Gesetzesbestimmungen
Reglement für das Polizeikorps des Kantons Uri
LB UR (1901) Bd 02, S. 054-072
/
Samstag, 1. Februar 1890
«Der Regierungsrath, in weiterer Ausführung von Art. 8 der landräthlichen Verordnung betreffend das Polizeikorps des Kantons Uri, vom 28. Dezember 1888, auf den Antrag der Polizeidirektion,
beschließt:
I. Organisation.
§ 1.
Das Polizeikorps des Kantons Uri besteht aus 1 Chef,
1 bis 2 Unteroffizieren, und 9 bis 10 Soldaten,
Total zwölf Polizisten,
welche in außerordentlichen Fällen vorübergehend noch verstärkt werden können.
Das Polizeikorps wird je nach Bedürfniß auf folgende neun Stationskreise vertheilt:
1. Altdorf, Attinghausen und Schattdorf;
2. Andermatt, Hospenthal und Realp;
3. Göschenen;
4. Wassen, Meyen und Gurtnellen bis Jnschi;
5. Silenen mit Maderanerthal, Amsteg und Jnschi;
6. Erstfeld;
7. Spiringen mit Ennetmärcht, Bürglen und Unterschächen;
8. Flüelen, Seedorf und Sisikon;
9. Seelisberg, Bauen und Isenthal.
Der Regierungsrath ist jedoch berechtigt, je nach Umständen jederzeit eine Abänderung obiger Stationseintheilung vorzunehmen; ebenso steht es der Polizeidirektion frei, die Polizisten zeitweilig auch auf andere Touren außer ihren Stationskreis zu beordern.
II. Wahl.
§ 2.
Die Wahl der Polizisten und deren Gradirung erfolgt nach vorausgegangener Konkurrenzausschreibung und Prüfung der Aspiranten auf Vorschlag der Polizeidirektion durch den Regierungsrath auf die Dauer von vier Jahren.
Der Regierungsrath bestimmt bei diesem Anlasse auch den Stationskreis; es steht ihm jedoch frei, je nach Bedürfniß und Zweckmäßigkeit jederzeit einen Stationswechsel der Polizisten eintreten zu lassen.
Ein Stationswechsel kann provisorisch auch von der Polizeidirektion angeordnet werden.
III. Entlassung.
§ 3.
Die Entlassung vom Korps findet statt infolge:
a) Nichtwiederwahl nach abgelaufener Amtsdauer;
b) Aufkündigung ab Seite der Korpsangehörigen;
c) Verfügung des Regierungsrathes.
§ 4.
Die Nichtwiederwahl und Entlassung infolge mangelhafter Erfüllung der Dienstpflichten und Untauglichkeit begründet keinen Anspruch auf Entschädigung.
§ 5.
Jeder Korpsangehörige ist berechtigt, auf eine monatliche Kündigung hin, welche schriftlich zu geschehen hat, je auf den letzten Tag eines Monats aus dem Korps auszutreten. Nichtbeachtung der Kündigungsfrist kann Disziplinarstrafe, unter Umständen auch gänzlichen oder theilweisen Verlust des Soldguthabens zur Folge haben.
IV. Besoldung..
§ 6.
Die Festsetzung der Besoldung des Polizeikorps steht dem Regierungsrathe zu und richtet sich nach den Verhältnissen und Dienstleistungen.
Die Besoldung besteht aus dem bei der Wahl festzusetzenden Tagessold und den durch Dislokation oder vermehrten Dienst später allfällig eintretenden Aufbesserungen.
Außerdem sind die Polizisten noch berechtigt zu beziehen:
a) die durch Gesetze und Verordnungen ihnen zugesicherten Klägerlöhne;
b) eine angemessene Provision von den ihnen zum Einzug übergebenen und wirklich einkassirten Bußen ;
c) eine Gebühr von Fr. 1 für jede ihnen anbefohlene oder auch nachher gutgeheißene Arrestation;
d) eine billige Vergütung für gelieferte Arrestantenverpflegung ;
e) Soldzulage von Fr. 2 für einen ganzen Tag (vier und mehr Stunden) und von Fr. 1 für einen halben Tag (weniger als vier aber mehr als eine Stunde) für dienstliche Verrichtungen außer dem betreffenden Stationskreis, sowie für Transporte von Arrestanten außer denselben; mit Ausnahme von internationalen und solchen Transporten, für welche eine Rückvergütung der Kosten stattfindet. Für diese letzter» Transporte darf eine Gebühr analog derjenigen anderer Kantone berechnet werden.
