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Gesetzesbestimmungen

Amtliche Sammlung der Gesetze, 1842-1863
Bd 5 (1853)
Gesetze und Verordnungen, Bd V
Civil-Prozess-Ordnung oder Verordnung über das bürgerliche Rechtsverfahren im Kanton Uri

LB UR (1853) Bd V S. 226-267.
Civil-Prozess-Ordnung oder Verordnung über das bürgerliche Rechtsverfahren im Kanton Uri
«I. Titel. Gerichtsstand und Vermittlung.

§. 1.
1. Allgemeiner Gerichtsstand. 1. Des Wohnortes.
Jede Klage in einem Zivilstreite, d. h. in einem Streite um Gut, Ehre oder Rechtsamen, muss vor dem Richter des Wohnortes des Beklagten oder dessen Vormund, wenn er einen solchen hat, behandelt werden.

2. Des Aufenthaltsortes.
Hat der Beklagte keinen festen Wohnsitz, wie Dienstboten, Gesellen und Solche, so sind sie vor dem Richter ihres Aufenthaltsortes zu belangen.

3. Bei Korporationen oder Gesellschaften.
Bei Korporationen und Gesellschaften gilt der Sitz der Direktion, bei Handelsfirmen der Ort, von dem die Firma ausgeht, als Wohnsitz.

4. Erbs- und Fallimentsmassen.
Bei Streitigkeiten über noch unvertheilte Erbschaften ist der vom Erblasser zur Zeit seines Todes innegehabte Wohnsitz massgebend, ebenso auch für Klagen gegen eine Erbs- oder Fallimentsmasse. (Letzterer resp. seines bürgerlichen Todes.)

§. 2.
Der Gerichtsstand der Hauptsache bedingt auch den a. der Nebensache.
Das Gericht der Hauptsache ist auch für alle Nebensachen zuständig, welche im Laufe des Streites über die Hauptsache zwischen den gleichen Partheien Vorkommen.

b. Der Widerklage.
So auch kann Einer vor dem nämlichen Gerichte, vor dem er eine Klage anhängig gemacht hat, vom Beklagten mit einer bezüglichen Widerklage (Gegenzitation) belangt werden.

c. Des sich Einmischenden.
Dessgleichen hat auch ein in eine Rechtsfrage zwischen zwei Partheien sich einmischender Dritter, das von diesen anhängig gemachte Gericht anznerkennen.

§. 3.
Anerkennung oder Bestreitung eines Gerichtsstandes.
Wenn der Beklagte vor einem an und für sich sonst unbefugten (inkompetenten) Gerichte dem Kläger einlässlichen Bescheid ertheilt und das Gericht somit faktisch anerkennt, so wird das Gericht dadurch spruchbefugt und die Partheien haben sich seinem Entscheide zu unterwerfen.
Wird aber die Zuständigkeit des Gerichtes vom Beklagten bestritten, so erkennt das Gericht selbst in Vorfrage darüber.
Bei einem Zuständigkeitsstreite zwischen verschiedenen Gerichten entscheidet das Kantonsgericht.

§. 4.
Ausnahmen vom allgemeinen Gerichtsstände.
Die obigen Bestimmungen über Zuständigkeit kommen nicht in Anwendung, wenn und insoweit Bundesvorschriften, Staats- oder Privatverträge, oder völkerrechtliche Grundsätze etwas Abweichendes festsetzen.

§. 5.
Selbst gewählter Gerichtsstand oder Schiedsgerichte.
Wenn die Partheien einverstanden sind, so können sie sich auch nach Belieben einen oder mehrere Schiedsrichter wählen, oder auch eine schiedsrichterliche Entscheidung eines Rechtshandels jedem Gerichte überlassen, in Bezug auf Streitpunkte, welche in die Kompetenz des Zivilrichters gehören und weder Straf- noch Paternitätsfalle sind.
Wo die Partheien über den Obmann für ein Schiedsgericht nicht einig werden können, wird ihnen ein solcher durch das Kantonsgericht angewiesen.

§. 6.
Gassengericht.
Als Schiedsgericht ist auch das sogenannte Gassengericht zu betrachten, wo der Bezirksammann bei Streitigkeiten zwischen Fremden, oder zwischen einem Fremden und Einheimischen, wo beide schnellen Entscheid wünschen (oder die Sache sonst keinen Verzug erleidet), 6 ehrenwerthe, unparteiische Männer, die zu erscheinen schuldig sind, zusammenruft, und ihnen präsidirt.

§. 7.
Verfahren vor Schiedsgerichten.
Im Verfahren vor Schiedsgerichten ist man nicht an die Formen des Verfahrens vor öffentlichen Gerichten gebunden; jedoch soll jeder Parthei volles und unpartheiisches Gehör gegeben werden. Beeidigung von Zeugen oder Sachverständigen soll nicht ohne Bewilligung des Bezirksammanns vorgenommen werden. Das Urtheil muss in Anwesenheit aller Glieder gefasst werden.

§. 8.
Urtheil und seine Verbindlichkeit.
Der Schiedsspruch ist den Partheien in Form eines ordentlichen, mit Erwägungsgründen versehenen Urtheils zuzustellen. Er ist inappellabel und soll, wie jedes andere in Kraft erwachsene Urtheil, von zuständigen Behörden vollzogen und beachtet werden.

§. 9.
Vermittler. 1. Gegenstände der Vermittlung.
Alle Zivilstreite müssen, bevor sie vor den ordentlichen Richter gebracht werden können, zum Versuche gütlicher Ausgleichung an den Vermittler gelangen, ausgenommen:

a) Rechtsstreite, die nur in die Kompetenz der Ammanngerichte fallen. b) Einfache Schuldentriebschritte, wie Pfand- und Schatzungsforderungcn, Versilberungsbegehren u. dgl. c) Begehren des Fallimentes oder eines gerichtlichen Güterverzeichnisses (beneficium inventarii) oder sonst mit einem Auffalle zusammenhängende Klagen, d) Einseitige Rechtsbegehren, z. B. Rechtsbote (Verbote), Verschollenheits- und Rehabilitationsgesuche.

§. 10.
2. Tag der Anhörung.
Die Vermittler haben für Verrichtung ihres Amtes und Anhörung der Partheien, als ordentlich bestimmten Tag, je den letzten Werktag vor dem ordentlichen Bezirksgerichtstag ihres Bezirkes einzuhalten und sollen diesen Tag, insofern anhängige, nach §. 1, zu ihrem Gerichtsstande gehörige Streitsachen zwischen Einwohnern oder gegen einen Beklagten ihrer Gemeinde dieses erfordern, dazu verwenden.
In dringenden Fällen bezeichnen sie den Partheien sonst einen Tag zur Verhandlung.

§. 11.
3. Pflicht zu erscheinen.
Jede in der Gemeinde wohnende handlungsfähige Parthei hat persönlich vor dem Vermittler zu erscheinen, als rechtmässige ausgewiesene Verhinderung, wie Krankheit, Abwesenheit u. dgl., Vorbehalten. Bevogtete oder sonst Handlungsunfähige, oder ausser der Gemeinde Wohnende (wenn diese Letztern nicht selbst zu erscheinen vorziehen) sollen sich durch den Vormund oder einen Bevollmächtigten vertreten lassen.
Wer auf die erste Aufforderung vor Vermittler nicht erscheint, verfällt in eine Strafe von Fr. 4 nebst Tageskosten. Beim Nichterscheinen auf die zweite Aufforderung wird die Geldbusse verdoppelt. Der Kläger, sofern er der nichterscheinende Theil ist, verwirkt dadurch nebenbei das Recht einer weitern Verfolgung des Prozesses, im umgekehrten Falle ist ihm der Weisungs- (Akzess-) Schein vor das zuständige Gericht sofort auszustellen. Der Vermittler hat die Tageskosten zu bestimmen und die Bussfälligen dem Kantonsseckelamte einzugeben.

§. 12.
4. Verfahren.
Fürsprechen dürfen nur in eigener Sache vor den Vermittlern austreten. Zeugen dürfen nicht verhört werden.
Nach angehörter Darlegung der Sache von den Partheien trachtet der Vermittler, nach Inhalt seines Eides, eine Vermittlung zu Stande zu bringen und die Partheicn von weitern Rechtsschritten abzuhalten. Gelingt ihm dich nicht, so wird er ihnen den Akzess oder die Weisung auf der Rückseite der Zitation bescheinen. Sonst aber wird er dafür sorgen, dass der Vergleich schleunigst ausgefertigt und von ihm unterschrieben den Partheien behändigt werde.

§. 13.
5. Geschäftsliste.
Der Vermittler hat ein einfaches Verzeichniss der vor Vermittleramt vorgetragenen Rechtssachen, mit kurzem summarischem Inhalte der Rechtsfrage, Namen der Partheien, Datum und Resultat der Verhandlung (ob vermittelt oder an's Gericht gewiesen) zu führen.
Mehreres muss das Protokoll nicht enthalten. Auch darf der Vermittler über die Aeusserungen der Partheien, sofern sie keine Injurien enthalten, nicht als Zeuge einvernommen werden. Strafbare Handlungen jedoch hat er an zuständige Amtsstelle anzuzeigen.

