Gesetzesbestimmungen
Konzession betreffend die Benützung der Gotthardreuss in Göschenen durch die Gotthardbahn.
LB UR Bd 01 (1892) S. 370-380.
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Samstag, 25. September 1875
«Die Eidgenössische Schätzungskommission der Gotthardbahn für den Kanton Uri, nämlich:
1. Herr Regierungsrath Max Franz in Maienfeld als 1. Ersatzmitglied für Herrn Präsident Gemsch,
2. Herr Nationalrath Wapf in Luzern,
3. Herr Regierungsrath Danioth in Andermatt,
und
H. Hertlin als Aktuar, hat in Sachen
der Tit. Direktion der Gotthardbahn, vertreten durch Herrn Fürsprech Dula und Herrn Sektions-Ingenieur Metzger,
und
des Tit. Bezirksrathes von Uri, repräsentirt durch die Bevollmächtigten :
Herrn Bezirkssäkelmeister Jos. Jauch und Herrn Regierungsrath Karl Muheim in Altdorf, betreffend Forderung aus Expropriation;
nachdem sich bei der am 12. August 1878 vorgenommenen Localbesichtigung, aus den folgenden Parteiverhandlungen sowie aus den eingelegten Acten und Plänen ergibt:
A. Mit Schreiben vom 23. Juni 1878 verlangt die Direktion der Gotthardbahn die Anordnung des Schätzungs- Verfahrens gegen den Bezirksrath von Uri, indem sie anführt:
ʺDie Unternehmung der Gotthardbahn bedarf für den Bau und Betrieb des grossen Gotthardtunnels die Wasserkraft der Gotthardreuss in der Umgebung des nördlichen Tunnel-Einganges in Göschenen. Die bezüglichen Verhandlungen mit dem Bezirksrathe von Uri, welchen der Regierungsrath des Kt. Uri als die in Sachen zuständige Stelle bezeichnet hat, über die Grösse der daherigen Entschädigung, sind erfolglos geblieben und ersucht darum der genannte Bezirksrath um die Herbeiführung einer Schätzung der abzutretenden Rechte; " —
als zu erwerbende Rechte sind bezeichnet:
a. Benutzung der Wasserkraft der Gotthardreuss vom Punkt A des Planes II. — Einlauf der oberen Wasserleitung in Göschenen — bis Punkt B, des Planes I. — Einlauf der Göschenen- in die Gotthardreuss; —
b. Recht der Anbringung der zwei Wasserleitungen; — das Ganze auf die Dauer von 99 Jahren;
B. in ihrem Schreiben vom 24. Juni 1873 an die Regierung des Kt. Uri gerichtet, umschreibt die Direktion der Gotthardbahn ihre Ansprache in folgender Weise:
ʺZum Behufe der Luftkompression für den Betrieb den Bohrmaschinen im Gotthardtunnel, für die Ventilation desselben während des Baues und möglicherweise auch während des Betriebes, sowie als bewegende Kraft für die Arbeitsmaschinen der Reparaturwerkstätte, bedürfe die Gotthardbahngesellschaft die Wasserkraft der Gotthardreuss;
Das der Gotthardreuss entnommene Wasser müsse dem Installationsplatze an der nördlichen Mündung des Gotthardtunnels bei Göschenen mittelst der im Plane bezeichnten 2. Leitung zugeführt werden."
„Das Hauptwasserquantum werde am rechten Ufer der Gotthardreuss, an der im Plane mit a bezeichneten Stelle durch eine Wehranlage in der gezeichneten Form gefasst. Diese Wehranlage habe ihren Wassereinlauf beim Punkt a, bei b und c seien in derselben Schützen angebracht, von denen diejenige bei b die Einlassschütze, diejenige bei c die Ablassschütze sei, die Seite d, e bilde bei höherem Wasserstande den Ueberfall in den eigentlichen Flusslauf. Von der Einlassschütze b aus werde das benöthlgte Wasser in einem gemauerten und gedeckten Kanale von 0,9 Meter Breite, 1 Meter Höhe und 133 Meter Länge in die Filterkammer bei f geführt, nachdem es diese Filterkammer passirt, trete es in eine 396 Meter lange und 0,85 Meter im Durchmesser haltende Röhrenleitung und werde in derselben nach Uebersetzung der Kantons-Strasse auf der rechten Strassenseite neben der Strasse zum Punkt g geführt, hier theilesich die Rohrenleitung in zwei Stränge von 0,6 Meter Durchmesser und nachdem das Wasser diese beiden Stränge, deren jeder 13,8 Meter lang sei, passirt habe, trete dasselbe in das im Plane bezeichnete Turbinengebäude und fliesse, nachdem es die dort befindlichen 4 Luftcompressionsturbinen in Bewegung gesetzt, durch einen gemauerten und gewölbten Kanal von 1,5 Meter Breite, 1 Meter Höhe und 30 Meter Länge beim Punkt h wieder in die Gotthardreuss;
Die Gesammtlänge dieser Leitung betrage 949,5 Meter und die Höhendifferenz von der Einmündung der Wasserleitung beim Wehr, bis zu ihrem Wiedereintritt in die Gotthardreuss 103,4 Meter.
