Gesetzesbestimmungen
Amtliche Sammlung der Gesetze, 1842-1863
Bd 4 (1856)
Gesetze und Verordnungen, Bd IV
Nachtrag zum Fuhrreglement
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LB UR (1856) Bd IV S. 055-060
Nachtrag zum Fuhrreglement
«Landammann und Rath des Kantons Uri,
In der Absicht, eine zweckmässige Ordnung im Transport der Transitgüter am St. Gotthardsberg während der Winterzeit einzuführen, beschliessen und verordnen hiemit:
§ 1.
Alle Fuhrleute oder Fuhrübernehmer sind verpflichtet, zu jedem Schlitten einen eigenen, tauglichen, mit einer guten Schaufel versehenen Schlittenknecht zu stellen, welcher den Schlitten immer begleiten und nie verlassen soll. So soll auch jedes Fuhrwerk auf der ganzen Strasse stets von einem tauglichen Fuhrmann begleitet sein.
§ 2.
Jeder Schlitten soll mit vorschriftsgemässen Stangen und gehörigem Zuggeschirr mit Aufhaltern bespannt, mit guten Zwilchblechen von wenigstens 5 Ellen Länge und 3 Ellen Breite bedeckt sein und in ihrer Konstruktion überhaupt der eigens hiefür aufgestellten Verordnung der Kantonalstrassenkommission entsprechen.
Die erforderlichen Eigenschaften der Schlittenknechte, Schlitten und deren Bedeckung unterliegen der besondern Aufsicht und Genehmigung des Sustmeisters und des Bergherrn.
§ 3.
Die den St. Gotthard befahrenden Fuhrleute, seien es Eilfuhrenführcr oder andere, sind gehalten, durch den Bergherrn in Abtheilungen nach Billigkeit sich eintheilen zu lassen, und in solchen abwechselnd je einen Tag vorauszufahren. Als Grundlage dieser Vertheilung wird angenommen, dass die Eilfuhrenführer je drei Tage, während die übrigen Fuhrleute einen Tag vorauszufahren haben.
§ 4.
Der Bergherr ist berechtigt, so bald sich bedeutende Gefahr durch Lawinen oder vielen Schnee, besonders bei einigermassen ungünstiger Witterung, auf einigen Strassenstrecken zeigt, nach Gutfinden, zur grössern Sicherheit, die sogenannten alten Winterstrassen befahren zu lassen.
§ 5.
Jeder Schlittenknecht ist verpflichtet, an den nöthigen Stellen die Ringe oder Ketten unterzulegen oder die Schraube zu spannen.
§ 6.
Die Fuhr- oder Schlittenknechte sind ferner verpflichtet, bei guter Morgenstunde bei der Sust sich einzufinden, um ihre Ladungen in Empfang zu nehmen.
§ 7.
Der Abgang von der Sust in Ursern nach dem Berg ist auf 8ssj Uhr des Morgens festgesetzt, und der ganze Zug sämmtlicher güterführenden Schlitten hat sofort pünktlich sammthaft abzureisen (ausserordentliche Umstände vorbehalten) und immerfort bis zum Anlangen auf dem Hospiz einen ununterbrochenen an einander anschliessenden Zug zu bilden, so dass bei unten festgesetzter Strafe keinem zurückzubleiben gestattet ist.
Auf den Fall aber, wo die dermal eingerichtete wöchentlich zweimalige Eilfuhr nach Italien verhindert worden wäre, zur gehörigen Zeit vor der Abfahrt des Schlittenzuges in Andermatt einzutreffen, wird die Zoll- und Passkommisston dem Sustmeister die nöthigen Instruktionen ertheilen, auf dass diese Eilfuhr nach ihrer Ankunft noch an Berg mitgenommen werden kann.
§ 8.
Auf dem Hospiz soll eine regelmässige und geordnete Abgabe der geladenen Waare an die dortige Sust stattfinden; unordentliches Abwerfen und grobe schlechte Behandlung der Waare ist verboten. Um eine gehörige Ordnung desto eher zu bezwecken, hat sich die Regierung mit derjenigen des Standes Tessin dahin verständigt, dass die von Italien kommenden Waaren bei der neuen Sust auf dem St. Gotthard, die nach Italien gehenden aber bei der alten Sust auf- und abgeladen werden sollen.
§ 9.
Zum Behufe einer möglichst ordentlichen Uebergabe und Verifikation der Waare hat der Sustmeister täglich, für alle gleichen Tages, durch die verschiedenen Fuhrleute oder Schlittenknechte nach dem Gotthard verladenen Maaren, laut Formular, eine General-Ladkarte — nebst den gewöhnlichen Ladkarten — auszustellen, welche jeweilen der erste oder voranfahrende Fuhrmann oder Schlittenknecht mitzunehmen und bei der Ankunft auf dem Hospiz dem dortigen Beamten vorzuweisen und abzugeben hat, damit dann in derselben der Empfang bescheinigt und die allfällig nicht eingegangenen oder schlecht konditionirten Waaren bemerkt werden.