§ 7.
Für Entdeckung eines verheimlicht gebliebenen Verbrechens, auch wenn die Haftnahme oder Ausmittelung des Thäters nicht erfolgte, wird den Polizisten eine Prämie von Fr. 10 bis Fr. 100 ausgesetzt. Ueberdies wird der Regierungsrath für außerordentliche, mit Erfolg begleitete Dienstleistungen denselben noch Prämien bis auf Fr. 50 verabfolgen.
§ 8.
Allfällige dienstliche Fahrkosten, Telegramme, Porti etc. werden den Polizisten vom Staate rückvergütet.
V. Bekleidung und Ausrüstung.
§ 9.
Der Staat liefert je nach Bedürfniß die Bekleidung und Ausrüstung des Polizeikorps.
Dieselbe besteht per Mann aus:
1 Filzkäppi mit Pompon und Cocarde in Kantonsfarben, 1 dunkelgrünen Polizeimütze,
1 Waffenrock von dunkelgrünem Tuch, mit gelbem Vorstoß und einer Reihe gelber Knöpfe,
1 Paar Beinkleider von gleichem dunkelgrünem Tuch,
1 Paar Beinkleider von grauem Tuch,
1 Kaput von grauem Kaputtuch,
1 Gewehr,
1 Revolver mit Tasche,
1 Säbel sammt Kuppel,
Munition und Schließzeug.
§ 10.
Die Erneuerung dieser Gegenstände findet in folgender Weise statt:
a) alljährlich: 1 Polizeimütze, 2 Paar Beinkleider;
b) alle zwei Jahre in der Regel: 1 Waffenrock ;
c) alle vier Jahre: 1 Kaput.
Die Gradauszeichnungen, nach eidgen. Ordonnanz für die Scharfschützen, werden ebenfalls vom Staate geliefert und mit den betreffenden Bekleidungsstücken auch erneuert.
§ 11.
Die Polizisten sorgen für gute und reinliche Aufbewahrung ihrer Kleider, Waffen und Ausrüstung. Für aus Muthwillen oder Fahrlässigkeit entstandene Schäden sind sie ersatzpflichtig, wofür ihr Sold haftet.
Beim Dienstaustritt ist vor der Auszahlung eine Bescheinigung über richtige Ablieferung sämmtlicher Effekten vorzulegen.
VI. Aussicht.
§ 12.
Das Polizeikorps steht unter Aufsicht und Leitung der Polizeidirektion und des Polizeichefs.
Außerhalb des Hauptortes hat es auch dienstlichen Aufträgen und Anordnungen der Gemeindspräsidenten, unter Berichtgabe an die Polizeidirektion, Folge zu geben.
§ 13.
Der Polizeichef, in Altdorf stationirt, ist zugleich Chef der dortigen Polizeiwache. Er leitet und überwacht unter der Oberaufsicht der Polizeidirektion den ordentlichen Dienst der Polizeiposten im Kanton. Er kontrolirt das Transportwesen, fertigt die Transportbefehle aus, besorgt die Einsendungen in die Fahndungsblätter, führt die Kontrolle über die gerichtlichen Strafurtheile, die Untersuchungsgefangenen und die Jnsaßen der Strafanstalt. —- Der Polizeichef hat für die gerichtliche Vorführung und Abführung der Delinquenten und Untersuchungsgefangenen zu sorgen und soweit thunlich unmittelbar nach der Ausfüllung des Strafurtheils der Polizeidirektion von dessen Inhalt Kenntniß zu geben.
Der Polizeichef kann von der Polizeidirektion zur Führung von Voruntersuchen, für Entgegennahme von Beschwerden und Mittheilungen, sowie für schriftliche Arbeiten, Korrespondenzen, Kontrolführung etc. verwendet werden.
Dem Polizeichef wird auch die staatliche Kontrolle bei der Dynamitfabrik an der Jsleten übertragen, gemäß dem vom Regierungsrathe unterm 9. November 1877 erlassenen Reglement.