II. Titel. Von der Prozess-Einleitung.

Vorladung und Vertretung der Partheien.


§. 14. Anhängigmachung eines Rechtsstreites. Wer eine Streit- oder Rechtsfrage zum richterlichen Entscheide bringen will, muss seinen Gegner durch eine ordentliche Vorladung (Zitation) vor den Richter vorbieten. Mit Erlass der Zitation ist der Rechtsstreit anhängig gemacht.

Beachtung des Status quo während dessen. Sobald ein Rechtsstreit anhängig gemacht ist, soll der Status quo des Streitobjektes beobachtet, d. h. der unveränderte Zustand des Streitgegenstandes bei Verantwortlichkeit gewahrt werden. Auf Ansuchen des Klägers wird der Bezirksammann durch amtliches Verbot die Beachtung des Status quo anbefehlen, oder wo Gefahr der Verabwandlung vorhanden, Sicherstellung und Beschlagnahme oder Verlegung der streitigen Sache hinter einen Drittmann anordnen.

§. 15.
Requisiten einer gültigen Vorladung.
Die Zitation (Vorladung) muss um gültig zu sein:

1) von einer handlungsfähigen Person an eine eben solche erlassen, und
2) zu gehöriger Zeit amtlich intimirt oder erwiesener Massen freiwillig angenommen worden,
3) schriftlich ausgefertigt sein, und den Grund der Vorladung oder die Rechtsforderung deutlich enthalten und vor Gericht mit der Weisung des Friedensrichters (mit Ausnahme der in §. 9 bezeichneten Fälle) versehen oder begleitet sein. Zitationen, die nicht auf obrigkeitlichem Stempelpapier ausgestellt sind, sind nicht anzunehmen, sondern die Partheien anzuweisen, dieselben vorher auf solches Papier übersetzen und schreiben zu lassen.

§. 16.
Handlungsfähigkeit.
Vor Gericht handlungsfähig (selbstständig oder eigenen Rechtens) ist Jeder, der mit der freien Verfügungsgewalt über sein Vermögen, auch den Vollgenuss der bürgerlichen Ehren und Rechte besitzt. Jedem solchen Selbstständigen steht es frei, seine Rechte vor Gericht selbst zu wahren oder durch Andere wahren zu lassen, welch' Letztere sich hiefür mit Vollmachtscheinen auszuweisen haben.
Bevogtete, Minderjährige, Wittwen und Waisen, und alle solche nach Gesetz Nichtselbstständige, dürfen weder zitiren noch zitirt werden, sondern in ihrem Namen ihre gesetzlichen oder natürlichen Vormünder, als Eltern oder Vögte, und in deren Ermanglung, die Waisenvögte; in Injurien- oder Ehrenhändeln, oder Fällen von Beeidigung jedoch, müssen jene auch selbst, persönlich, neben ihren Vormündern erscheinen.

§. 17.
Zelt und Form der Vorladung.
Wer Jemanden vor ein Gericht laden oder zitiren will, soll diess spätestens am dritten Werktage vor dem Gerichtstage thun, so nämlich, dass zwischen dem Tage der Vorladung und jenem des Gerichts, zwei volle Werktage sind.
Die Vorladung vor den Vermittler aber muss immer wenigstens am zweiten Werktage vor dem Tage des Erscheinens vor demselben geschehen und gleich nach besorgter Zitation auch zur Kenntniss des Vermittlers gebracht werden.
Die Vorladung vor Gericht und jene vor den Vermittler (da wo der Vermittlungsversuch laut §. 9 vorgeschrieben ist) soll im gleichen Vorbietungsakte (Zitationsscheine) enthalten sein, muss aber bestimmt den Tag des Erscheinens, sowohl vor Vermittler als vor Gericht, bezeichnen.
Wenn eine Gerichtssitzung aufgehoben wird, ohne Erledigung aller Geschäfte, so bleibt jede Zitation ohne Weiteres für folgende ordentliche Gerichtssitzungen in Kraft, ohne Erneuerung derselben.

§. 18.
Amtliche Intimation der Vorladung.
Die Vorladung (Zitation) ist dem Beklagten durch den Weibel der betreffenden Gemeinde oder einen Landweibel anzuzeigen und ihm eine Kopie zuzustellen, sowie dem Kläger die Bescheinigung der amtlichen Intimation auf der Originalzitation zu behändigen.
Vorladungen an Streitgenossenschaften können an ein Mitglied derselben, zu Handen der übrigen, gestellt werden.
Vorladungen an Bewohner eines andern Kantones sind durch die Kanzlei an die betreffenden Amtsstellen zu senden und vermittelst amtlicher Intimation nach §. 17 zu besorgen.

§. 19.
Vorladung eines Abwesenden.
Ist der Aufenthalt eines Beklagten unbekannt, so soll eine in öffentliche Blätter einzurückende Ediktal-Zitation erlassen werden. Diese muss einen Termin von wenigstens 2 Monaten enthalten und mit einer Kontumaz-Bedrohung begleitet sein.

§. 20.
Pflicht des Erscheinens auf Vorladung. Strafe des Ungehorsams.
Wer aus eine selbstausgestellte, oder vom Gegner erlassene, und gehörig angezeigte Zitation, ohne hinlänglichen Entschuldigungsgrund, nicht erscheint, soll in eine Ordnungsbusse von 10 Fr. und in die Tragung der Tageskosten der Gegenparthei verfällt, und nebst dem über die Rechtsfrage per contumaciam abgeurtheilt werden.
Der betroffene Abwesende mag sich gegen das Kontumazurtheil, nachdem ihm dasselbe intimirt worden ist, vor der nächsten ordentlichen Sitzung desselben Gerichts rechtfertigen, ansonst dasselbe in volle Rechtskraft (in judicatum) erwachset. Hiebei ist das Eintreten in die Rechtsfrage durch eine Reinigung von der Kontumaz durch rechtmässige Verhinderung gar nicht bedingt.

§. 21.
Aufschub und Fristen. Freiwillige und verzögerliche. Aufschub und Verlängerung einer nicht peremtorischen sondern bloss verzögerlichen Frist können sich die Partheien mit Einwilligung des Gerichtspräsidenten selbst geben, oder in Ermanglung dieser Einwilligung durch das Gericht, unter Angabe zureichender Gründe, zusprechen lassen, wobei immerhin die begehrende Parthei das Gerichtsgeld und nach Umständen eine Entschädigung an die Tageskosten der Gegenparthei bezahlt. Nichtbeachtung einer solchen verzögerlichen Frist hat Behandlung nach §. 20 zur Folge.
Peremtorische Vorladungen und Fristen aber, d. h. solche auf deren Nichthaltung ein Rechtsverlust entweder gesetzlich oder in der Vorladung ausdrücklich bedungen ist, kann nur das zuständige Tribunal ansetzen, Verlängerung einer solchen peremtorischen Frist, wenn sie vor deren Ablauf verlangt wird, kann auf trifftige Gründe vom gleichen Gerichte gestattet werden.

§. 22.
Strafe eines ungehorsamen Zeugen.
Das Ausbleiben eines Zeugen, ohne rechtlichen Grund, nachdem die Vorladung zu rechter Zeit, wenigstens 24 Stunden vor dem Gericht, durch den Amtsmann geschehen und ihm der Kundschaftslohn übermacht worden ist, verbindet denselben zur Tragung der hiedurch veranlassten Kosten und dadurch entstandenen nachtheiligen Folgen, nebst einer Ordnungsbusse von Fr. 4.

§. 23.
Kläger, Aktor am Recht.
Derjenige, der durch Erlass einer Zitation die Verfügung des Richters gegen einen Zitirten veranlasst, ist in der Regel als Kläger zu betrachten.
Bei Schuldforderungen, die mit Pfänden begonnen haben, ist immer der Fordernde der Kläger, der Gepfändete der Beklagte.
Wo nach der Natur der Klage, jeder Theil klagend austreten kann, ist derjenige als Kläger anzusehen, welcher sein Begehren (Zitation) zuerst gestellt hat. In zweifelhaften Fällen entscheidet das Gericht, wer Kläger sei.
Der Kläger ist Aktor am Recht, d. h. er hat den ersten Vortrag, an ihm steht es zuerst, den Beweis seiner Forderung zu leisten, seine Zeugen etc. aufzuführen, der Beklagte hat sodann den Beweis seiner Einreden zu leisten.

§. 24.
Streitgenossenschaft.
Wenn mehrern einzelnen Personen ein streitiges Recht oder eine Verpflichtung gemeinsam zukommt, so können dieselben als Streitgenossen vereint klagen oder vereint belangt werden.

a. Solidarische.
Besteht unter ihnen ein solidarisches Verhältnis, d. h. ist Jeder für Alle zu handeln und einzustehen befugt, so kann Jeder derselben für das Ganze einklagen und belangt werden.
b. Nicht solidarische. Besteht aber kein Solidar-Verhältniss unter ihnen, so dass nach der Natur ihrer Gesellschaft jeder Einzelne nur für seinen bestimmten Theil (Quotus) berechtigt und belangbar ist, so kann unter Darstellung des Nichtsolidaritäts-Verhältnisses die Einlässlichkeit verweigert werden, bis die Gesammtheit vertreten ist.

