Gesetzesbestimmungen
Übereinkunft in Transit-Angelegenheiten des St. Gotthardspasses.
LB UR (1842) Bd III S. 090-099
/
Sonntag, 7. Mai 1837
«Die Kantone Luzern, Uri, Solothurn, Basel (Stadttheil und Landschaft) und Tessin, in weiterer Ausführung und Entwicklung des am 28ten Weinmonat 1826 in Altdorf geschlossenen Konkordates und auf die Grundlagen der seitherigen Verhandlungen, sowie des nachträglichen Konkordats vom April 1834, vereinigen sich zu folgenden verträglichen Bestimmungen:
§. 1. Unter Transitgut wird jede Kaufmannswaare verstanden, welche durch einen der konkordirenden Kantone ganz durchgeht, es komme dieselbe woher sie wolle, und gehe auch wohin sie wolle.
§. 2. Die Kantone beharren auf dem Grundsatz unbedingter freier Konkurrenz zu Wasser und zu Land, so daß es Jedermann freistehen soll, sein Transitgut zu versenden und führen zu lassen, durch wen und wohin es ihm beliebt, und werden demnach alle dieser freien Konkurrenz noch im Wege stehenden Hindernisse beseitigen.
§. 3. Die Kantone sorgen dafür, daß die Kaufmannswaaren zu allen Stunden, an jedem Tage und in jeder Jahrszeit ungehindert und ohne Unterbruch versendet und fortgeführt werden können.
Sie werden daher wo immer möglich im Laufe des Jahres 1837 die übernommenen Straßen-Korrektionen ausführen und stetsfort die Straße inner ihrem Gebiete gehörig unterhalten, wovon sich die konkordirenden Kantone durch einen Untersuch zu versichern und gegen daherige Pflichtversäumnisse das Angemessene anzuordnen neuerdings vorbehalten.
Sie werden auch vorkehren, daß die Fuhrleute bei den Kaufhäusern und Susten durch Auf- und Abladen nicht verzögert werden, insbesondere sorgen die Kantone Uri und Tessin dafür , daß der Durchpaß auf dem St. Gotthardsberge den Kaufmannswaaren zu jeder Zeit, höhere Gewalt vorbehalten, offen sey.
§. 4. Der Speditor ist für die ihm zum Versenden übergebene Waare dem Eigenthümer, der Fuhrmann dem Speditor verantwortlich.
Uebrigens werden die Kantone Uri und Tessin nach übernommener Verpflichtung, die Schirm-Häuser auf ihrem beidseitigen Gebiete des St. Gotthards, das Hospitium und die von Airolo zu verlegende Sust auf der Höhe des Berges bis Ende Herbstmonat 1837 gehörig einrichten und bewohnen lassen und fortan unterhalten.
§. 6. Die zu versendenden Waaren sollen mit Frachtbriefen begleitet werden, in welchen Vor- und Zuname und Wohnort des Fuhrmanns, die Zahl, Marken und Nummern der aufgeladenen Stücke, das Kilogrammgewicht sowohl jedes einzelnen Stückes, als auch der ganzen Ladung, der Tag des Abgangs und die Frist, inner welcher die Ladung ihre Bestimmung erreichen soll, so wie endlich der Abzug eines Drittheils der Fracht zu Händen des Speditors, falls diese Frist verspätet würde, ohne daß der Fuhrmann sich darüber ausgewiesen und gerechtfertiget hätte, genau angemerkt werden sollen.
Die ganze Ladung soll in den Kaufhäusern oder Susten von den Beamteten mit authentischen Ladkarten — enthaltend die Anzahl der Stücke und das Gesammtgewicht einer Ladung — versehen werden.
§ 6. Alle Transitgebühren sind in schweizerischem Frankenfuße zu berechnen, wobei 31 Mailänderlire zu sechszehn Franken angenommen werden.
Es dürfen keine Berechnungen im Gewicht anders als im angenommenen und überall einzuführenden Kilogrammgewicht ausgedrückt werden.