Ueberdies können dem Polizeichef noch weitere Aufträge und Funktionen polizeilicher Natur Überbunden werden.
Der Polizeichef hat sich gemäß erhaltener Weisung von Zeit zu Zeit bei der Polizeidirektion einzufinden, derselben über Alles, was den Dienst betrifft, Mittheilung zu machen und deren Befehle und Aufträge entgegenzunehmen und zu vollziehen. Er hat derselben auch jeweilen über die Vollziehung der erhaltenen Befehle Bericht zu erstatten.
Er steht der Polizeidirektion Tag und Nacht zur Verfügung und erstattet ihr über alle wichtigen Begebenheiten schriftlichen Rapport.
Er hat dafür zu sorgen, daß abwechselnd einer der in Altdorf stationirten Polizisten auf der Ankenwaage übernachtet und auch während des Tages in der Regel auf der Polizeiwache daselbst zu treffen ist.
§ 14.
Der Polizeichef ist der zunächst Vorgesetzte der Polizisten und hat als solcher nicht nur die Dienstpflichten genau zu kennen und pünktlich zu erfüllen, sondern auch seine Untergebenen über den Polizeidienst (Fahndungs- und Rapport- Wesen, Rundgänge, Wachtdienst etc.) und den Gebrauch der Waffen zu belehren, sowie deren Dienstverrichtungen zu beaufsichtigen. Er darf jedoch denselben keine verbindliche Weisungen ertheilen ohne Vorwissen und Genehmigung der Polizeidirektion.
Alle Aufträge und Befehle der Vorgesetzten sind persönlich, pünktlich und gewissenhaft zu vollziehen; über die Ausführung derselben ist dem Auftraggeber jeweilen ungesäumt Rapport zu erstatten.
VII. Pflichten.
a. Im Allgemeinen.
§ 15.
Das Polizeikorps hat die Aufgabe, in Handhabung der Gesetze und Verordnungen, sowie der öffentlichen Ruhe und Sicherheit, Personen und Eigenthum zu schützen, Verbrechen, Vergehen und Gesetzesübertretungen zu verhüten und im Falle der Begehung der zuständigen Behörde zur Kenntniß zu bringen, deren Urheber zu entdecken und in vorgeschriebenen Fällen der Behörde zu überliefern bezw. anzuzeigen.
Diese Aufgabe erstreckt sich auf alle derzeit in Kraft bestehenden und inskünftig in Kraft tretenden Gesetze und Verordnungen, wie solche immer heißen mögen.
§ 16.
Die Polizisten sollen stets einer ordentlichen Erscheinung und guter Aufführung sich befleißen, strenge militärische Disziplin und Subordination beobachten, sich gegenseitig in Erfüllung der Berufspflichten unterstützen, ihren Dienst jederzeit mit Anstand und möglichster Schonung ausüben, gegen das Publikum anständig und zuvorkommend sich betragen, Jedermann bereitwilligst über dasjenige belehren, was gesetzlich oder unzulässig ist und den Umgang mit übel beleumdeten Personen ohne Vortheil für den Dienst thunlichst vermeiden.
§ 17.
Bei allen Diensthandlungen, Anzeigen und Berichterstattungen sollen die Polizisten genau, unparteiisch und gewissenhaft Verfahren, alle Anforderungen mit Ruhe und Bestimmtheit stellen, die erforderlichen Maßregeln mit Festigkeit und Ausdauer vollziehen und sich, sofern das Dienstinteresse es nicht erfordert, weder in Privatangelegenheiten mischen, noch gegenüber Privatpersonen über dienstliche Angelegenheiten Mittheilungen machen.
§ 18.
Die Polizisten sind verpflichtet, stets die Uniform und bei dienstlichen Verrichtungen auch das Seitengewehr zu tragen.
Auf Landungsplätzen, Bahnstationen, an Fremden- und Aufenthaltsorten, bei Volksversammlungen, an Märkten und bei Transporten erfolgt die Dienstausübung in der Regel in Uniform.
An allen Sonn- und Festtagen, sowie bei festlichen Anlässen haben die Polizisten in voller Dienstkleidung aufzutreten.