§. 25.
Rückgriffsrecht (Regress).
Glaubt eine Parthei gegen Jemanden ein Rückgriffsrecht (Regress) zu haben, so muss sie demselben unter Verlust ihres Rückgriffsrechtes ebenfalls vor der gerichtlichen Verhandlung Anzeige machen, sofern sich nicht erweislichermassen das Rückgriffsrecht erst durch Verhandlung des Prozesses herausstellt. Diesem steht es frei, entweder gemeinsame Sache mit dem auf ihn Rückgreifenden zu machen, oder einfach den Ausgang des Rechtsstreites und die weitern Schritte des Rückgreifenden zu gewärtigen.
Die Mitantheilnahme am Prozesse gilt jedoch noch nicht als eine Anerkennung des Rückgriffsrechtes, sondern kann bloss als eine Handlung zur Abwendung der vom ungünstigen Ausgang des Prozesses ihm drohenden Gefahr angesehen werden.

§. 26.
Einmischung.
Wer ein besonderes, die bisherigen Partheien theilweise oder ganz ausschliessendes Recht an einem Streitgegenstande hat, dessen Verwirklichung durch die Fortführung des Prozesses gefährdet würde, kann die Einstellung eines Prozesses oder des Urtheils auf eine angemessene zur Verfolgung seines bessern Rechtes zu gewährende Frist, durch eine bei demjenigen Gerichte, bei welchem der Streit zur Zeit anhängig ist, anzubringende Einmischungsklage verlangen.

§. 27.
Widerklage (Gegenzitation).
Will der Beklagte eine Gegenforderung stellen, so hat er dem Kläger dieses durch einen Weibel anzuzeigen und innerhalb 48 Stunden in gleicher Weise, wie für die Vorladungen vorgeschrieben, eine Gegenvorladung zu schicken. Eine solche Widerklage oder Gegenzitation ist aber einzig dann statthaft, wenn sie mit der Vorklage (Zitation) aus dem gleichen Rechtsgeschäfte entspringt. Das Unterlassen einer solchen Widerklage (Gegenzitation) hindert den Beklagten nicht, seine Gegenforderung (§. 28) noch später geltend machen zu können.

§. 28.
Hinterlegung von Beweisschriften.
Handelt es sich um urkundliche Rechte oder um Rechnungsstreitigkeiten, so kann sowohl der Kläger als der Beklagte in der Vorladung oder Gegenvorladung verlangen, dass die betreffenden Urkunden oder Rechnungen, welche einer als Beweisemittel vor Gericht gebrauchen will, bis spätestens 4 Uhr Abends vor dem Anfange der Gerichtssitzung, auf die Kanzlei zur Einsichtnahme hinterlegt werden. Bei Verlust des Rechtes, sie vor Gericht zu gebrauchen, ist der Gegner diesem Verlangen zu entsprechen schuldig, wenn es in seiner Macht steht. Hat derselbe aber Schriften u. dgl. in Händen, die dem Fordernden zum Beweise dienen, so entscheidet das Gericht über deren Hinterlegung und dasselbe kann auf daherige Klage dem Geforderten den Eid für den Nichtbesitz, Verabwandlung oder anderwärtiges Vorfinden, auferlegen.

III. Titel Vortrag vor den Gerichten.

Fürsprechen.


§. 29. Vortritt der Partheien und Eröffnung der Verhandlungen,
Am Gerichtstage erscheinen die Partheien in anständiger Weise und Kleidung, mit oder ohne Fürsprechen.

Erlegung des Gerichtsgeldes.
Gleich beim Vortritt hat jede Parthei das Gerichtsgeld zu erlegen.
Sollte dasselbe durch die Taxe für einen Bescheid oder durch Ordnungsbussen in Anspruch genommen werden, so muss es sogleich wieder ergänzt werden.

Einschränkung der Fürsprechen auf ihre amtliche Verrichtung.
Der Kläger eröffnet die Klage mit Vorlegung der Zitation. Keinenfalls darf eine Parthei mehr als einen Fürsprechen haben. Den Fürsprechen (Einheimischen sowie Auswärtigen) ist es auch bei Eiden untersagt, irgend eine Rechtsfrage in Akkord zu übernehmen; im Lande herum und bei Richtern zu berichten, oder gar, um vor Gericht oder Behörde Etwas auszuwirken, einem Richter oder Mitglied Etwas anzubieten oder einen Bestechungsversuch, zu wagen.
Daherige Zuwiderhandlung hätte nach Massgabe der Sache Entsetzung vom Amte oder andere scharfe Polizei- oder Kriminalstrafe zur Folge.
Von auswärtigen Fürsprechen sind nur patentirte zulässig.

§. 30.
Verweigerung von Red und Antwort.
Will der Beklagte Red und Antwort verweigern, so muss er diese Weigerung gleich Anfangs der Verhandlung und vor Erörterung der Klage durch den Kläger geltend machen, hierüber einen richterlichen Bescheid (Beiurtheil) verlangend.
Verweigerung der Red und Antwort (oder Einlässlichkeit) wird gerechtfertigt entweder:

a) wegen zu später oder sonst ungehöriger Vorladung;
b) wegen Unzuständigkeit des Gerichtes;
c) wegen nicht gehöriger Bevollmächtigung des Klägers;
d) wegen Nichtbefugtheit des Beklagten zu dem Rechtshandel, oder
e) wegen Verjährung;
f) wegen Nichtverbürgung des Rechts, wenn es einen Kantonsfremden betrifft, der keinen festen Wohnsitz im Kantone hat, oder der Fallit ist;
g) wegen Versäumung eines gesetzlich, oder durch kompetente Behörde bestimmten fatalen Termins;
h) wegen einem über vorliegende Klage schon vorhandenen richterlichen Urtheil (res judicata).

§. 31.
Entscheid und Weiterzug darüber.
Fällt der Entscheid verneinend aus, so wird mit der weitern Verhandlung fortgefahren. Wird dagegen eine bejahende Entscheidung ausgefällt, so hört jede weitere Verhandlung für einmal, jedoch in keinem rechtszerstörlichen Sinne, auf und kann in den Fällen a, c, d und f nicht appellirt werden, sondern nur im Falle von b, e, g, h. Im Falle von f wird der Betrag und die Art der Verbürgung näher bestimmt.

§. 32.
Aufschub- und Untersuchungs-Begehren durch Augenschein und Sachkundige.
Will die eine oder die andere Parthei einen Aufschub, einen nähern Untersuch durch einen Gerichtsausschuss oder durch Sachkundige, oder einen Augenschein verlangen, so soll sie das Begehren ebenfalls gleich Anfangs eröffnen , und die Gegenparthei zur Zustimmung oder Verweigerung, vor jedem einlässlichen Eintreten, veranlassen.
Einen Aufschub wird das Gericht nur bei obwaltender ganz unverschuldeter Rechtsgefährde oder Verkümmerung bewilligen; einen nähern Untersuch wird es bei verwickelten Rechnungsverhältnissen oder bei Streitigkeiten, zu deren Erörterung das Gericht nähere Kenntniss erforderlich findet; einen Augenschein bei Streitigkeiten um Grenzen oder Rechtsamen, oder wo sonst die örtliche Lage es erfordert, gewähren oder von sich aus anordnen.
Das Gerichtsgeld zahlt die verlangende Parthei.

§. 33.
Augenschein und Ausschüsse zu Rechnungsuntersuch u. dgl. Ein gerichtlicher Ausschuss zu Untersuchung oder zum Augenscheine, wozu in der Regel 3 Mitglieder zu bezeichnen sind, hat den Bericht und das Gutachten, auf Verlangen des Gerichts, ebenfalls schriftlich abzufassen und kann nötigenfalls Zeichnung und Plan dazu aufnehmen lassen.
Sind sie in ihren Ansichten getheilt, so hat Mehrheit und Minderheit, jede ihr eigenes Gutachten zu bringen.
Wenn das ganze Gericht auf einen Augenschein geht, worüber es nach seinem Ermessen entscheiden mag, so findet Verhandlung und Entscheidung ans dem Augenscheine selbst statt, wohin die Partheien vom Gerichtspräsidenten zu laden sind.
Der Gerichtspräsident ist auch befugt, vor dem Gerichtstag Zeichnung oder Plan von dem Streitgegenstände durch einen beeidigten Sachkundigen ausnehmen zu lassen.

§. 34.
Sachverständige.
Bei der Wahl von Sachverständigen kann das Gericht auf die Wünsche der Partheien Rücksicht nehmen. Wenn die Sachverständigen nicht schon amtlich beeidigte Personen sind, so haben sie vor dem Untersuche dem Gerichtspräsidenten, im Beisein des Gerichtsschreibers, folgenden Eid zu leisten:

„Ich schwöre den mir aufgetragenen Untersuch nach bestem Wissen vorzunehmen und darüber unpartheiischen und gewissenhaften Bericht und Gutachten abzugeben, so wahr mir Gott helfe und die lieben Heiligen."