Die zweite Wasserleitung, welche das zum Betriebe der Arbeitsmaschinen in den Werkstätten nöthige Wasser dem Bauplatze zuführe, beginne am linken Ufer der Gotthardreuss an der im Plane mit i bezeichneten Stelle. Das Wasser trete bei dieser Leitung aus der Gotthardreuss zuerst in einen gemauerten und gedeckten Kanal von 0,5 Meter Breite, 0,5 Meter Höhe und 62 Meter Länge, beim Punkt k schliesse sich dieser gemauerte Kanal an eine eiserne Röhrenleitung von 0,35 Meter Durchmesser an. Falls mehr Wasser in den gemauerten Kanal eintrete als die Röhrenleitung aufnehmen könne, fliesse dasselbe über einen beim Punkt k angebrachten Ueberfall in das Flussbett ab. Bei k übersetze die eiserne Röhrenleitung mit Zuhilfenahme der Unterstützungssäule 1 die Gotthardreuss in einer Länge von 15 Meter; am andern Ufer angekommen, wende sich dieselbe in einem Bogen in eine, dem Flusslaufe der Gotthardreuss parallele Richtung und gehe am rechten Ufer derselben entlang nach Uebersetzung der Kantonsstrasse bei in bis zum Punkte n, von wo sie sich zwischen den Maschinen- und Werkstättengebäude hindurch und später an der Rückseite des letztern fortgehend an die Turbinenkammer bei o anschliesse. Die Gesammtlänge der eisernen Röhrenleitung von 0,35 Meter Durchmesser betrage 434 Meter. Nachdem das Wasser die Werkstättenturbine in Bewegung gesetzt, trete es in einem gemauerten und gedeckten Kanal von 0,8 Meter Breite, 0,3 Meter Höhe und 40 Meter Länge beim Punkte x wieder in die Gotthardreuss.
Diese Wasserleitung habe eine Gesammtlänge von ihrem Einlauf bis zu ihrer Wiedervereinigung mit der Gotthardreuss von 545 Meter. Die Höhendifferenz zwischen Ein- und Auslauf betrage 40,5 Meter.
Zur Entnahme des für die Speisung der Wasserwerksanlagen nöthigen Wassers, bedürfe die Gotthardbahn das Recht die Wasserkraft der Gotthardreuss in der bezeichnten Ausdehnung ausschliesslich zu benutzen, die Leitungen streckenweise längs oberhalb der Kantonsstrasse zu führen und die Letztere an zwei Stellen mit den Leitungen zu durchscheiden.
C. Die baulichen Einrichtungen für die Fassung des Wassers und die Leitungen sind nach dem in Fact. B näher bezeichneten Umfange bereits erstellt und in Betrieb gesetzt;
es werden für die Gesammt-Einrichtung von dem Boden der Bezirksgemeinde Uri nach dem vorliegenden Flächenverzeichniss die folgenden Partien berührt:
1. 1043 Quadrat-Meter Allmend-Weide für Erstellung des gemauerten Kanals der Filterkammer nebst Abfluss aus Nebenfall und Leerlaufschütze und des gemauerten Unterbaues der Röhrenleitung bis zur Landstrasse;
2. 464 Quadrat-Meter Allmend-Weide, Steingeröll, offene Durchführung der Röhrenleitung theils in einem leichten Einschnitt, theils auf gemauertem Unterbau;
3. 265 Quadrat-Meter Allmend-Weide, Durchführung der offen, auf gemauertem Unterbau erstellten Röhrenleitung;
4. 223 Quadrat-Meter Allmend, werthloses Geröll und Felsen; theils offene, theils unterirdische Durchführung der Röhrenleitung von der Kantonsstrasse bis zur Uebersetzung der Reuss;
5. 675 Quadrat-Meter Kies und Geröll, Bank am Reuss-Ufer; Anlage des Sammelbassins, der gemauerten Wasserleitung und der Filterkammer;
6. 785 Quadrat-Meter Allmend-Weide und Geröll für die untere Leitung.