Bei ausnahmsweisen Dienstverrichtungen in Civilkleidung ist eine Legitimationskarte oder ein dienstliches Abzeichen mit sich zu führen. Bei gewöhnlichen Transporten ist Revolver und Schließzeug, bei Verfolgungen, gefährlichen Verhaftungen, sowie bei Transporten einzelner gefährlicher Verbrecher oder einer Mehrzahl von Transportanten das Gewehr mitzunehmen.
§ 19.
Die Polizisten dürfen ohne besondere Dienstgeschäfte oder Urlaub sich nicht aus ihrem Stationskreise entfernen und haben innerhalb desselben, so oft es nothwendig erscheint, wenigstens zweimal in der Woche zu Fuß eine Ronde zu machen, bei diesen Touren nicht nur Ortschaften und Landstraßen zu bereisen, sondern auch abgelegene Weiler und Höfe zu besuchen, besonders alle Lokalitäten, welche als Schlupfwinkel für Verbrecher und Vaganten dienen können, zu überwachen und über daherige Beobachtungen auch außer ihrem Stationskreis der Polizeidirektion Bericht zu erstatten.
Zur Kontrollirung solcher Touren haben die Polizisten von den betreffenden Gemeindspräsidenten hiefür bestimmte gedruckte Ausweiskarten in Empfang zu nehmen und alle Montage als Beilage zum Wochenberichte der Polizeidirektion einzusenden. — Infolge Aufhebung der Dorfjägerstelle in Bauen wird der Landjäger von Seelisberg angewiesen, seine Ronde nach Bauen drei Male wöchentlich zu machen.
Reg.- Rathsbeschluß vom 2. Januar 1892. V. B., S. 5.
§ 20.
Die gute, sichere und reinliche Erhaltung der Polizei- und Arrestantenlokale ist den Polizisten übertragen. Ihnen liegt auch die Bewachung und Verpflegung der Arrestanten ob.
§ 21.
Die Polizisten sind für beförderlichen Einzug der ihnen zum Inkasso übergebenen Geldbußen verantwortlich und haben auf Ende eines jeden Monats die eingezogenen Bußenbeträge an die Staatskassaverwaltung abzuliefern, beziehungsweise zu verrechnen.
b. In besondern Fällen.
§ 22.
Behufs Sicherung von Personen und Eigenthum ist es Pflicht der Polizisten, Handlungen, Vorfälle und Gegenstände zu überwachen, welche Leben, Gesundheit oder Eigenthum der Bürger zu verletzen drohen oder die freie und sichere Benutzung derselben hindern, z. B. nachlässiges Hantiren mit Feuer, feuergefährlichen Stoffen und Schießgewehren, unvorsichtiges Reiten, Fahren, Holzreisten, Oeffnen von Wasserbehältern, ungesetzliche Erstellung von Brücken und Stegen, Ruhestörungen, freies Umhergehen von Irrsinnigen, gefährliche Thiere, ansteckende Krankheiten u.s.w.
Bei Brandfällen haben sich die Polizisten unverzüglich auf die Brandstätte zu verfügen und die zur Entdeckung der Ursache und eventuell des Urhebers oder des Brandstifters geeigneten Erhebungen zu machen.
§ 23.
In Fällen, über welche besondere gesetzliche Vorschriften fehlen, wird der Polizist zuerst belehrend und warnend auf- treten. Wo jedoch unmittelbare Gefahr bevorsteht, hat er unverzüglich, wenn nöthig mit Hülfe und im Einverständniß der Ortsbehörden die erforderlichen Maßregeln zur Abwendung von Unglücksfällen zu ergreifen. Bei wirklich erfolgten Unglücksfällen ist für bestmögliche Hülfe zu sorgen und sind die zuständigen Behörden (Gemeinderath und Polizeidirektion) sofort zu benachrichtigen.
§ 24.
Zur Verhütung beziehungsweise Entdeckung von Verbrechen, Vergehen und Polizeiübertretungen hat der Polizist beständig, namentlich auf seinen regelmäßigen Diensttouren auf Alles zu achten, was die öffentliche Sicherheit betrifft. Besonders soll er sein Augenmerk richten auf entlassene Sträflinge, Hausirer, Thierführer, Komödianten, reisende Musikanten, Handwerksburschen, Bettler, Vaganten u.s.w. Es ist darauf zu achten, ob dieselben im Besitze richtiger, unverfälschter Reiseschriften seien und ob die Patente richtig gelöst, und nur mit berechtigten Waaren und von berechtigten Personen hausirt werde.