Sie haben Bericht und Gutachten schriftlich und unterzeichnet dem Präsidenten des Gerichtes abzugeben, welches nach Erforderniss dessen mündliche Ergänzung verlangen kann.

§. 35.
Vortrag des Klägers vor Gericht.
Wenn vor Gericht nun in die Verhandlung eingetreten wird, so soll der Kläger zuerst eine kurze geschichtliche Einleitung des Rechtshandels geben, dann seine Forderung stellen und hierauf sogleich zum Beweise der Rechtsgültigkeit derselben schreiten, indem er die Urkunden vorlegt, die bezüglichen Stellen ablesen lässt, die Zeugen benennt, die Ansinnungen für selbe schriftlich eingibt und dann den ersten Vortrag mit einer kurzen Rekapitulation der Beweisführung und der aus selber gezogenen Schlussfolgerung oder Rechtsforderung schliesst. Er ist berechtigt, diese Rekapitulation und Schlussziehung (besonders vor erster Instanz bei einem appellablen Handel) schriftlich an's Protokoll zu geben.
Beim Kontumazialverfahren ist man nicht an diese Form gebunden, sondern einfach das Rechtsbegehren ohne weitere Begründung zu stellen.

§. 36.
Vortrag des Beklagten.
In gleicher Weise hat sodann der Beklagte entweder die Forderung des Klägers abzuweisen oder seine Gegenforderung zu stellen und den Beweis der Rechtlichkeit seiner Gegenforderung zu führen, ebenfalls seine Beweisschriften auflegend, seine Zeugen benennend und die Ansinnungen an dieselben, sowie die Gegenansinnungen an die gegnerischen Zeugen schriftlich eingebend und so seinen Vortrag ebenso mit kurzer Rekapitulation und Endfolgerung schliessend. Für schriftliche Eingabe der letztern steht ihm das gleiche Recht wie dem Kläger zu.

§. 37.
Zeit für Anbringen von Gesuchen, Vorfragen und Exzeptionen.
Mit allen bis zum Schlusse der beiden Vorträge nicht angebrachten Thatsachen und materiellen Gesuchen ist die säumige Parthei ausgeschlossen. Wenn einer gegen Aktenvorlage oder Zeugeneinvernahme als unerheblich oder unzulässig Exzeptionen oder Einsprache zu machen hat, so soll er dieselbe gleich bei der Aufführung durch den Gegner vor Ablesung des Akts, sofern dessen Inhalt nicht etwa ganz unbekannt wäre, und vor der Zeugeneinvernahme oder weiterer Entwicklung der Beweisleistung anbringen und eine Vorfrage stellen und sie sofort zum richterlichen Entscheide (Beiurtheil) bringen, wobei der die Exzeption machende in die Stellung des Klägers und der Andere in die des Beklagten übergeht. Bei minder wichtigen oder nicht komplizirten Vorfragen haben sich die Partheien in der Regel auf einen Vortrag zu beschränken.

§. 38.
Einwirkung des Richters auf die Verhandlungen.
Am Ende der Partheivorträge hat der Präsident das Recht, zur Erläuterung und Ergänzung derselben, Fragen an die Partheien zu stellen. Ueberhaupt leitet er die Partheien in dem gerichtlichen Verfahren und sorgt dafür, dass keine derselben in ihrem Rechte gefährdet werde.

§. 39.
Anfragen über die Zugaben zu Abkürzung des Beweisverfahrens durch Zeugen.
Dem Gerichtspräsidenten liegt es ob, wenn die von der einen Parthei aufgestellten Behauptungen von Thatsachen, wofür Zeugenbeweis anerboten ist, von der Gegenparthei nicht ausdrücklich zugegeben wurden, zu verlangen, dass diese Letztere, vor Einvernahme der Zeugen, sich über Zugabe oder nicht Zugabe persönlich mit „Ja" oder „Nein" erkläre. Allfällige Zugaben werden sogleich am Protokoll notirt. Nach dieser Anfrage des Präsidenten und vollendeten ersten Vorträgen (bei einer Widerklage, nachdem auch der Kläger auf diese Widerklage kurz geantwortet) erfolgt die Abhörung der Zeugen, in Abwesenheit der Partheien, wenn die Abhörung nicht durch den Erfolg der persönlichen Anfrage der Partheien überflüssig geworden ist.

§. 40.
Beschränkung der Vorträge auf 2 für jede Parthei.
Jeder Parthei stehen nicht mehr als 2 Vorträge (jene über Vorfragen abgerechnet) zu, in dem Sinne, dass der Vortrag für eine allfällige Widerklage mit der Antwort auf die Vorklage und die Antwort auf diese Widerklage mit der Replik verbunden sein muss, wo nicht etwa eine Zeugeneinvernahme eine Theilung derselben nöthig macht.

§. 41.
Replik.
In der dem Kläger zukommenden Replik soll sich derselbe darauf beschränken, seine Klage gegen die in der Antwort gestellten Behauptungen zu vertheidigen, so wie seine Rechtsgründe und Schlussfolgerungen zu rechtfertigen, falls die Einen oder Andern vom Beklagten angegriffen worden wären.

Duplik.
Ebenso hat sich der Beklagte in der Duplik nur auf Widerlegung der in der Replik enthaltenen Einwendungen und auf die Rechtfertigung seiner angebrachten Beweise und Rechtsfolgerungen, insofern solche nämlich in der Replik angefochten worden wären, zu beschränken. Neue Gründe und Beweise dürfen weder in der Replik noch in der Duplik mehr angebracht und die schon angebrachten sollen nicht zu oft wiederholt werden, sofern man nicht durch des Gegners Antwort dazu veranlasst wird.

Kürze.
Aufhaltung des Gerichtes durch unnütze oder überflüssige Vorfragen, Beiurtheile oder Zeugenaufführungen, so wie andere Weitschweifigkeiten, Anzüglichkeiten und Beleidigungen sind an den Fürsprechen oder dem Vortragenden durch Ordnungsbussen nach §. 15 des Gerichtsreglements zu bestrafen.

§. 42.
Beidseitiges Recht auf Benützung der vorgelegten Akten. Aktenverzeichniss.
Alle Aktenstücke oder Urkunden, welche in der Beweisführung angebracht und benützt worden sind, können vom Beweisführer nicht mehr einseitig zurückgenommen werden und stehen auch dem Gegner zur Einsicht und Benützung offen. Sie sind sämmtliche im Gerichtsprotokoll, nebst allen von den Partheien angebrachten erheblichen Thatsachen, Rechtsgründen und Gesuchen, in gedrängter Kürze zu notiren.

§. 43.
Kostenforderung.
Am Ende der Vorträge ist das Begehren um Vergütung der rechtlichen Kosten anzuschliessen, welches sich in der Regel aus eine schriftlich einzugebende Kostennota stützen muss.
Ueber die Tragung der Kosten entscheidet das Gericht nach Umständen und Ermessen.

IV. Titel. Von der Beweisführung und den Beweismitteln.

§. 44.
A. Im Allgemeinen. Pflicht zur Beibringung der Beweise.
Die Partheien sind verpflichtet, selbst auf den Fall, wo sie die Red und Antwort zu verweigern oder einen Untersuch oder Augenschein zu fordern gedenken, alle ihre Beweismittel, von welchen sie Gebrauch machen wollen, vor Gericht mitzunehmen. Eine Versäumnis in dieser Beziehung berechtigt zu keinem Aufschubsbegehren.

§. 45.
Geständniss des Gegners.
Alle vor Gericht aufgestellten Behauptungen müssen durch rechtlich vollgültige Beweise aufrecht gestellt werden, wenn diese Beweisführung nicht durch Zugabe oder Geständniss des Gegners überflüssig wird. Ein solches gerichtliches Geständniss muss von der Parthei selbst, oder ihrem Bevollmächtigten, in dem obwaltenden Rechtsstreite und vor zuständiger Gerichtsbehörde abgelegt werden.
Diesem steht das aussergerichtliche Geständniss gleich, das in einer andern Streitfrage oder vor nicht zuständigem Gerichte dem Gegner gegenüber klar und bestimmt ist abgelegt worden. Ob und inwiefern aber ein Geständniss, das ausser dem Gerichte und bloss einem Dritten gegenüber, bei zufälliger Besprechung der Sache ausgesprochen worden, unter Umständen genüge, bleibt dem Ermessen des Richters anheimgestellt.

§. 46.
Beweismittel.
Rechtliche Beweismittel sind:

a) Urkunden (Schriften);
b) Zeugen (Kundschaften);
c) der Eid der Partheien;

ausser welchen auch noch der Augenschein den Richter zur rechtlichen Gewissheit bringen kann (von dem oben bei §§. 32. 33. schon gesprochen).
Dem Richter kommt es nicht zu, die Beweise der einen oder andern Parthei durch, wenn auch bekannte aber nicht angebrachte, Thatsachen zu ergänzen; sondern er darf sich nur an die vorgebrachten halten. In der rechtlichen Würdigung der Begehren und Einwendungen der Partheien aber, ist er nicht an die Vorträge derselben gebunden, sondern ihm liegt die richtige Auslegung und Anwendung der einschlägigen Landesgesetze und, wo solche mangeln, der allgemeinen Grundsätze derselben, alter Uebungen und Gewohnheiten ob, wenn solche auch von den Partheien übersehen worden wären.
Nie aber darf er einer Parthei mehr zusprechen, als sie selbst verlangt, oder weniger als die Gegenparthei anerkannt hat.

