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Gesetzesbestimmungen

Kantonale Gesetze, 1892-1958 (Fortsetzung des Landbuches)
Bd 5 (1893-1900)
Gesetze und Verordnungen (Bd 5), 1892-1900
Polizeiverordnung

LB UR Bd 05 (1893) S. 083-089
Polizeiverordnung
Ǥ 1.
Die Handhabung der Gemeindepolizei kommt dem betreffenden Gemeinderathe, unter Oberaufsicht der Kantonspolizei zu.

§ 2.
Organe der Gemeindepolizei sind:
a) Beauftragte des Gemeinderathes;
b) der Gemeindeweibel;
c) die Bürgerwehr;
d) die Nachtwächter.

§ 3.
Die Bürgerwehr wird aus der Auszügermannschaft und nöthigenfalls aus der Landwehrmannschaft der Gemeinde organisirt; auf Befehl der Polizeidirektion oder des Gemeinde-Präsidenten bei Anlässen, wo es nöthig erscheint, in Dienst gerufen und von der betreffenden Gemeinde auch besoldet. Ihre Verwendung hat wenn möglich nur im Einverständniß und unter Oberaufsicht der Kantonspolizei zu geschehen.

II. Fremdenpolizei.

§ 4.
Bezüglich der Fremdenpolizei wird der Gemeinderath zur strengen Handhabung der diesbezüglichen kantonalen Gesetzesvorschriften und zur Führung eines genauen Fremdenregisters, welches auch der Kantonspolizei jederzeit zur Verfügung stehen soll, verpflichtet.

§ 5.
Kein Unternehmer oder Arbeitgeber darf Leute, die nicht Kantonsbürger sind, länger als acht Tage im Dienste behalten, wenn sie sich nicht über den Besitz der gesetzlichen Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung der betreffenden Gemeinde auszuweisen im Falle sind. Strafe Fr. 10—50.

§ 6.
Jeder Hausbesitzer und Logisgeber ist verpflichtet, innert der gleichen Frist von acht Tagen von den fremden Hauseinwohnern die Aufenthaltskarten abzuverlangen, aufzubewahren und sowohl über die fremden Hauseinwohner selbst als auch über die von denselben in Empfang genommenen Aufenthaltskarten eine genaue Kontrolle zu führen, welche nicht nur der Gemeinde-, sondern auch der Kantonspolizei behufs Einsichtnahme jederzeit zur Verfügung stehen soll. Strafe Fr. 10 bis Fr. 60.

§ 7.
Aufenthalter, welche keine genügende Ausweisschriften beibringen können oder den bestehenden Vorschriften über Fremdenpolizei nicht entsprechen, sollen nicht geduldet, sondern sofort ausgewiesen werden.

III. Sicherheitspolizei.

§ 8.
Es darf kein Dynamit- oder Pulverlager erstellt werden, ohne mit Bewilligung der Kantonspolizei. Strafe Fr. 60 bis Fr. 500.

§ 9.
Das Tragen und Legen von Dynamitpatronen außerhalb der Arbeitsplätze ist Jedermann verboten. Dawiderhandelnde sollen verhaftet, bestraft oder ausgewiesen werden; Strafe bis Fr. 100.

§ 10.
Das Waffentragen bei Versammlungen und bei Zusammenkünften von Personen überhaupt, sowie auch bei festlichen Anlässen, Märkten, Tänzen und Besuchen von Wirthshäusern, auf Straßen und öffentlichen Plätzen ist ebenfalls verboten. Strafe Fr. 8 bis Fr. 80 nebst Konfiskation der Waffe und in schweren Fällen Gefängniß. Vorbehalten bleibt das Tragen von Waffen im Militär- und Polizeidienst, von Jagdgewehren bei offener Jagdzeit für patentirte Jäger und von Schußwaffen überhaupt zu den erlaubten Schießübungen.