§ 25.
Ueber alle vorgefallenen Verbrechen und Vergehen hat der Polizist sofort der Polizeidirektion schriftlich oder mündlich und in dringenden Fällen telegraphisch Bericht zu erstatten. Fälle, die wegen Geringfügigkeit nicht durch Spezialrapport gemeldet werden, sind in den nächsten Wochenbericht aufzunehmen.
§ 26.
Ist ein Verbrechen oder Vergehen verübt worden und anzunehmen, daß dasselbe sichere Spuren hinterlassen habe, so soll sich der Polizist unverzüglich an den Thatort begeben und Alles zu erheben suchen, was zur Ausmittelung des Thatbestandes und des Thätcrs dienen kann. In Fällen, die eine Verhaftung des Thäters nothwendig machen, ist derselbe schleunigst zu inhaftiren bezw. zu verfolgen.
Raufereien und Schlägereien soll das Polizeicorps mit Vermeidung der Parteinahme und unnöthigen Aufsehens durch Aufforderung zur Ruhe, Wegnahme gefährlicher Instrumente u.s.f. thunlichst zu verhüten suchen.
§ 27.
Jeden Sonn- und Festtag, und soweit nöthig auch an Werktagen, sollen die Polizisten behufs Handhabung der gesetzlichen Polizeistunde in den Ortschaften Abends 11 Uhr die erforderlichen Ronden machen, keinerlei Störung der Nachtruhe dulden, in Wirthschaften, wo noch Gäste anwesend sind, den Eintritt der Polizeistunde anzeigen und Fehlbare der Polizeidirektion zu Handen der Staatsanwaltschaft verzeigen.
Die Polizisten sind auch verpflichtet, auf Anordnung der Polizeidirektion ohne Anspruch auf Soldzulage zeitweilig Nachtdienst zu thun.
VIII. Verhaftungen.
§ 28.
Bezüglich der Verhaftungen und Hausdurchsuchungen gelten zunächst die Bestimmungen des Gesetzes über die Personenfreiheit vom 4. Mai 1851.
§ 29.
Personen, welche im Lande einen festen Wohnsitz haben, dürfen in der Regel ohne einen von kompetenter Behörde oder Amtsstelle ausgegangenen Verhaftsbefehl nicht verhaftet werden. Ausnahmen finden statt und es ist jeder Polizist verpflichtet, auch ohne speziellen Auftrag zu verhaften:
a) die wegen Verbrechen oder Vergehen Ausgeschriebenen oder steckbrieflich Verfolgten;
b) Personen, welche
1. ein Verbrechen in seiner Gegenwart verübt oder zu verüben versucht haben;
2. nach seiner eigenen Wahrnehmung oder nach Mittheilung glaubwürdiger Personen eines Verbrechens dringend verdächtig sind;
3. auf einer Polizeiübertretung betroffen werden oder der Aufforderung, von einer solchen abzustehen, keine Folge leisten, jedoch nur, sofern dieselben im Kanton keinen festen Wohnsitz haben oder sich über Name, Herkunft und Wohnort nicht ausweisen und nicht sofort für Buße und allfällige Kosten Kaution leisten;
c) die des Kantons Verwiesenen, wenn sie vor Ablauf der Zeit der Verweisung das Gebiet des Kantons Uri wieder betreten ;
d) entwichene Gefangene;
e) unbefugte Steuersammler, Bettler und Vaganten;
f) diejenigen, welche sich an bedeutenden Ruhestörungen oder schweren Raufhändeln betheiligt haben;
g) Personen, welche durch Trunkenheit oder Unsittlichkeit öffentliches Aergerniß erregen;
h) Personen, welche sich der Polizei in der Ausübung ihres Dienstes thätlich widersetzen.
§ 30.
Der Polizist soll den zu Verhaftenden unter Vorweisung des Haftbefehles, oder wo die Verhaftung auf Grund des § 29 vorgenommen wird unter Mittheilung der amtlichen Eigenschaft, in welcher er handelt, auffordern, Folge zu leisten. Gehorcht der Aufgeforderte, so ist keine unnöthige Strenge gegen ihn anzuwenden. Im entgegengesetzten Fall ist der Polizist berechtigt, Gewalt zu gebrauchen und hiefür nöthigenfalls auch die Hülfe der anwesenden Bürger in Anspruch zu nehmen.