§. 47.
B. Beweis durch Urkunden. 1. Begriff der Urkunden. Als Urkunden gelten:

a) alle von beeidigten Personen, oder von Behörden Kraft ihres Amtes und innert den Schranken desselben, in glaubhafter Form ausgestellten Schriften und Protokolle;
b) die schriftlichen Gutachten von Gerichtsausschüssen, Augenscheinen, und gerichtlich bestellten Sachverständigen;
c) Schriften, welche der Beweisgegner selbst, sein Rechtsvorfahr, oder sein Bevollmächtigter, oder
d) ein unpartheiischer zeugenfähiger Drittmann, vor entstandener Rechtsfrage, ausgestellt hat, seien diese letztem in Original oder in Abgang desselben, in wörtlich gleichlautender, kanzleiisch beglaubigter Abschrift;
e) die ordentlich geführten Rechnungs-, Zins- und Haushaltungsbücher.

Schriftliche Zeugnisse von Privatpersonen, zum Behufe eines bereits obwaltenden Rechtsstreites, ausgestellt, haben ohne freiwillige Anerkennung des Gegners keine Beweiskraft.

§. 48.
2. Gegenbeweis gegen Urkunden.
Ein Gegenbeweis ist gegen die bei Litt. d und e des vorstehenden Paragraphen bezeichneten Privaturkunden, und gegen die übrigen einzig in dem Falle zulässig, wenn es sich bloss darum handelt, den Aussteller einer Urkunde über seine wahre Meinung Auskunft geben zu lassen, oder wenn die Urkunde selbst, in Bezug
auf den Streitpunkt, dunkel, zweideutig, oder sich selbst, oder einer- andern Urkunde widersprechend wäre.

§. 49.
3. Untersuch der Aechtheit.
Wird die Aechtheit einer Urkunde bestritten, oder die Verfälschung derselben behauptet, so kann das Gericht, auf Verlangen der einen Parthei, eine Prüfung durch Sachverständige anordnen, oder die Aechtheit durch das Zeugniss des Ausstellers oder anderer Zeugen erwiesen werden. Rechnungsbücher dürfen, um volle rechtliche Glaubwürdigkeit zu haben, keine Auskratzungen, Einschaltungen oder Unterbrüche haben, sondern müssen in fortlaufender Seitenzahl und Datum geschrieben sein, und daher auf Verlangen der Gegenparthei oder des Gerichts, in Original aufgelegt werden, wobei nicht bezügliche Theile derselben, mit Erlaubniss des Gerichts, verschlossen werden können. Inwiefern Rechnungsbüchern, die nicht alle obigen Requisiten enthalten, unter Umständen eine grössere oder geringere Beweiskraft zuzumessen sei, ist dem Gerichte anheimgestellt.

§. 50.
Aushingabe von Urkunden in Drittmannshänden.
Ist ein Drittmann im Besitze von sachbezüglichen Urkunden und verweigert deren Aushingabe, in Original oder beglaubigter Abschrift, an die Gerichtskanzlei, so ist er als Zeuge vor Gericht zu laden und über das Vorhandensein der fraglichen Urkunde eidlich zu vernehmen. Gibt er den Besitz zu, so ist ein Termin zu dessen Belangung vor seinem zuständigen Richter um Aushingabe anzusetzen, und inzwischen den Partheien Aufschub zu ertheilen (wenn die Urkunde erheblich ist).

§ 51.
Was hier von schriftlichen Urkunden angeführt worden, findet auch analoge Anwendung auf andere zum Andenken einer Begebenheit oder als Zeichen eines Rechtes verfertigte Denkmäler, wie Marchsteine, Grenzzeichen, Denkmünzen, Monumente Stammbäume u. dgl., so dass die unter öffentlicher Autorität errichteten einen vollen Beweis abgeben, und bei Würdigung der Uebrigen, Ort und Zweck der Entstehung, Landesgebrauch, Sitte u. s. w., vom Gericht nach Umständen in Betracht zu ziehen ist.

§. 52.
C. Zeugenbeweis. Pflicht zur Zeugnissablegung.
Jeder gesetzlich zum Zeugniss Aufgeforderte ist zur Ablegung des Zeugnisses vor Behörde verpflichtet, insofern er wirklich zeugenfähig ist und nicht durch Pflicht und Eid zum Stillschweigen in bezüglichen Amts- oder Berufshandlungen verpflichtet ist.
Der sich Weigernde soll auf Verlangen des Beweisführers für die Zeit seiner Weigerung in Haft gebracht werden, wenn das Gericht seine Gründe nicht hinreichend findet.

§. 53.
Unfähigkeit zum Zeugniss.
Von der Zeugenfähigkeit ausgeschlossen sind:

a) Alle Blöd- und Irrsinnigen.
b) Alle Ehrlosen und Falliten.
c) Die Ehehälfte, Eltern, Kinder, Geschwister, Schwäger und Schwägerinnen des Beweisführers.
d) Alle, denen der Ausgang des Prozesses unmittelbar Nutzen oder Schaden bringt.
e) Solche, die für Ablegung oder Nichtablegung des Zeugnisses Mieth, oder Gaben, oder Versprechen abgenommen (erhalten) haben.
f) Zugetragene Kundschaften (d. h. die über's Hörensagen deponiren sollen), sofern nicht eine alte Ueberlieferung zu beweisen ist.
g) In Ehrenhändeln alle Verwandten beider Partheien, bis in dritten Grad.

Bei sich ergebendem Anstande über Alter und geistige Fähigkeit eines zum Zeugniss Berufenen, entscheidet das Gericht nach Ermessen.

§. 54.
Gründe für Ausschluss eines Zeugen. Auf Verlangen der Gegenparthei werden ausgeschlossen:

a) Uebelbeläumdete und hier nicht angesessene Fremde, in Ermanglung eines guten Leumundzeugnisses.
b) Personen, die sich offenbar partheiet oder eine entschieden feindselige Gesinnung gegen den Beweisgegner an den Tag gelegt haben.
c) Personen, welche vom Beweisführer auf eine andere Art, als nur durch ein auflösliches Dienstverhältniss abhängig sind.
d) Glieder einer Genossenschaft in Prozessen derselben, insofern dieselben am Ausgange des Prozesses unmittelbaren, erheblichen Vor- oder Nachtheil zu erwarten haben.

Das Gericht wird durch Bescheid (Beiurtheil) entscheiden, ob vorstehende Ablehnungsgründe eines Zeugen, in genügendem Masse vorhanden seien oder nicht. Das daherige Beiurtheil begründet keinen Aufschub der Verhandlungen und berechtigt nicht zur besondern Appellation dagegen.

§. 55.
Form der Zeugeneinvernahme.
Zu besserer Deutlichkeit sollen alle Zeugen fragenweise verhört werden und die Fragen und Gegenfragen (Ansinnen und Gegenansinnen), so wie sie von den Partheien bei ihren Vorträgen schriftlich abgegeben worden sind, sollen sammt den Aussagen der Zeugen, vom Gerichtsschreiber in ein eigen Heft zu Protokoll verwahrt werden. Die Partheien oder ihre Anwälte sollen einander, so viel möglich, die Fragen und Gegenfragen vor ihrem Vortrage schon gegenseitig mittheilen.

§. 56.
Unzulässigkeit des Zeugenbeweises gegen Urkunden und eidliche Aussage. In den Ansinnen und Gegenansinnen darf nichts enthalten sein, was direkte gegen anerkannte Urkunden oder gegen eidlich erhärtete Zeugenaussagen geht, ansonsten das Gericht entweder durch Beiurtheil auf Ansuchen der Gegenparthei, oder von sich aus, solche Ansinnen oder Gegenansinnen als unzulässig verwirft.

§. 57.
Einvernahme der Zeugen vor Gericht.
Wenn zum Zeugenverhör geschritten wird, treten die Partheien und Zuhörer ab. Der betreffende Zeuge wird vom Gerichtspräsidenten ernstlich und eindringlich, unter Vorstellung der Folgen zur Wahrheit ermahnt, dann noch angefragt, ob ihm etwa ein Ausschliessungsgrund wegen Verwandtschaft oder Betheiligung nach §. 53 gegen sein Zeugniss bekannt sei, und nach verneinender Beantwortung zur Beeidigung geschritten, der Zeuge übet jedes einzelne Fragestück abgehört, dessen jedesmalige Antwort niedergeschrieben und dem Zeugen Behufs der Bestätigung, Berichtigung oder Ergänzung, zuerst einzeln und dann am Ende noch im Zusammenhange vorgelesen.

