Patent IV. Klasse per Monat Fr. 10
Im Falle von Art. 8, Ziff. 1, litt, b kann die entsprechende Taxe in billigem Verhältniss zur Grösse und dem Werthe des Waarenlagers von Fr. 100—200 gesetzt werden.
Für den Betrieb eines Handwerks (Art. 8, Ziff. 4) beträgt die Patenttaxe für einen Monat Fr. 10.
Für das Einsammeln von Hadern, Knochen etc. (Art. 8, Ziff- 3) Fr. 5.
Für Kunst- und Musikproduktionen von Gesellschaften etc. (Art. 8, Ziff. 5) soll je nach Umständen entweder per Tag oder für jede Aufführung eine Patentgebühr von Fr. 3—10 bezogen werden. Herumziehende Zahn- und Augenärzte, Hühneraugenoperateure etc., welche über die Befähigung und Berechtigung zu ihrer Berufsausübung bei der Polizei sich vorerst auszuweisen haben, sind ebenfalls mit einer Taxe von Fr. 3 bis 10 per Tag zu belegen.
Für ein Jahrespatent ist bei jeder Klasse der sechsfache Betrag des Monatspatentes zu entrichten.
Für das Aufsuchen und den gewerbsmässigen Ankauf von Antiquitäten (Art. 8 Ziff. 3) beträgt die Patenttaxe für einen Monat Fr. 20.
Wenn der Betrieb eines Handwerkes im Umherziehen Anlass zu Beschwerden über Zudringlichkeit beim Aufsuchen von Arbeit oder über Belästigung der Einwohner durch Bettel u. s. w. bietet, so kann die Polizeidirektion die Ausweisung des Patentinhabers, ohne Rücksicht auf die Dauer des Patentes, verfügen.
Bei Ausverkauf von Waarenlagern und Geschäftsliquidationen haben die Gemeinden ebenfalls eine Taxe zu beziehen, die der Hälfte derjenigen gleichkommt, welche an den Staat zu entrichten ist.
Art. 16.
Die Patente zerfallen in Hausir-, Gewerbs- und Handelspatente und es sind für jede Kategorie besondere, äusserlich wohl unterscheidbare Patente auszustellen.
Die Patente werden durch die Kantonskanzlei (in Ursern durch die Bezirkskanzlei) ausgestellt. Ueber die eingegangenen Patentgebühren haben die genannten Amtsstellen vierteljährlich mit dem Kantonssäckelamte abzurechnen.
Art. 17.
Das Patent darf nur solchen Leuten ertheilt werden, welche
a) das 16. Altersjahr zurückgelegt haben;
b) sich über Herkunft und guten Leumund, wenn sie nicht genugsam bekannte Personen sind, ausweisen können;
c) nicht mit einer ansteckenden oder eckelhaften Krankheit behaftet sind;
d) noch nie wegen Landstreicherei oder Bettels bestraft worden sind; e) keine Kinder im schulpflichtigen Alter mit sich führen;
f) eigenen Rechtens sind, beziehungsweise die Einwilligung der betreffenden Rechtsvertreter oder Prinzipale besitzen.
Angehörigen fremder Staaten, welche kein Gegenrecht halten, kann das Patent verweigert werden.
Art. 18.
Jedes Patent soll enthalten:
1. den Namen und die Heimat des Patentirten;
2. die Bezeichnung der Waaren, mit welchen der Patentirte den Hausirverkehr betreiben will;
3. das Datum der Ausfertigung und die Dauer des Patentes;
4. einen summarischen Auszug der hierauf bezüglichen gesetzlichen Bestimmungen.
Art. 19.
Das Patent hat seine Gültigkeit nur für diejenige Person, auf deren Namen dasselbe ausgestellt ist. Der Inhaber eines Patentes ist daher gehalten, sein Recht in eigener Person auszuüben und es müssen für Gehülfen und mitinteressirte Hausgenossen und Angestellte, insofern sie das Gewerbe des Patentinhabers ausüben wollen, ebenfalls besondere Patente gelöst werden.
Art. 20.
Der Gewerbebetrieb in: Umherziehen unterliegt im Weitern der Bestimmung:
a) dass das Hausiren zur Nachtzeit in Privathäuser, sowie alles Hausiren mit Waaren und das Feilbieten derselben an Sonn- und Festtagen verboten ist;
b) dass die Ausstellung der bezeichneten Patente keine Berechtigung zum Betreten fremder Häuser gegen den Willen der Bewohner gewährt. Ehe der Patentinhaber seine Waare feil bieten darf, hat er die Erlaubniss der Hausbewohner hiefür einzuholen. Auf die erste Aufforderung hat er ein betretenes Haus sofort zu verlassen. Zuwiderhandlung wird als Störung des Hausfriedens betrachtet und nach Anleit des Gesetzes über Personenfreiheit § 2 und 3 (A. S. Bd. V, S. 118) bestraft.
Art. 21.
Jede Zuwiderhandlung gegen die Art. 2, 5, 9, 12, 13 dieser Verordnung wird mit einer Geldbusse von Fr. 8—200, welche je nach der Wichtigkeit und dem Umfange des stattgehabten Verkehrs zu bestimmen ist, und mit Bezahlung der betreffenden Patentgebühr geahndet.
In die gleiche Busse verfällt, wer andere als die in seinem Patent genannten Waaren mit sich führt; ferner, wer vom Marktverkehr ausgeschlossene Maaren (Art. 4) an einem Markte feil bietet, oder aber mit Waaren, die nach Art. 11 dem Hausirverkehr entzogen sind, Handel treibt.
Wer Ausverkauf unter falschem Namen betreibt oder dazu seinen Namen hergibt, wird mit einer Geldbusse von Fr. 30—500 oder mit einer Gefängnissstrafe von 8 Tagen bis drei Monaten belegt.
In eine Busse von Fr. 5—20 verfällt, wer an Märkten sich den ortspolizeilichen Verfügungen widersetzt und ebenso, wer, obschon im Besitze eines Patentes, dasselbe auf Verlangen eines Landjägers oder Beamten nicht vorweist oder die Vorzeigung der Waaren verweigert.
Bei allen Fällen kann der Entzug des Patentes stattfinden.
Dem Kläger kommt 1/4 der ausgefällten Busse als Klägerlohn zu. (Art. 266 des Landb.)
Art. 22.
Die Polizeidirektion und deren Organe sind befugt, Konventionalbussen auszufällen, wogegen innert 8 Tagen vom Datum der Intimation der Rekurs an die gesetzlich kompetenten Gerichtsbehörden zulässig ist. Bei Nichtanerkennung und Nichtbezahlung solcher Bussen kann die Polizeidirektion und deren Organe auf sofortige Bestellung einer für das Maximum der gesetzlichen Strafe genügenden Bürgschaft oder Kaution dringen.
Art. 23.
Für eine ausgesprochene Geldstrafe haftet die mitgeführte Waare; Zahlungsunfähige haben eine entsprechende Gefängnissstrafe zu erstehen
C. Schlussbestimmungen.
Art. 24.
Der Regierungsrath wird mit der Bekanntmachung und Vollziehung dieser Verordnung beauftragt. Hiedurch wird die Verordnung vom 21. Mai 1879 ausser Kraft gesetzt.»
Verordnung des Landrats vom 29.05.1883.
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RECHTSAMMLUNGEN
ABKÜRZUNGEN
LG = Landsgemeinde
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LR = Landrat
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WR = Wochenrat
AR = Allmendrat
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