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Gesetzesbestimmungen

Eheverbot für arme und «liederliche Leute» (Art. 103 LB)
LB UR (1823) Bd I S. 088-091. / Mittwoch, 1. Januar 1823

«1 §. Die Verehelichung soll allen denen, so sich in einem der nachbenannten Fällen befinden, untersagt seyn, und selbe nicht eingesegnet werden.
a) Leute, die ihr Leben in Liederlichkeit und sittenlos dahin gebracht, das Ihrige durchgejagt, oder sonst im trägen Bettel oder in Ausschweifung dahinleben.
b) Ganz blödsinnige, tölpel- oder krüppelhafte Leute, die ihre Kinder zu nähren und zu erziehen physisch unfähig wären.
c) Verwitwete, die im frühem Ehestand ihre Kinder verwahrloset und sich untauglich gezeigt, selbe zu nähren und zu erziehen.
2 §. Was dann aber andere Unvermögliche, wie Dienstbothen oder sonst Arme, die rechtschaffen und arbeitsam sind, betrifft, sind keineswegs unter diesem Verboth begriffen, und soll ihnen die Einsegnung, wenn nicht andere Hindernisse da sind, nicht verweigert werden. Damit aber die HHerrcn Pfarrer dieSfalls gehörig zu verfahren wissen, so sollen alle Dienstbothen, Gesellen oder sonst Leute aus andern Gemeinden, die der betreffende HHerr Pfarrer noch nicht seit langem kennt, und ihre Aufführung also nicht wissen kann , wenn sich verehelichen wollen, dem Herrn Pfarrer glaubwürdige Zeugnisse über ihre sittliche sowohl als bürgerliche Aufführung vorzuweisen, schuldig seyn.
3 §. Wenn ein Herr Pfarrer einigen Anstand findet, und glaubt, daß eine die eheliche Einsegnung verlangende Person in einem der obgemelten Fällen sey, so wird er vom resp. Dorfgericht Aufschluß über die Umstände und Beschaffenheit dieser Person einholen, und sich mit demselben besprechen, und dann der zu verehelichenden Person, wenn sie in solchem Fall befunden wird, alle angemessenen Vorstellungen machen. Wenn dann selbe dem ungeachtet auf ihrem Vorhaben beharret, so soll der Untersuch und das Ganze der diesfalls bestellten Behörde, bestehend aus jeweilenden Tit. Herrn Richter des Lands, ältesten Hrn. Landammann und Hrn Amtsstatthalter, Hhrn. bischöfl. Commissario und dem betreffenden Hrn. Pfarrer von diesen vorgetragen und dann von dieser Behörde darüber entschieden und nicht weiter gezogen werden.
4 §. Da es auch schlechte, gewissenlose Leute geben kann, die bey solcher verweigerten Einsegnung sich verfehlen und durch Erzeugung außerehelicher Kinder die Einsegnung zu ertrotzen glauben; so ist festgesetzt, daß solchen deswegen doch nicht willfahret, sondern sie nebst der bestehenden, gesetzlichen Straf noch scharf und exemplarisch bestraft werden sollen. Auch sollen jene, so dergleichen Vorhaben äußern oder solche Drohungen ausftossen, UGHrn. angezeigt, mit Einsetzung oder sonst nach Gebühr bestraft, auch der Umgang zwischen solchen Personen so viel möglich verhindert, von den Hhrn. Pfarrherren und Dorfgerichten darüber gewachet, und bey Ungehorsam und fernerem Besuch UGHHrn wieder angezeigt werden. Dergleichen wenn früher eine Schwängerung geschehen sollte, um die Erlaubnis der Heirath eher zu bewirken; so solle, wenn die Leute in einem obigen ausschließenden Fall sind, auf die Schwängerung nicht nur keine Rücksicht genommen, sondern die Erlaubniß noch um so weniger ertheilt werden.
5 §. In Betreff der Fremden und Beysaßen jeder Gattung bleibt es bey schon bestehenden Verordnungen, daß nemlich keiner ohne oberkeitliche Erlaubniß ehelich eingesegnet werden solle.»


Quelle: LG 1810; LB UR 1823 Bd I, S. 88 ff.

 
RECHTSAMMLUNGEN

Übersicht
Rechtsquellen vor 1798
Urner Landbuch, 1823-1841
Sammlung der Gesetze, 1842-1863
Das Landbuch, 1891-1916
Sammlung der Gesetze, 1892-1958
Zwischenspiel Amtsblatt, 1959-1975
Das Urner Rechtsbuch, ab 1976

ABKÜRZUNGEN

LG = Landsgemeinde
eLG = Extra-Landsgemeinde
NG = Nachgemeinde
LR = Landrat
RA = Rat
WR = Wochenrat
AR = Allmendrat

 

Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 15.09.2020