§. 58.
Der Gerichtsschreiber liest den wieder vorberufenen Partheien das ganze Verhör ab.
Sind noch andere Zeugen über die gleiche Sache von ein oder anderer Parthei zu vernehmen, so sind solche nach Befinden des Gerichtes, auf gleiche Weise auch wieder bei Eiden abzuhören und das Ergebniss vorzulesen.
Der Zeuge tritt bei der Beeidigung vor den Gerichtspräsidenten und schwört (nach Erläuterung der Bedeutung eines falschen Eides) mit aufgehobenen Schwörfingern, folgenden vom Präsidenten ihm vorzusprechenden Eid:
„Ich schwöre, in allen meinen Aussagen, der Wahrheit treu zu bleiben, Niemanden zu lieb und Niemanden zu leid, nach „bestem Wissen und Gewissen allein Wahrheit zu reden, so wahr mir Gott helfe und die lieben Heiligen."

§. 59.
Aussergerichtliches Zeugenverhör. a. Von Kranken.
Personen, welche aus erheblichen Gründen und namentlich wegen Krankheit und Altersschwäche, persönlich nicht vor Gericht erscheinen können, sollen nach erhaltenen Ansinnen und Gegenansinnen der Partheien, vor der Gerichtssitzung von dem Gerichtsschreiber in ihrer Wohnung auf gleiche Weise verhört und beeidigt werden.

b. Sonst Verhinderten.
Mit Erlaubnis des Gerichtspräsidenten und Zufriedenheit beider Partheien kann diess mich in andern Fällen der Verhinderung, zur Vermeidung von Schwierigkeiten und grossen Kosten, geschehen.

c. Abwesenden.
Zeugen, die ausser dem Bezirke wohnen, müssen ebenso, wofern nicht besondere Umstände ihre gerichtliche Einvernahme nöthig machen, vom Richter oder Gerichtsschreiber ihres Aufenthaltsortes abgehört und beeidigt werden.
Die Requisition solcher Zeugenverhöre soll durch die Gerichtskanzlei an die für solche Einvernahme zuständige Behörde gerichtet und das aufgenommene Verhör versiegelt, nebst Leumundszeugnis, an erstere zurückgesandt werden.

§. 60.
Zeugeneinvernahme zum ewigen Gedächtniss.
Die Gefahr, dass durch Verzögerung der Abhörung eines Zeugen dieselbe unmöglich gemacht oder doch sehr erschwert würde, gibt dem, der sich auf den Zeugen berufen will, die Befugniss, auf seine Kosten dessen sofortige Einvernahme zum ewigen Gedächtnisse vor Beginn des Rechtsstreites, in welchem die Zeugenaussage als Beweismittel dienen solle, vom betreffenden Gerichtspräsidenten zu verlangen und die zu stellenden Fragen zur Mittheilung an die Gegenparthei, demselben in Doppel einzureichen. Der Präsident wird das eine Doppel sogleich dem Beweisgegner zusenden, damit er in der Nothfrist von drei Tagen ihm seine Gegenfragen eingeben kann, wo dann das Verhör auf ordentliche Weise (auch ohne das Beisein von Richtern) nach §. 59 vorgenommen und die Antworten versiegelt, bis zur Behandlung vor Gericht, aufbehalten werden.

§. 61.
Zeugniss von Amtspersonen.
Oeffentliche Beamtete und Bedienstete geben über alle in ihre Amts- oder Dienstverrichtungen einschlagenden Thatsachen, die Erstern bei ihrem Amts-, die Letztern bei ihrem Diensteide ihr Zeugniss ab.

§. 62.
B. Beweis durch den Eid der Partheien.
In gänzlicher Ermanglung anderer genüglicher Beweismittel kann, sofern es nicht ein Ehrenhandel ist, der Gegner selbst zum Zeugniss und Eide aufgefordert, oder selbst zum Richter gesetzt werden. Dieser ist jedoch berechtigt, den Eid von sich weg und dem Gegner zuzuschieben, sofern der Richter voraussetzen kann, dass auch derselbe gleiche Kenntniss des Thatbestandes besitze. Bei der Beeidigung der Parthei soll der Gerichtspräsident derselben immer die Bedeutung eines falschen Eides ernstlich vorhalten und dannzumal die Beeidigung und Abhörung, wie sie in den §§. 57 und 58 vorgeschrieben ist, vornehmen.

§. 63.
Unumstösslichkeit eidlicher Aussagen.
Eine Thatsache, welche auf die vorgeschriebene Weise durch amtliches Zeugniss oder eidliche Deposition eines einzigen Zeugen, oder auch durch den Eid einer Parthei selbst erhärtet ist, gilt als voller rechtlicher Beweis vor dem Gerichte und kann nur durch fünf übereinstimmende Gegenzeugen entkräftet werden.

V. Titel. Von den Rechtsmitteln.

§. 64.
A. Rechtsmittel überhaupt.
Nach geschehener Bekanntmachung eines Urtheils können keinerlei Abänderungen in den Bestimmungen desselben mehr Platz finden; ausser nur in Folge ergriffener Rechtsmittel. Diese gesetzlich zulässigen Rechtsmittel sind:
a) Die Berufung oder Appellation.
b) Die Beschwerdestellung, oder Rekurs, oder Kassationsbegehren.
c) Die Wiederherstellung oder Revision.
d) Die Erläuterung oder Jnterprätation.
Die ersten beiden sind weiterziehend (devolativ) und bringen die Sache an einen hohen Richter, die beiden letztem sind nicht weiterziehend und haben daher vor den erkennenden Richter zurückzukehren.

§. 65.
B. Von der Berufung oder Appellation. Die Fälle, in welchen eine Berufung (Appellation) eines Urtheils an höhere Instanzen zulässig ist, bestimmt die Verfassung und der §. 5 des Gerichtsreglements.

Frist und Einlegung der Appellation.
Die Appellation aber muss innert 10 Tagen nach dem erstinstanzlichen Urtheil (der Tag der Gerichtsverhandlung nicht eingerechnet) ergriffen und dafür ein Schein vom Präsidenten des erstinstanzlichen Gerichtes herausgenommen und derselbe wieder binnen den 10 folgenden Tagen bei dem Präsidenten der Appellationsbehörde eingelegt und von diesem unterzeichnet werden, ansonst das Recht der Berufung oder Appellation verwirkt ist.

§. 66.
Verfahren bei Appellation.
Die Vorladung, die auf die, diesen 20 Tagen zunächstfolgende ordentliche Sitzung des Kantonsgerichtes zu erlassen ist, sofern noch die gesetzliche Vorladungsfrist dazwischen liegt, erfolgt auf gleiche Weise, wie vor die Bezirksgerichte. Eine Zurückziehung derselben enthebt aber nicht von den Gerichtskosten, wenn sie dem Präsidenten nicht zeitig genug angezeigt worden ist, um daherige Kosten ersparen zu können.
Die Vorträge der Partheien geschehen auf gleiche Weise wie vor erster Instanz, nur dass bei der Hauptverhandlung der Berufende (Appellant) und wenn beide Partheien die Berufung ergriffen haben sollten, der Kläger das erste Wort hat.
Es dürfen da aber weder neue Gründe angeführt, noch neue Belege aufgelegt oder neue Zeugen aufgeführt, noch die Rechtsfrage verändert werden.
Versuche der Art sind mit einer Ordnungsbusse von 5 — 10 Franken zu belegen.

§. 67.
Appellation von Beiurtheilen und Zeugenverhör.
Ist vor erster Instanz die Abhörung eines Zeugen durch Beiurtheil verweigert worden, so kann vor der zweiten dieses Beiurtheil neuerdings zur Entscheidung gebracht werden. Erklärt das Gericht den Zeugen als zulässig, so findet seine Abhörung unverweilt auf die gleiche Weise statt, wie sie für die erste Instanz vorgeschrieben ist. Ebenso kann eine vor erster Instanz schon bestrittene aber dennoch erfolgte Zeugeneinvernahme neuerdings bestritten werden. Solche und andere Beiurtheile über Vorfragen können aber erst mit der Hauptfrage und nicht einzeln appellirt werden, es sei denn, dass durch den negativen (abschlägigen) Entscheid eines Beiurtheils oder einer Vorfrage dem Handel der Weg zum weitern Vorschreiten abgeschnitten und so das Beiurtheil zu einem Finalspruche erster Instanz geworden wäre. §. 68.
Inhalt des Appellations-Urtheils.
Das Urtheil einer Appellationsbehörde wird einfach dahin lauten, ob die erste Instanz wohl oder übel gesprochen habe, in letzterm Falle ist die Abänderung im Urtheil zu motiviren.