§. 7. Das Maß und die Arten sämmtlicher Transitgebühren auf der Straße von Basel über den St. Gotthard bis nach Italien bleiben für den Zentner oder 50 Kilogramme folgendermaßen bestimmt:
A. Zölle und Weggelder,
Basel (beide Kantonstheile). Kantonalzoll und Weggeld 9 1/3 Rp;
Basel und Solothurn. Gemeinschaftliches Weggeld über den Hauenstein für die von der Tagsatzung bestimmte Zeit 6 Rp;
Solothurn allein. Kantonalzoll und Weggeld 3 Rp.;
Aargau. Kantonalzoll und Weggeld 3 Rp;
Luzern. Kantonalzoll und Weggeld 10 1/3 Rp.;
Uri. Kantonalzoll und Weggeld 16 Rp.
Von der Tagsatzung bewilligter neuer Zoll oder Weggeld 33 1/3;
Tessin. Kantonalzoll und Weggeld 24 Rp.;
Von der Tagsatzung bewilligter neuer Zoll oder Weggeld: 33 1/3;
Zölle und Weggelder: Rp. 138 1/3.
Hiebei sind die eidgenössischen Eingangszölle, je nach Beschaffenheit der Waaren, 10 oder 20 Rp. für den Zentner, nicht inbegriffen.
B. Kaufhaus- und andere Gebühren
Basel. Kaufhausgebühren 12 ½ Rp.
Luzern. Kaufhausgebühren 12 ½ Rp.
Uri. Kaufhausgebühren 12 ½ Rp.; Schirmhausgeld 1 ¼ Rp.; Schneebruchgebühr 2 ½ Rp.
Tessin. Kaufhausgebühren 12 ½ Rp.; Schirmhausgeld 1 ¼ Rp.; Schneebruchgebühr 2 ½ Rp.
Die Schneebruchgebühr wird nur vom 1. Wintermonat bis zum 15. Brachmonat bezogen.
Die Kaufhaus- und Bestätergebühren, bestehend in 7 ½ Rappen Auf- und 5 Rappen Abladgebühr, dürfen von der Ladung in einem Kanton nur einmal und zwar nur, wenn ein Auf- oder Abladen wirklich stattfindet, bezogen werden.
Sollte jedoch wegen vermutheter Zolldefraudation in irgend einem Kanton eine sonstige Verifikation der Ladung statthaben, die sich jedoch nur auf das Gewicht beziehen darf, so hat das Zollamt, welches diese außergewöhnliche Verifikation vornimmt, die Kosten sowohl des Auf- und Abladens, als auch des Abwägens zu tragen, falls sich keine Defraudation ergiebt.
C. Als Maximum der reinen Fracht auf den Zentner oder 50 Kilogramme.
Von Basel nach Luzern 95 Rp.
Ueber den Vierwaldstätter-See 10 Rp.
Durch den Kanton Uri 84 Rp.
Durch den Kanton Tessin
a) Von dem Hospitium bis Magadino 103 ½ Rp.
b) Von dem Hospitium bis Chiasso 155 ¼ Rp.
Maximum der Fracht:
Von Basel bis Magadino: Rp. 292 ½;
Von Basel bis Chiasso: Rp. 344 ½;
D. Als Maximum der Speditionsprovision vom Zentner oder 50 Kilogrammen. Im Kanton Basel 15 Rp.
Im Kanton Luzern 15 Rp.
Im Kanton Uri 15 Rp.
Im Kanton Tessin 15 Rp.
Maximum der Speditionsprovision: Rp. 60
Das Maximum der in diesem §. aufgezählten Transitgebühren, seyen sie Zölle, Weggelder, Kaufhaus- und andere Gebühren, Frachten und Speditionsgebühren, darf unter keinem Vorwande überschritten, so wie auch gar keine andern Gebühren, welchen Namens sie seyn mögen, von dem Transitguts dürfen bezogen werden.
§. 8. Die Zölle und Weggelder werden nach dem in den authentischen Ladkarten enthaltenen Gewichte sammethaft an einer einzigen Zollstätte des Kantons, sey es am Ein- oder Ausgange eines solchen — bezogen.
§. 9. Vorsätzliche oder durch Versehen begangene Zolldefraudationen der Fuhrleute oder Kaufleute, welche mit ihren Waaren reisen, werden von den Behörden und nach den Gesetzen des Kantons untersucht und bestraft, in dessen Gebiete der Fehlbare betreten wird.