Im Uebrigen soll der Polizist bei Verhaftungen entschieden, aber ruhig auftreten, selbst dann, wenn er beleidigt worden sein sollte. Jedes unnöthige Aufsehen ist zu vermeiden.
§ 31.
Verhaftete sind mit Schonung zu behandeln, gegen Beleidigungen oder thätliche Angriffe jeder Art zu schützen. Auch sind sie strenge zu bewachen und es ist zu verhindern, daß sie mit andern Personen auf irgend eine Weise verkehren oder sprechen, wodurch der Zweck der Verhaftung und Untersuchung vereitelt oder beeinträchtigt werden könnte.
§ 32.
Dem Verhafteten sind sofort alle Gegenstände, die er bei sich trägt (mit Ausnahme der nöthigen Kleider) abzunehmen, zu verzeichnen und der Behörde zur Aufbewahrung zu übergeben; das Entfernen oder Vernichten von Gegenständen, die mit dem Vergehen in Beziehung stehen könnten, ist zu verhindern. Zur Durchsuchung von weiblichen Arrestanten ist eine zuverlässige Frauensperson beizuziehen. In keinem Fall darf ein Polizist eine Weibsperson selbst durchsuchen.
§ 33.
Von jeder Verhaftung ist der Polizeidirektion sofort durch Spezialrapport Anzeige zu machen. Der Verhaftete selbst soll, wofern seine Entlassung innert zwölf Stunden voraussichtlich nicht erwirkt wird, ohne Verzug der zuständigen Behörde zugeführt werden. Verhaftungen außerhalb des Kantons dürfen nur mit vorheriger Bewilligung der zuständigen auswärtigen Behörde vorgenommen werden.
IX. Hausdurchsuchungen.
§ 34.
Hausdurchsuchungen, wenn nicht dringende Gefahr im Verzuge ist, sollen gegen den Willen des Bewohners nur auf Verfügung der zuständigen Vorgesetzten vorgenommen werden.
Ausnahmen sind statthaft:
a) wenn erhebliche Anzeichen eines Verbrechens oder schweren Polizeivergehens gegen ihn vorliegen oder er eines solchen geständig oder darum ausgeschrieben und die Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, daß er sich im Hause befinde;
b) wenn Entweichung, Verabredung mit Mitschuldigen, Vernichtung der Spuren und Beweismittel oder überhaupt Verdunklung der Wahrheit und Erschwerung der Untersuchung zu befürchten ist.
X. Transporte.
§ 35.
Alle Transporte von Arrestanten und Gefangenen sind auf Grund eines Transportbefehles durch die Polizisten persönlich und wo möglich immer bei Tageszeit vorzunehmen.
Der Arrestant ist jedesmal bei der Uebernahme zu visitiren, wobei Waffen, Instrumente und anderes Verdächtiges abgenommen und in Verwahrung gebracht werden soll. Sodann soll sich der Polizist Gewißheit verschaffen, ob die im Transportbefehl genannten Gegenstände wirklich vorhanden und richtig verzeichnet sind, eventuell ist Reklamation zu erheben. Gegenstände, die den Polizisten auf dem Transporte zu sehr belästigen, sind auf andere Weise an den Bestimmungsort zu spediren. In keinem Falle dürfen einem Gefangenen, der irgend eines Verbrechens oder Vergehens wegen transportirt wird, solche Gegenstände, welche ans das Vergehen Bezug haben, selbst zum Tragen übergeben werden.
§ 36.
Ob ein Transport zu Fuß, per Bahn, Schiff oder Fuhrwerk stattfinden soll, hat der den Transport anordnende Beamte zu bestimmen. Fahrtransporte erfolgen gegen Gutscheine, bei Transporten zu Fuß läßt der Polizist den Arrestanten 3 bis 4 Schritte vor sich hergehen, wobei ohne dringende Noth in Wirthshäusern nicht eingekehrt werden darf.
Wird der Arrestant unterwegs einer Erfrischung bedürftig, so ist ihm das Nöthigste unter Aufsicht zu verabreichen.
Wird die Fortsetzung des Marsches infolge Unwohlsein, Ermüdung oder hartnäckiger Widersetzlichkeit unterbrochen, so ist ein Fuhrwerk zu miethen.