§. 69.
Von dem Rekurs oder der Beschwerdestellung und dem Kassationsbegehren. Frist und Art der Einlegung von Rekurs- und Kassationsbegehren.
Rekurs- und Kassationsbegehren gegen alle untern Gerichtsstellen können nur vor der obersten richterlichen Behörde, dem Kantonsgerichte, angebracht werden und müssen schriftlich, mit Beifügung der Belege, innert der Frist von 20 Tagen, nach erfolgter Bekanntmachung des Urtheils, worüber Beschwerde geführt wird, dem Präsidenten des Kantonsgerichtes eingegeben und innerhalb 10 Tagen des Erlasses des Urtheiles, die Anzeige von der Beschwerdeführung dem Sekretär der beklagten Instanz zu Protokoll erklärt und angezeigt werden.
Beschwerdestellung gegen Verfügung des Kantonsgerichtes ist laut Verfassung auf gleiche Weise an Landrath zu bringen.

§. 70.
Mittheilung solcher an die beklagten Instanzen und Partheien. Der Präsident des Kantonsgerichtes theilt die Beschwerdeschrift der Stelle, gegen welche die Beschwerde gerichtet ist, und wenn dabei die Gegenparthei betheiligt erscheint, auch der Letztem zur Beantwortung binnen einer anzusetzenden Frist und unter der Androhung mit, dass sonst die behaupteten thatsächlichen Verhältnisse als anerkannt angenommen würden; er lässt sich von diesen nöthigenfalls auch die Akten einsenden.

§. 71.
Begründung der Kassation.
Die Beschwerdestellung wird die Richtigkeits-Erklärung (Kassation) des beklagten Erlasses zur Folge haben,

a) Wenn über Sachen abgesprochen worden, die nicht ans Recht gesetzt waren.
b) Wenn die eine oder beide Partheien zur Führung des vorwaltenden Rechtshandels nicht befugt oder dazu Berechtigte ausgeschlossen waren.
c) Wenn die Behörde nicht zuständig, oder nicht gehörig besetzt war, wegen Mangel an Zahl der Richter, oder Mitwirkung ausstandspflichtiger oder sonst unbefugter Richter,
d) Wenn das Urtheil einen Staatsvertrag oder ein Konkordat verletzt.

§. 72.
Wenn Verweigerung oder Verzögerung der Rechtspflege, ungebührliche Behandlung der Rechtsbedürftigen, vorschriftswidrige und unbefugte Anmassungen der Richter, oder Nichtbeachtung der vorgeschriebenen Rechtsformen vorgekommen sind; so können daherige Beschwerden auf schriftlichem Wege nach §. 32 des Gerichtsreglements, von den Betheiligten oder andern Amtsstellen, einfach aus dem Klagewege eingegeben werden, ohne an oben bei §. 69 bezeichnete Fristen und Protokollerklärungen gebunden zu sein, müssen jedoch innert Monatsfrist geschehen.

§. 73.
D. Von der Wiederherstellung oder der Revision. Zulässigkeit von Revisionsgesuchen.
Das Kantonsgericht kann über rechtskräftige Urtheile aller gerichtlichen Instanzen und über seine eigenen Revision ertheilen, wenn eine Parthei den Beweis leistet, dass entweder

a) neue und wesentliche Thatsachen und Beweise zum Vorschein gekommen sind, welche ihr früher nicht zu Gebote standen, oder die sie nicht kannte, oder
b) dass das Urtheil durch irgend ein Verbrechen ihrer Gegenparthei oder eines zu ihren Gunsten Handelnden bewirkt wurde, wie Bestechung der Richter, Unterschlagung oder Unterschiebung von Akten, falsches Zeugniss, falsche Urkunden, falsches Gutachten, Meineid u. dgl., das durch inzwischen erfolgtes Strafverfahren konstatirt worden wäre.

§. 74.
Verfahren dabei.
Vorladung, Verfahren u. s. w. ist bei einem Revision- oder Wiederherstellungsbegehren gleich wie bei einem andern Rechtsstreite.
Für Art und Zeit der Entdeckung, so wie für die frühere Nichtkenntniss des als Revisionsgrund geltenden neuen Beweismittels kann dem eidfähigen Revisionskläger, in Ermanglung anderer Beweismittel, der Eid auferlegt oder gestattet werden. Nebenbei sollen die für Revision angeführten Zeugen sogleich beim Kantonsgerichte verhört werden.

§. 75.
Folgen der bewilligten Revision.
Wenn die Revision vom Kantonsgericht gestattet wird, ist das frühere Urtheil in allen seinen Folgen aufgehoben, die Partheien aber werden an die erste Instanz zum neuen Beginn des Rechtshandels zurückgewiesen.

§. 76.
E. Von der Erläuterung oder der Interprätation. Erläuterungsbegehren.
Findet eine Parthei die Bestimmungen eines rechtskräftigen Urtheils dunkel, zweideutig oder sich widersprechend, so kann sie bei dem Gerichte, welches selbiges ausgefällt hat, um Erläuterung nachsuchen, wobei jedoch nur jene Richter Theil nehmen dürfen, die zum Urtheil mitgewirkt haben. Das Erläuterungsbegehren muss aber spätestens 14 Tage nach ausgefälltem Urtheile unter gehöriger Zitation, worin die Stelle und die Worte, über welche Erläuterung begehrt wird, ausdrücklich bezeichnet sind, gestellt werden.

§. 77.
Ertheilung derselben.
Findet das Gericht das Begehren begründet, so ertheilt es sofort die nöthige Erläuterung, darf jedoch dabei auf keine Weise über die Rechtssache selbst mehr eintreten.
Blosse Schreibfehler, irrige Benennungen, Rechnungsirrthümer u. dgl. sind einfach von der Gerichtskanzlei, in Gegenwart des Präsidenten und beider Partheien, zu berichtigen.

VI. Titel. Von den Rechtsboten, Verboten, Verschollenheitserklärungen und andern gerichtlichen Aufgeboten.

§. 78.
Verlangen von einem Rechtsbot (Verbot für Güter).
Will Jemand ein Rechtsbot (Verbot wegen Wegen oder andern angemassten Rechtsamen) für eine Liegenschaft auswirken, so soll er das Begehren vor dem Bezirksrathe stellen und wenn es da bewilligt, zweimal auf vorgeschriebene Weise in den Kirchen der vom Bezirksrathe bezeichneten Gemeinden, während dem sonn- oder feiertäglichen Gottesdienste und im Amtsblatte publizirt und die anberaumte Frist (von wenigstens 4 Wochen seit der Verlesung) eingehalten worden ist, dasselbe vor dem betreffenden Bezirksgericht, unter Nachweis der Befolgung der auferlegten Bedingungen, bestätigen lassen.

§. 79.
Gerichtliche Bestätigung eines Rechtsbotes.
Das Bezirksgericht, in dessen Gerichtskreis sich die Liegenschaft befindet, wird das Verbot gerichtlich bestätigen, wenn, nachdem der Gerichtsschreiber bei offener Thüre das Verlangen nochmals abgelesen und die allfällig dagegen sich zu beschweren Habenden zum Vortritt vor Gericht eingeladen hat, keinerlei Einsprache gemacht wird. Erfolgt eine Einsprache, so ist das ganze gerichtliche Verfahren in Sache, wie bei einem gewöhnlichen Rechtsstreite. Das Gericht ist berechtigt, je nach Umständen, dem Verbot-Begehrenden die Aufstellung einer Warnungstafel an betreffender Stelle zur Pflicht zu machen.

§. 80.
Verlangen um eine Verschollenheitserklärung.
Will Jemand einen mehr als 25 Jahre, ohne Nachrichten von ihm, Abwesenden, zu dessen Nachlass er Erbe ist, als verschollen erklären lassen, so hat er das Begehren beim Dorfgerichte derjenigen Gemeinde, in welcher der Abwesende zuletzt gewohnt hatte, zu stellen. Dieses ertheilt ein Gutachten, welches der Bittsteller dem Gerichtspräsidenten einreicht. Dieser erlässt eine Aufforderung im Amtsblatte und nöthigenfalls in andern öffentlichen Blättern an den Abwesenden, innert einer bestimmten Frist sich zu melden, mit der Androhung, dass er widrigenfalls als verschollen erklärt und sein im Lande liegender Nachlass unter die rechtmässigen Erben werde vertheilt werden.

§. 81.
Gerichtliche Gestattung.
Nach Ablauf der Frist spricht das Gericht, wenn der Abwesende sich nicht meldet, auf das Begehren des Betreffenden, die Verschollenheit aus.
Sind jedoch seit seiner Entfernung noch nicht 30 Jahre verflossen, so wird es nur die Vertheilung des Zinses unter die Erben gestatten, das Kapital aber bis nach Verfluss derselben in waisenamtlichem Verwahr belassen.
Bei etwaiger Rückkehr eines Verschollenerklärten müssen ihm die Erben, jedoch ohne Solidarität,, das bezogene Kapital, soweit es noch in ihren Kräften liegt, wieder erstatten.