§. 10. Die Bestrafung kann jedoch niemals in Sequestration oder Konfiskation der Waare bestehen, und die Fortführung der Ladung darf nur so lang aufgehalten werden, bis der Fehlbare für die muthmaßliche Buße Entschädigung und Kosten genügende Sicherheit geleistet hat.
§. 11. Andere schuldige Kaufleute, Speditoren, Wagmeifter, Kaufhaus- und Zollbeamten werden auf die Anzeige der Regierung, in deren Gebiet ihr Vergehen entdeckt oder untersucht worden ist, von den Behörden und nach den Gesetzen ihres Wohnorts bestraft.
§. 12. Andern Kantonen bleibt der Zutritt zu diesem Konkordate mit Zustimmung der konkordirenden Kantone offen.
§. 13. Gegenwärtige Uebereinkunft, welche mit dem ersten Jänner 1888 in volle Kraft tritt, soll, außerordentliche Zeitverhältnisse und daherige gemeinschaftliche Abänderungen von Seite der konkordirenden Kantone vorbehalten, von dort an sechs Jahre lang unverbrüchlich fortdauern.
Die Kantone werden sich mit dem eintretenden sechsten Jahre über Abänderung, Fortdauer oder Aufhebung derselben verständigen.
§. 14. Die konkordirenden Kantone übertragen der Regierung des Kantons Luzern das Recht und die Pflicht, über die getreue Vollziehung dieser Uebereinkunft sorgfältig zu wachen, und wo sich Beschwerden über Verletzung derselben ergeben sollten, den betreffenden Kanton vorerst an seine vertragsgemäße Pflicht zu erinnern, fruchtlosen Falles aber die übrigen konkordirenden Kantone zur geeigneten wirksamen Handhabung dieser Uebereinkunft anzurufen und die übereingekommenen Maßregeln auszuführen.
Da sich der vortheilhafte Einfluß, der aus der Anerkennung des Grundsatzes der freien Konkurrenz hervorgegangenen Einrichtungen auf die Vermehrung des Transits während der Probezeit von drei Jahren dargethan hat, indem seither Gattungen von Waaren, welche vom St. Golthardspasse zum Theil oder ganz verschwunden waren, denselben in großen Quantum durchziehen und die Einnahme der Zölle ihrer Herabsetzung ungeachtet um sehr bedeutende Summen höher als die frühern heranstiegen, so wurde, das daherige Gutachten des w. w. Landrathes bestätigend, erkennt:
Die Dauer der freien Konkurrenz im Speditions- und Fuhrwesen zu Lande und der Fortbestand der gegenwärtigen Zolltarife (Letzteres jedoch unter Vorbehalt der Genehmigung der h. Bezirksgemeinden) soll auf künftige sechs Jahre verlängert, und der w. w. Landrath mit der erforderlichen Vollziehung, Leitung und Aufsicht beauftragt seyn.
Nachdem, in Folge der mit den übrigen konkordirenden Ständen stattgehabten Konferenz-Verhandlungen, die h. Kantons-Landsgemeinde die Herabsetzung der alten Zölle, so wie sie vor drey Jahren erkennt wurde, neuerdings beschlossen und unter Vorbehalt der Genehmigung der l. Bezirksgemeinden, für nächstkünftige sechs Jahre beschlossen hat; so wurde nun auch Namens des Bezirks Ury dieser h. Landsgemeindeschluß bestätigend, erkennt: Es soll die Herabsetzung der alten Zölle und der daherige Fortbestand des seit drei Jahren bestehenden Tarifs auf neue sechs Jahre anerkennt und zugegeben seyn, doch mit Vorbehalt der Konvenienz gegen den Bezirk Ursern, wenn dieser nicht ein Gleiches thun sollte.»
Quelle:
LG 7.5.1837, NG 15.5.1837; LB UR 1842 Bd III, S. 90-99.
|
|
RECHTSAMMLUNGEN
ABKÜRZUNGEN
LG = Landsgemeinde
eLG = Extra-Landsgemeinde
NG = Nachgemeinde
LR = Landrat
RA = Rat
WR = Wochenrat
AR = Allmendrat
|