§ 11.
Das Schießen auf Straßen, in Häusern und deren Umgebung bei Tag und Nacht ist bei Strafe von Fr. 10 bis Fr. 80 und Konfiskation der Waffe verboten.
Die gewöhnlichen Schießübungen auf dem Stande und der übrigen organisirten Schützenvereine, sowie die gesetzlich erlaubte Jagd sind ausgenommen.
Für weitere Ausnahmen ist die Bewilligung des Gemeinde-Präsidenten erforderlich.

§ 12.
Sprengarbeiten, welche in den Bereich von Verkehrswegen und Wohnungen fallen, sowie Menschen oder Thiere gefährden könnten, dürfen ohne vorherige Anzeige an den Gemeindepräsidenten und dessen Bewilligung nicht stattfinden.
Sprengarbeiten außer den Grenzen der Gotthardbahn- und Befestigungs-Arbeiten dürfen ohne vorherige Anzeige an den Gemeindepräsidenten und dessen Bewilligung nicht stattfinden.
Die Unternehmer oder Besteller solcher Arbeiten haben die nöthigen Vorsichtsmaßregeln für den Schutz von Personen und Eigenthum zu beobachten und sind für allfälligen Schaden verantwortlich. (Siehe auch die Verordnung betr. Erhebung einer Staatsgebühr für polizeiliche und fabrikpolizeiliche Bewilligungen).

§ 13.
Hinsichtlich der Feuerpolizei sind die Vorschriften der schon bestehenden Feuerordnung genau zu beobachten und zu vollziehen.
Beinebens soll eine Feuerwehr, wofern eine solche nicht schon besteht, sofort organisirt und auch hiefür ein bezügliches Reglement aufgestellt werden.

IV. Sanitätspolizei.

§ 14.
Sämmtliche Wohnungen der Gemeinden unterliegen in sanitarischer Beziehung der Kontrolle und Aufsicht des Gemeinderathes.
Dieselben werden durch Beauftragte des Gemeinderathes oder durch die Polizisten von Zeit zu Zeit untersucht.
Der Gemeinderath sorgt dafür;
a) daß nicht eine unverhältnißmäßig große Anzahl von Arbeitern in beschränktem Raume Aufnahme finde;
b) daß Schlaf- und Wohnzimmer oder Wohnungsräumlichkeiten reinlich gehalten werden;
c) daß die innern Einrichtungen den Anforderungen der Sanität und Reinlichkeit entsprechen und die Aborte rechtzeitig entleert werden;
d) er läßt die Orte bezeichnen und anweisen, wo Kericht, Abfälle und dergl. abgeführt werden sollen.
Die Hausbesitzer haben sich den diesbezüglichen Weisungen des Gemeinderathes zu unterziehen.

§ 15
Der Gemeinderath wird den Verkauf von Lebensmitteln und Getränken überwachen und kontroliren.
Schlechte, gesundheitsschädliche Waare soll konfiszirt und der Feilhalter oder Verkäufer bestraft werden.

V. Wirthschaftspolizei.

§ 16.
Ein Wirth soll in seinem Hause keinen Nachtlärm dulden, auch keinen Verkehr, der gegen die Sittlichkeit sich verstößt.
Wenn in einer Wirthschaft Streit entsteht, soll der Wirth zur Ruhe mahnen und nöthigenfalls die Ortspolizei zur Hülfe rufen oder selbst, nach erfolgtem fruchtlosem Mahnen, innert den gesetzlichen Schranken Ruhe und Ordnung schaffen.

§ 17.
An Betrunkene Getränke zu verabreichen ist verboten. Ein Wirth, der einem Gast so viel zu trinken gibt, daß derselbe in bewußtlosen Zustand gerathen oder des Gehens unfähig geworden, ist pflichtig, demselben, ohne Vergütung zu fordern, ein Nachtlager zu geben und soll überdies bestraft werden.

§ 18.
Betrunkene, welche auf der Straße lärmend herumziehen, sind in ihre Logis zu weisen und wenn sie nicht Folge leisten, in zeitweiligen Polizeiarrest zu versetzen.