3459 Quadrat-Meter im Ganzen,
D. mit Schreiben vom 18. August 1874 erklärt der engere Bezirksrath von Uri, unter Vorbehalt der Genehmigung des grösseren Bezirksrathes, dass derselbe geneigt sei, dem Konzessionsgesuch auf die gewünschte Dauer von 99 Jahren zu entsprechen gegen eine jährliche Abgabe an die Bezirkskasse von Fr. 3,000;
In dieser Taxe werde als inbegriffen erachtet, alle und jede Entschädigung für die Durchführung der beiden Wasserleitungen, für die Landabtretung, für die Erstellung der Filterkammer, des Sammelbassins, eines kleinen Werkzeugschuppens und so weiter;
E. nach den auf dem Lokale und bei den Verhandlungen gemachten Angaben sind gegenwärtig nach den bestehenden Einrichtungen benutzt:
für die obere Leitung:
1,360 Pferdekräfte (theoretische) oder
680 effektive Kräfte;
für die untere Leitung:
56 (theoretische) oder
28 effektive Kräfte;
Die geringste Wassermasse innert drei Jahren hat die Gotthardbahn 5 Kubikmeter per Sekunde gefunden; die Vertreter des Bezirkes Uri glauben den niederen Stand auf bloss 2 ½ Kubik-Meter per Sekunde setzen zu dürfen;
F. bei der Lokalbesichtigung und Verhandlung verlangen die Vertreter des Bezirkes Uri, dass das Konzessionsbegehren der Gotthardbahn beschränkt werde auf den Umfang der nach gegenwärtig bestehenden Einrichtungen benutzbaren Wasserkraft; indem sich der Bezirk Uri Vorbehalte, über die weitere Verwendung des Wassers zu verfügen, wobei bemerkt wird, dass die Gemeinde Göschenen für die Einrichtung von Hydranten das Wasser der Gotthardreuss bereits beanspruche; in jedem Falle würde für die Gemeinde Göschenen das Trinkwasser vorbehalten ;
für die Benutzung der Wasserrechte nach gegenwärtig bestehendem Umfange verlangen die Vertreter von Uri Ausmittlung der Entschädigung nach Pferdekräften und Bestimmung einer Konzessionsgebühr nach diesem Massstabe, in der Meinung, dass die Zinspflicht vom 8. März 1873 hinweg zu laufen beginne, indem mit jenem Datum die Bewilligung zur Benutzung ertheilt worden sei;
auf Verzinsung der rückständigen Entschädigungssumme wird ausdrücklich verzichtet; Vorbehalten werden dagegen die bestehenden Uebergänge über die Leitungen;
für die Bodenabtretung wird verlangt per Quadratklafter gleich 36 Quadratfuss 1 ½ Franken;
G. die Vertretung der Gotthardbahn begehrt die Ausmittlung einer aversal-Entschädigung und beruft sich auf das Vorgehen der Regierung des Kt. Tessin, welche die Benutzung der Wasserkräfte des Tessin und der Tremola unentgeltlich gestattet habe, eventuell könne sich die Gotthardbahn auch einer Entschädigung nach Pferdekräften unterziehen, in der Meinung, dass bei allfällig später vermehrter Benutzung des Wassers nur eine proportionelle Erhöhung der Abgabe eintreten dürfe und immer unter dem Vorbehalte, die ganze Wasserkraft zwischen den angegebenen Punkten zu verwenden;
Der Beginn der Zinspflicht vom 8. März 1873 hinweg wird anerkennt; aus folgenden Gründen:
1) in ihrem ersten Konzessionsgesuch, datirt 24. Juni 1873 (Fact. B) verlangt die Unternehmung der Gotthardbahn einfach: das Recht zur Benutzung der Wasserkraft der Gotthardreuss;
zwischen den näher bezeichneten und durch Pläne und Einrichtungen festgestellten Punkten.
