Der Samichlausbrauch in Altdorf
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BLAUER SAMICHLAUS
Im Jahre 1929 entwarf der
Kunstmaler Heinrich Danioth das blaue Bischofsgewand, welches das
typische Kleid für den Altdorfer Samichlaus wurde. Blau ist keine
liturgische Farbe, und so glaubte man mit Chur, dem Sitz des Bischofs,
am wenigsten in Konflikt zu. Die
liturgischen Farben sind: Weiss für die Oster- und Weihnachtszeit, die
Feste des Herrn, Marias, der Engel und vieler Heiligen, die nicht Märtyrer
sind; Rot für den Palmsonntag, Karfreitag, Pfingsten, Kreuzerhöhung,
Apostel- und Märtyrertage; Grün für die Zeit im Jahreskreis; Violett
für die Adventsund Fastenzeit, in Messen für Verstorbene als
Alternative zu Schwarz; / Rosa an Gaudete
(3.
Advent) und Laetare (4. Fastensonntag). Zu festlichen Anlässen konnten
wertvolle Paramente verwendet werden, auch wenn sie nicht der Tagesfarbe
entsprachen.
SAMICHLAUSBRAUCH
DER SAMICHLAUS FÜR KINDER
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Der Altdorfer Samichlaus auf den Eggbergen
In Altdorf war bereits um 1900 aus privater Initiative eine Samichlausgruppe für die Kinderbescherung unterwegs. Danach stellte der
Samichlaus seine Aktivitäten für ein paar Jahre ein. Am 4. Dezember
1911 beschloss die «Nächstenliebe», die alte Sitte wiederum an die
Hand zu nehmen und am Samichlaustag eine Gruppe zu stellen. Zwei Tage später
besuchte der Samichlaus mit seinen drei Schmutzli und den beiden
Maultierführern im Dorfe jede Kinderstube. Dem Verein erwuchsen keine
grossen finanzielle Kosten, da einige Geschäftsleute die Bescherung mit
Esswaren und einige Familienväter mit «Fünflibern» unterstützten.
Die Kinder hatten ihre Freude und man wünschte, dass sich dieser Usus
jedes Jahr wiederholen werde. Der Samichlausbrauch sollte zum
Vereinszweck und zur Tradition werden.
Schmutzli
– seit 1911 in treuen Diensten.
1912 wurde beschlossen, den
Brauch in etwas grösserem Rahmen durchzuführen. Mittels Rundschreiben
wurde die Bevölkerung auf den Brauch hingewiesen und gleichzeitig um
Gaben für die Bescherung gebeten. Die eingegangenen Geschenkartikel und
Kleidungsstücke wurden im Magazin im «Höfli» gesammelt, sortiert und
in Pakete verteilt, anhand einer Liste nummeriert und den betreffenden
Klausgruppen zur Überreichung an arme Leute bestimmt. Die Ankunft des
Sankt Nikolaus wurde durch ein Telegramm im Amtsblatt mitgeteilt. Als
Bescherungstage waren Freitag bis Sonntag (6. bis 8. Dezember)
vorgesehen. Der Verein beschloss sodann, Klaus- und Schmutzlikostüme
anzufertigen. Am Freitag, abends um 6 Uhr, wurde mit dem «Klausnen»
begonnen. Voraus zogen die drei Gruppen Schmutzli, dann der Sankt
Nikolaus hoch zu Ross und der festlich dekorierte, mit einem Transparent
«Sankt Nikolaus» versehene Proviantwagen. Abends um 10 Uhr fanden sich
die Gruppen wieder im Magazin zurück. An den folgenden Tagen wurde die
Umgebung des Dorfes abgesucht und insgesamt 390 Familien besucht. Der
Wert der abgegebenen Utensilien soll den Betrag von 1000 Franken überstiegen
haben. Doch es folgten bald schlechte Zeiten, in Europa brach der Erste
Weltkrieg aus und zeigte auch in der Schweiz wirtschaftliche
Auswirkungen.