§ 19.
Alle Wirthschaften sollen jeweilen Abends 11 Uhr geschlossen werden, mit Ausnahme der Bahnhofrestaurationen und Tavernenwirthschaften bei Ankunft von Bahnzügen und Reisenden.
Beim Eintritt der Polizeistunde ist der Wirth verpflichtet, die anwesenden Gäste aufzufordern, die Wirthschaft zu verlassen. Von da an darf der Wirth Niemanden mehr etwas zu trinken geben.

§ 20.
Der Gemeinderath unter Mitwirkung der Kantonspolizei wird wachen, daß die gesetzliche Polizeistunde bezüglich der Wirths- und Schenkhäuser genau beobachtet und gehandhabt werde.

§ 21.
Nach der gesetzlichen Polizeistunde ist jeglicher Lärm und das Singen auf Straßen und in Häusern strenge verboten.

§ 22.
Wirthe, die nach der gesetzlichen Polizeistunde noch Getränke an die Gäste verabfolgen oder sie nicht auffordern, die Wirthschaft zu verlassen, verfallen in eine Geldbuße von 8 bis 20 Franken, und jeder Gast, der nach Eintritt der Polizeistunde die Wirtschaft nicht verläßt, in eine solche von 2 bis 8 Fr.

§ 23.
Wer durch Trunkenheit öffentliches Aergerniß erregt, soll polizeilich mit einer Geldbuße von 8 bis 10 Fr. oder mit Gefängniß bis zu drei Tagen bestraft werden. Bei wiederholten Rückfällen kann diese Strafe durch Gerichtsspruch bis auf 14 Tage Arbeitshaus erhöht werden.

VI. Straßenpolizei.

§ 24.
Das Verunreinigen der Straßen, Gassen, Wege und Plätze durch Ausflüsse aus Abtritten und Küchen und durch Entleerungen von Nachtgeschirren ist verboten.

§ 23.
Der Kehricht, Abfälle von Pflanzen und Thieren u. dgl. dürfen nicht durch die Fenster hinaus vor die Häuser, in Straßen und Wege geworfen werden.
Die Logisgeber sind verpflichtet, dafür zu sorgen, daß besagte Gegenstände gesammelt und fleißig und regelmäßig an geeignete Stellen abgeführt werden, die nöthigenfalls vom Gemeinderathe angewiesen werden.

§ 26.
Das Ablagern von Holz, Steinen, Dünger und dergl. auf Straßen, Gassen und Wegen ist untersagt.

VII. Strafbestimmungen.

§ 27.
Uebertretung gegenwärtiger Verordnung in §§ 8, 9, 10, 12, 16, 17, 19, 20, 22, 23, 26 werden durch die kantonalen Strafbehörden, solche, welche die §§ 5, 6, 7, 11, 14, 15, 18, 21 und 24 beschlagen, werden durch den Gemeinderath abgewandelt, dem für diejenigen Fälle, auf welche keine bestimmte Buße festgesetzt ist, eine Strafkompetenz bis 30 Franken eingeräumt wird.

§ 28.
Der Geineinderath steht in Ausübung seiner Strafkompetenzen unter der Oberaufsicht und Kontrolle der Polizei-Direktion und ertheilt derselben monatlich Bericht und Rechenschaft.
Also beschlossen vom Landrath, in Aufhebung der außerordentlichen Polizeiverordnung vom 12. April 1890.»

Landeratsbeschluss vom 7. Februar 1892, LB UR Bd 05 (1893) S. 83-89.
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RECHTSAMMLUNGEN

Übersicht
Rechtsquellen vor 1798
Urner Landbuch, 1823-1841
Sammlung der Gesetze, 1842-1863
Das Landbuch, 1891-1916
Sammlung der Gesetze, 1892-1958
Zwischenspiel Amtsblatt, 1959-1975
Das Urner Rechtsbuch, ab 1976

ABKÜRZUNGEN

LG = Landsgemeinde
eLG = Extra-Landsgemeinde
NG = Nachgemeinde
LR = Landrat
RA = Rat
WR = Wochenrat
AR = Allmendrat

 

 

 

Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 20.2.2018