Der engere Bezirksrath von Uri fasst das Begehren in gleicher Weise auf, indem er in seiner Zuschrift vom 18. August 1874 sagt:
Konzession für Benutzung der Wasserkraft der Gotthardreuss, es ist darum von Anfang an von einer Beschränkung der Wasserkraft der Gotthardreuss nicht die Rede gewesen; die Betheiligten waren im Gegentheil darüber einig, dass die Konzession für die ganze Gotthardreuss nachgesucht und auch zugestanden worden sei;
wenn nun die bestehenden Einrichtungen einen Theil der Kräfte unbenutzt lassen, so ist damit nicht gesagt, dass im Verlauf der Bauzeit, oder für den Betrieb der Bahn eine Ausdehnung der Einrichtungen auf die Verwendung des ganzen Umfanges der Wasserkräfte sich nicht noch nachträglich als geboten erweisen könne;
die Gotthardbahn ist daher in ihrem Rechte als erste Konzessions-Ansprecherin, zu schützen und muss ihr die Möglichkeit der Ausdehnung ihrer diesfälligen Einrichtungen gewahrt bleiben;
dagegen erscheint als selbstverständlich, dass die Wasserkräfte ohne Einwilligung des konzedirenden Bezirkes Uri zu keinem anderen, als zu dem angegebenen Zwecke verwendet werden dürfen;
2) über den Werth der Wasserkräfte der Gotthardreuss darf gesagt werden, dass dieselben bei ihrem grossen Umfange mit verhältnitsmässig geringen Kosten nutzbar gemacht werden können, dass aber, ohne den Umstand, welcher die Verwendung erforderlich gemacht hat, schwerlich, weder früher noch später auf eine rationelle, umfassende Benutzung hätte gerechnet werden dürfen;
die Wasserrechtsgesetze der Kantone Luzern, Aargau und Zürich setzen den Wasserrechtszins per effektive Pferdekraft, welche benutzt wird, auf 1 bis 4 Fr. jährlich;
die grosse Wasserkraft der Reuss bei Perlen, ist für die einmalige Gebühr von 100 Fr. per Pferdekraft konzedirt worden;
die Kommission findet unter Rücksichtnahme auf die angeführten Verhältnisse die Bestimmung einer jährlichen Konzessions-Taxe für gerechtfertigt und bestimmt den Ansatz auf 2 Fr. 5O R. Per effektive Pferdekraft, welche benutzt wird;
3) die Ausmittlung des Umfanges der benutzten Kräfte wird dem gütlichen oder rechtlichen Abkommen der Parteien überlassen, weil die Anhaltspunkte gegenwärtig mangeln und weil als unschwer erscheint die Herstellung des richtigen Massstabes zu finden;
4) die 3459 Quadrat-Meter Bodenfläche, welche theils für die Erstellung von baulichen Einrichtungen verwendet sind, theils die Servitut der Leitungen zu übernehmen haben, sind Terrain, welches zum Theil ganz werthlos ist und zum übrigen Theil als geringes Weidland zu bezeichnen ist, dessen Ertrag sehr unbedeutend ist; die Entschädigung für diesen Punkt lässt sich nach dem Ermessen der Schätzungs-Kommission am richtigsten in einer aversal-Summe feststellen, und diese wird auf Fr. 700 angesetzt; beschlossen:
I.
Die Direktion der Gotthardbahn soll nach Artikel 43 des Bundesgesetzes vom 1. Mai 1850 an den engeren Bezirksrath von Uri in Altdorf, zu Handen der Bezirksgemeinde von Uri bezahlen:
a. 2 Fr. 50 R. für jede benutzte effektive Pferdekraft des Wassers der Gotthardreuss bei Göschenen gemäss der in Fact. B bezeichneten Einrichtungen;
b. für den Fall, dass die Unternehmung der Gotthardbahn sich veranlasst finden sollte, die Benutzung der Wasserkräfte der Gotthardreuss weiter auszudehnen, als die in Fact. B beschriebenen Einrichtungen gestatten, so entrichtet sie dafür die im I a bezeichnete Konzessionsgebühr;
c. für das zu den Einrichtungen und den Leitungen nach Fact. C in Anspruch zu nehmende Terrain, gemäss Erwägung 4, Fr. 700.
II.
Die Konzession für die Benutzung der Gotthardreuss bleibt dem Unternehmen der Gotthardbahn nöthigenfalls für die ganze verfügbare Wasserkraft gesichert, im Sinne von Erwägung 1 und unter dem ausdrücklichen Vorbehalte, dass die Wasserkräfte ausschliesslich für Bau und Betrieb des grossen Gotthardtunneles zu verwenden seien;
III.
Die Zinspflicht nach Disp. I a beginnt mit dem 8. März 1873 und soll die Ausmittlung des Umfanges der Entschädigungssumme nach Erwägung 3) stattfinden;
IV.
Mittheilung den Betheiligten gegen Empfangschein.
Actum Zürich, den 25. September 1875.
Im Namen der Eidg. Schätzungskommission,
Der Präsident: Max Franz.
Der Actuar: Hertlin.
Anmerkung. Gemäss Art. 11 der Verfassung vom 6. Mai 1888 ist die Reuss als Staatsgut erklärt worden. Rechte und Pflichten dieses Konzessionsaktes sind somit an den Kanton übergegangen.»
Quelle:
Entscheid der Eidgenössischen Schätzungskommission der Gotthardbahn vom 25.09.1875.
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RECHTSAMMLUNGEN
ABKÜRZUNGEN
LG = Landsgemeinde
eLG = Extra-Landsgemeinde
NG = Nachgemeinde
LR = Landrat
RA = Rat
WR = Wochenrat
AR = Allmendrat
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