Während des Krieges konnte der Samichlausbrauch wegen der Teuerung
(1916) oder wegen der grassierenden Grippeepidemie (1918) nicht oder
dann nur in reduziertem Rahmen durchgeführt werden, und im
Samichlausbericht
wurde festgehalten: «Die Lebensmittel sind nicht erhältlich und an die
Mildtätigkeit des Publikums zu appellieren, traute man sich in dieser
teuren Zeit nicht, eingedenk, dass diese Quelle das ver flossene Jahr
hindurch mehr als genug in Anspruch genommen wurde.» Ein Gesuch um
finanzielle Unterstützung des Samichlausbrauches wurde von der Gemeinde
Altdorf abgelehnt.
1919,
nach dem Kriegsende, konnte die Bescherung im bisherigen Rahmen durchgeführt
werden. An der Weihnachtsversammlung 1919 wurde ein Alkoholverbot
angeregt. Das konnte jedoch laut Protokoll nicht gehandhabt werden, da
die Schmutzli eine ziemlich strenge Arbeit hätten und ihnen manch
heisser Schweisstropfen in den langen Bart rinne. Das mache Durst und
man sei froh, wenn einem dann und wann eine kleine Erfrischung geboten
werde. Unbedingt sollte aber darauf geachtet werden, sich nirgends länger
aufzuhalten als unbedingt nötig sei, damit die Bescherung sich rasch
abwickle. Nach beendigter Route sollte man sich vorerst der Klauskostüme
entledigen und erst dann sich irgendwohin begeben, um es gemütlich zu
haben. Denn wenn Schmutzli in ziemlich angeheitertem Zustande, was ja
auch vorkommen könne, herumbummeln würden, gebe es immer Anlass zu
mehr oder weniger berechtigten Bemerkungen und schlechten Witzen über
die schöne Veranstaltung.
Der
Altdorfer Samichlaus in den 1920er-Jahren.
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Der
Altdorfer Samichlaus erschien von Anfang als Bischof mit Mitra und Stab,
begleitet von vielen Schmutzli. An der Generalversammlung wurde jeweils
ein Mitglied als Sankt Nikolaus gewählt.
Der
blaue Samichlaus von Altdorf, Zeichnung von Heinrich Danioth, 1929.
Im Jahre 1929 entwarf der Kunstmaler Heinrich Danioth das blaue Bischofsgewand, welches das
typische Kleid für den Altdorfer Samichlaus wurde. Blau ist keine
liturgische Farbe, und so glaubte man mit Chur, dem Sitz des Bischofs,
am wenigsten in Konflikt zu kommen.
Die
1930er-Jahre waren wiederum geprägt von der Wirtschaftskrise, die
Samichlausbescherung war defizitär. Der Zweite Weltkrieg brachte
nochmals einen Teuerungsschub, die Bescherung konnte nur mehr in
kleinerem Rahmen durchgeführt werden. Der Samichlaus half in dieser
harten Zeit vielen Familien harte Not zu lindern, sei es mit warmen
Kleidern oder einem Proviantpaket. Die Kriegsjahre konnten dem Brauch
keinen Abbruch tun, im Gegenteil, die Motivation zur Durchführung
erhielt Aufwind. Jetzt erst recht! Der Samichlaus musste seinen Betrieb
nun ständig erweitern, drei Bischöfe taten ihren Dienst. In den
1950er-Jahren musste der Brauch wegen der Maul- und Klauenseuche und
wegen Diphtherie zweimal beschränkt werden. 1965 wurde schliesslich
beschlossen, dass jede Gruppe einen Bischof haben soll. Der Samichlaus
hatte Wirtschaftskrisen und Weltkriege überstanden, er war in Altdorf
zur Tradition geworden! Die Einkehr des Samichlaus in die Häuser und
die Bescherung der Kinder kennt man heute im ganzen Kanton.
Kindergärtner
mit selbst gebastelten Laternen.
Leuchtende Jubiläumslaterne.
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