§ 10.
Auf ein zu gebendes Zeichen sollen alle Fuhrleute wieder zum geordneten Laden und zur Heimkehr bereit sein. Keinem ist aber gestattet, für die Heimfuhr bergabwärts, auf einen unbeschlagenen Schlitten ohne Schrauben zum Aufhalten, mehr als 4 Kilozentner zu laden.
Mit Schrauben versehene, unbeschlagene Schlitten mögen 6, solche und zudem noch gut mit Eisen beschlagene Schlitten aber mögen 8 Kilozentner laden.
§ 11.
Die Heimkehr und Abreise vom Hospiz hat (ausserordentliche Umstände und Verhältnisse ebenfalls Vorbehalten) spätestens um halb 3 Uhr zu geschehen, und soll auf gleiche Weise und in gleicher geschlossener Ordnung zurück ausgeführt werden, wie in den vorstehenden Paragraphen für die Fahrt an den Berg vorgeschrieben ist.
§ 12.
Alle Fuhren vom Berg abwärts müssen den gleichen Abend noch in die Sust von Andermatt gebracht und dort abgegeben werden. Die von Hospenthal haben also auch noch mit ihren Schlitten sich dahin zu verfügen. Für dieselben soll aber der Sustmeister noch den gleichen Abend die Ladung für den morgenden Tag an den Berg aufgeben, mit der sie den Abend noch nach Hospenthal zurückfahren können, die Fuhr aber über Nacht in gedeckten, wohlverschlossenen Lokalen aufbewahren und den andern Morgen beim Vorbeifahren des Schlittenzuges an denselben ohne Verzug sich anschliessen müssen. Die Zoll- und Passkommission wird dem Sustmeister die nöthigen Weisungen ertheilen, auf dass derselbe Aufsicht habe und wache, dass die Hospenthaler- Fuhrleute, die so aus der Sust enthobenen Waaren nach dieser Vorschrift in gedeckten und wohlverschlossenen Lokalen über Nacht sorgfältig aufbewahren.
Der Berg soll von den Transitgüter führenden Fuhrleuten, insofern Kaufmannswaare zum verladen vorhanden ist, täglich, und nicht nur alle Werk-, sondern auch Sonn- und Feiertage befahren werden, ausgenommen die durch's Gesetz verbotenen hohem Festtage oder Waarengattungen.
Da es aber Fälle geben kann, wo die Witterung ungünstig ist und sich entweder gar nicht oder erst etwa gegen Mittag bessert und zum Fahren eignet; so ist in diesem Falle der die Aufsicht über den Berg Führende auch noch Vorochsen zu schicken berechtigt, wo dann aber diejenigen, so diesen nachfahren wollen oder Waaren zu verführen haben, alsobald bei untenfolgender Busse nachfahren sollen.
§ 14.
Alle Ueberschreitungen obstehender Verordnung, sowie Widersetzlichkeit gegen die zur Handhabung der Ordnung aufgestellten hoheitlichen Beamten, seien es Zoller, Sustbeamte oder Bergherr, denen zudem die Verpflichtung alle gegen diese Verordnung sich Verfehlenden der Zoll- und Passkommission, zu Händen ihres Präsidenten oder des in Ursern sich aufhaltenden Mitgliedes, anzuzeigen obliegt, werden von der bemeldten Zoll- und Passkommission mit 4 bis 10 Schw.-Fr. unnachlässlicher Geldbusse bestraft.
§ 15.
Alle übrigen Verordnungen über Fuhr- und Transitwesen, welche bisher bestunden und dieser gegenwärtigen nicht widersprechen, bleiben in fortgesetzter Kraft und sind hiemit keineswegs aufgehoben.
Bezüglich der oben in § 2 im Winterfuhr-Reglement zitirten Verordnung für Konstruktion und Bespannungsweise der Schlitten, wie solche aus den Beschlüssen vom 19. Sept. 1842, 14. Dezember 1843 und 9. Nov. 1844 modifizirt hervorgeht, gilt folgendes:
Alle Schlitten für die Bergstrasse sollen vornen eine Breite von 26. franz. Zoll (oben gemessen) und eine Höhe von 7 bis höchstens 8 Zoll vom obern Rand der Kuchen angerechnet haben und hinten nach Verhältniss breiter sein. Sowohl Schlitten, als auch die an denselben zu gebrauchenden Stangen und die ganze Bespannungsweise sollen genau nach dem seit Dezember 1843 in Ursern ausgestellten Modell eingerichtet sein. Der gleichen Vorschrift unterliegen auch die für besondere Fälle ausnahmsweise noch gestatteten einspännigen Schlitten für die Schöllenen und die Strasse abwärts bis Amsteg.»
Raths-Erkanntnisse vom 29.10.1812 und 09.11.1841.
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RECHTSAMMLUNGEN
ABKÜRZUNGEN
LG = Landsgemeinde
eLG = Extra-Landsgemeinde
NG = Nachgemeinde
LR = Landrat
RA = Rat
WR = Wochenrat
AR = Allmendrat
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