§. 82.
Todtrufung, Güterverzeichniss (Benefic. Jnvent.) und Terminstellungen.
Will Jemand eine Schuldschrift todtrufen lassen, oder die Bewilligung eines Güterverzeichnisses (Beneficium Inventari) zur Bereinigung vom Vermögensstande oder Feststellung eines fatalen Termines für Bereinigung einer pendenten Sache erlangen, so muss er (unter Kenntnissgabe an etwa bekannte oder muthmassliche Gegner) vor das Bezirksgericht treten und da vor Allem aus sein Anspruchs- oder Verfügungsrecht an in Frage liegendem Gegenstände und dann die Dringlichkeit seines Begehrens nachweisen. Wird in Folge solchen Nachweises dem Verlangen gerichtlich entsprochen, so muss eine amtliche öffentliche Aufforderung zur Eingabe von Ansprüchen oder Reklamationen im Amtsblatte und nötigenfalls auch in andern öffentlichen Blättern, mit angemessener Fristanstellung, vom Gerichte erlassen werden.
In Schuldentriebsachen ist die Rechtswohlthat des amtlichen Güterverzeichnisses (Beneficium Inventari) nur auf Verlangen beider Partheien und nur da, wo die Unzahlbarkeit noch nicht ausgemittelt, oder der Schuldner indessen verstorben ist, zu gestatten, sonst aber das Falliment, zu erklären.

§. 83.
Rehabilitation von Falliten.
Falliten ist das Bezirks- und im Verweigerungsfalle auf Appellation hin das Kantonsgericht wieder zu rehabilitiren (in Ehren einzusetzen) ermächtigt; wenn der Fallite nachzuweisen im Falle ist, dass er alle Kreditoren nebst den Rufskosten bezahlt oder zufrieden gestellt hat, oder dann, dass er einzig aus unverschuldeten Unglücksfällen, so in Rückstand gekommen wäre, dass er darum seinen Kreditoren nicht mehr entsprechen kann.

§. 84.
Publikation und Kosten.
Sämmtliche daherige gerichtliche Publikationen für Verbote, Todtrufungen, Beneficia Jnventarii und Fallimentsrüfe sind zweimal ins Amtsblatt zu inseriren und von dem betreffenden Gerichtssekretariate, auf Kosten des Verlangenden zu besorgen, wovon die Jnserationsgebühr dem Kantons-Seckelamte zu beguten ist.

VII. Titel. Von dem Vollzuge der Urtheile.

§. 85.
Enthebung der Gerichtsurtheile zur Grundlage der Vollziehung.
Nach erlassenem Spruche wird der Gerichtsschreiber den verlangenden Partheien, gegen sofortige Erlegung der Taxe, das Urtheil beförderlichst mit Unterschrift ausfertigen und behändigen, dessen dieselben zur Erlangung nöthiger Vollziehungsmassregeln bedürfen.

§. 86.
Vollzug bei Ehrenhändeln vor dem Gerichte selbst.
Bei Ehrenhändeln muss die verlustige Parthei den vom Gericht vorgeschriebenen Widerruf unverzüglich vor versammeltem Gerichte, in Gegenwart der Gegenparthei, leisten, sofern sie sich nicht alsogleich für die Appellation erklärt, oder wenn der Spruch sonst von letzter Instanz erfolgt ist; bei erklärter, aber nicht ausgeübter Appellation, muss sie zur Leistung dieses persönlichen Widerrufes vor dem nächstfolgenden Bezirksgerichte sich stellen. Das Gericht mag überhin noch bestimmen, ob und in welche öffentliche Blätter der Widerruf einzurücken sei, was das Gerichtssekretariat auf Kosten des Verfällten vollziehen wird.

§. 87.
Vollziehung durch den Bezirksammann.
Weigert sich eine Parthei einem rechtskräftigen Urtheile, Bescheide oder Vergleiche, Genüge zu leisten, so ist dem Bezirksammann, unter Vorweis des Urtheils, hievon Anzeige zu machen und Vollziehung zu verlangen. Derselbe hat sofort den Vollziehungsbefehl zu erlassen und den Säumigen zu intimiren. Würde der Betreffende sich dann noch weigern, so wird der Bezirksammann dem Regierungsrathe Anzeige machen, der das Weitere Behufs Vollziehung anordnen wird.

§. 88.
Art der Vollziehung.
a. Für Geldleistungen.
Geht die Erkanntniss auf eine Geldleistung, z. B. auf Bezahlung einer laufenden Schuld oder eine Entschädigung, oder auf Ersatz von Prozesskosten, so findet hiefür unmittelbar der Schuldentrieb statt, wogegen kein Rechtsdarschlag mehr zulässig ist.

b. Für bewegliche Sachen.
Sind bewegliche Gegenstände herauszugeben, so sind sie der verfällten Parthei, wenn solche noch in deren Besitz sich befinden, nöthigenfalls amtlich wegzunehmen und dem Obsiegenden zuzustellen; wären sie da nicht mehr vorzufinden, ist ihm dafür eine entsprechende Entschädigung zu leisten, über welche streitigen Falles das gleiche Gericht entscheidet.

c. Für unbewegliche Dinge.
Soll der Obsiegende in den Besitz einer unbeweglichen Sache oder eines Rechtes an einer solchen gesetzt werden, so ist unter amtlicher Leitung der Unterlegene aus demselben auszuweisen und sie dem Obsiegenden, nach Ausräumung oder Wegschaffung alles dessen was nicht dazu gehört, zu übergeben; auch dem Ausgewiesenen, unter Androhung von Strafe, jede Störung des gegnerischen Besitzes zu untersagen.

d. Für Theilungs- und Ausscheidungsvollzug.
Behufs Vollziehung einer Erkanntniss über Theilung eines Gegenstandes, oder über Grenzscheidung, wird der Bezirksammann Sachverständige abordnen, unter deren Leitung die Theilung nach Inhalt des Urtheiles amtlich vorgenommen und die Marken oder Grenzzeichen gesetzt werden.

e. Für Fertigung dinglicher Rechte.
Wenn die verfällte der obsiegenden Parthei Pfand oder andere der Fertigung bedürfende dingliche Rechte auf Liegenschaften zu bestellen hat, so wird dem betreffenden Landschreiber aufgetragen, auf den Grund des richterlichen Spruches hin, die Fertigung förderlichst zu besorgen.

f. Für Pfändung und Ausschätzung einer Schuld.
Auch ist die siegende Parthei befugt, die Pfändung durch einen Land- oder den Gemeindeweibel sogleich vornehmen zu lassen.
Weigert sich der Schuldner der Pfändung, oder ist er in Abtragung der Schuld sonst säumig, so ist der Siegende befugt sich bezahlt zu machen:
a) Durch Verzeichnung seines Guthabens.
b) Durch Wegschätzung des freiwillig oder amtlich erhaltenen oder amtlich erzwungenen Pfandes, wenn dafür der gesetzliche Termin abgelaufen.
c) Durch das Begehren des Schuldenrufes, in Ermanglung von Deckung der Schuld.
Immerhin aber sind dabei die vom Richter für den Einzug festgesetzten allfälligen Termine und Bedingungen zu beachten, der Vollziehungsbeamte (Bezirksammann) ist aber nicht befugt, dieselben auf irgend eine Weise auszudehnen.

g. Für persönliche Leistungen.
Handelt es sich um eine persönliche Leistung der verlierenden an die obsiegende Parthei, so ist Letzterer zu gestatten, wenn die erstere die betreffende Leistung innert der vom Gericht oder dem Vollziehungsbeamten festzusetzenden Frist nicht vollbringt, sie durch einen Dritten vollziehen zu lassen und die daherigen Auslagen gegen den verfällten Theil durch den Schuldentrieb einzuziehen, oder dann aber statt dessen beim betreffenden Gerichte daraus anzutragen, die persönliche Leistung in eine Geldleistung umzuwandeln, nöthigenfalls nach Befund von Sachverständigen.

h. Für Unterlassung einer Handlung.
Wird Jemand durch Urtheil zur Unterlassung einer Handlung verpflichtet und unternimmt sie dennoch, oder widersetzt er sich einer solchen, so sind die Folgen davon sofort zu beseitigen und der vorige Zustand herzustellen. Dabei hat der Widersetzliche alle Kosten, Entschädigung und Busse zu bezahlen und ist im Wiederholungsfalle dem Strafrichter zu überweisen.

§. 89.
Kosten- und Schadenersatz für Vollzugsschritte.
Der Unterlegene ist verpflichtet, dem Obsieger alle für die Vollziehung erlaufenen Kosten und Auslagen zu ersetzen und ihn für allfällig, durch seinen Widerstand, entstandenen Nachtheil zu entschädigen.

§. 90.
Da wo in gegenwärtigem Gesetze von Rechtsfristen die Rede ist, ist das Ende des Tages auf 12 Uhr Mitternacht zu berechnen.»

Landraths-Erkenntnis vom 24.11.1852.
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RECHTSAMMLUNGEN

Übersicht
Rechtsquellen vor 1798
Urner Landbuch, 1823-1841
Sammlung der Gesetze, 1842-1863
Das Landbuch, 1891-1916
Sammlung der Gesetze, 1892-1958
Zwischenspiel Amtsblatt, 1959-1975
Das Urner Rechtsbuch, ab 1976

ABKÜRZUNGEN

LG = Landsgemeinde
eLG = Extra-Landsgemeinde
NG = Nachgemeinde
LR = Landrat
RA = Rat
WR = Wochenrat
AR = Allmendrat

 

 

 

Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 20.2.2018