§ 37.
Kein Polizist darf von einem Gefangenen Geld oder Gegenstände annehmen oder abhandeln, oder sich von ihm, unter welchem Namen es immer sein mag, etwas bezahlen oder schenken lassen.
§ 38.
Die richtige Ablieferung eines Arrestanten und allfälliger Gegenstände läßt sich der Polizist bescheinigen.
§ 39.
Entwichene sind so lange zu verfolgen, als einige Wahrscheinlichkeit für deren Wiedereinfang vorhanden ist.
XI. Gebrauch der Waffen.
§ 40.
Vorausgesetzt, daß nicht andere Mittel (Beihilfe dritter Personen u.s.f.) ausreichen, ist dem Polizisten unter vorgängiger Warnung, daß von der Waffe Gebrauch gemacht werde, die Anwendung derselben gestattet:
a) bei einem ernstlichen Angriff oder thätlichen Widerstand ab Seite eines Arrestanten sowohl gegen diesen selbst als auch gegen andere Personen, welche jenem behülflich sind;
b) bei Entweichung eines wegen Verbrechen transportirten Individuums;
c) bei der Flucht eines auf der That ertappten Verbrechers, jedoch unter vorgängiger Ankündigung seiner Verhaftung;
d) zur Vertheidigung seiner Person, sofern er an seinen Dienstverrichtungen rechtswidrig und gewaltthätig verhindert wird.
In den Fällen von lit. a und d sollen bei strenger Verantwortlichkeit die Grenzen der Nothwehr nicht überschritten werden.
Das Menschenleben ist in allen Fällen thunlichst zu schonen; auf entwichene Arrestanten, die blos wegen Bettel, Vagantität oder Polizeiübertretung verhaftet sind, darf nicht geschossen werden.
XII. Rapportwesen.
§ 41.
An Büchern und Kontrollen hat jeder Polizist zu führen:
a) ein Dienstbuch, in welches er täglich seine Dienstverrichtungen, sowie alle erheblichen Vorfälle polizeilicher Natur genau einträgt;
b) ein fortlaufendes Verzeichniß über sämmtliche Arrestationen unter Angabe von Ursache und Dauer der Arrestation;
c) ein Verzeichniß über die besorgten Transporte;
d) ein Rechenbuch über dienstliche Ausgaben und Einnahmen.
§ 42.
Rapporte sind zu erstatten:
a) Spezialrapporte: täglich über bedeutende Vorfälle und dringliche Geschäfte;
b) Wochenrapporte: je Montag Vormittags über die verflossene Woche, enthaltend eine Uebersicht sämmtlicher Dienstverrichtungen (Auszug aus dem Dienstbuche);
c) Quartalrapport: am Schlusse eines Quartals über alle dienstlichen Ausgaben und Einnahmen an die Polizeidirektion zur Einsichtnahme und Visum an die Staatskassa (Auszug aus dem Rechenbuch).
§ 43.
Der in Altdorf stationirte Polizeichef führt überdies unter Anleitung und unter Aufsicht der Polizeidirektion noch folgende besondere Kontrollen:
a) eine Kontrolle über die Bekleidung und Ausrüstung der Polizisten;
b) eine jährlich zu bereinigende Kontrolle über alle von den Polizisten ausgeführten Arrestationen, Transporte und Anzeigen, zusammengestellt aus den Quartalrapporten.
§ 44.
Jeder Polizist erhält das Amtsblatt des Kantons Uri und den Allgemeinen schweizerischen Polizeianzeiger gratis. Beide Blätter sind jahrgangsweise geordnet aufzubewahren.
§ 45.
Dieses Reglement tritt mit dein 1. Februar 1890 in Kraft.»
Quelle:
vom 28. Dezember 1889 und Abänderungen vom 2. Januar 1892, V. Band, S. 5, und 8. Januar 1898, V. Band, S. 2S1 und ff. Amtsblatt 1890 Nr. 3., nach S. 32 (S. 1-18).
|
|
RECHTSAMMLUNGEN
ABKÜRZUNGEN
LG = Landsgemeinde
eLG = Extra-Landsgemeinde
NG = Nachgemeinde
LR = Landrat
RA = Rat
WR = Wochenrat
AR = Allmendrat
|