Register der Volksfrömmigkeit
Esszettel, Fresszettel, Schluckbild
Schluckbildchen waren auf Papier gedruckte miniaturhafte Darstellungen der Muttergottes, von Heiligen oder Gnadenbildern. Meist gab es einen ganzen Papierbogen mit mehreren etwa briefmarkengrossen Schluckbildchen. Auf den Esszettelchen fanden sich im Gegensatz zu diesen bildlichen Schluckbildern nur Gebetstexte.
Die Schluckbildchen und Esszettelchen funktionierten ähnlich wie Schabfiguren. Bei Gefahr oder wenn ein Mensch oder ein Tier erkrankte, wurde ein einzelnes Bildchen (mit dem Abbild des für die Krankheit zuständigen Heiligen) oder ein Gebetstext aus dem Bogen geschnitten. Während man ein Gebet sprach oder den abgebildeten Heiligen anrief, wurde das Papier, unters Essen gemischt oder in Brot eingebacken, eingenommen. So nahm der Körper die Hilfe und der Schutz des abgebildeten Heiligen oder des Gebetstextes auf. Dem Vieh wurden solche Bilder aus der geistliche Apotheke unter das Futter gemischt.
Den Heilbrauch der Schluckbilder kannte schon die Antike. In karolingischen Quellen ist die Rede vom Verspeisen einer in Brot eingebackenen Heiligendarstellung. Es ist nicht klar, ob beim Verspeisen von Schluckbildchen an die Vorgänge beim Empfang der Hostie während der heiligen Kommunion gedacht wurde. Immerhin scheint man auf geistlicher S. eine Parallele gesehen zu haben.
Schluckbildchen oder Esszettel konnten an Wallfahrtsorten bogenweise erworben werden. Der Käufer war darauf bedacht, dass der Bogen von einem Geistlichen geweiht worden und nach Möglichkeit auch mit dem am Kaufort verehrten Gnadenbild in Berührung gekommen war. Die zu den Sakramentalien zählenden Schluckbildchen und Esszettel wurden als eine Art Medikament angesehen, denen durch den priesterlichen Segen grosse Kraft innewohnte. Noch 1903 billigte die römische Ritenkongregation die Verwendung der Schluckbildchen, allerdings unter dem Vorbehalt, dass sie nicht in abergläubischer Absicht eingenommen wurden. Damit lag der Gedanke nahe, dass die Kirche zumindest den Verdacht auf Magie nicht auszuschliessen vermochte, aber offensichtlich zu einem Kompromiss mit abergläubischen Praktiken bereit war.
Heute ist von dieser medizinischen Selbstversorgung nur noch der Begriff bekannt (auf einen Fresszettel schreiben).
Autor: Bär-Vetsch Walter, Aus einer anderen Welt, S. 167 ff. Literatur: Hofmann Lea; Anhängen, zeigen, S. 47 f. Kälin Detta, Zauberwahn und Wunderglauben, S. 32; Niederberger Hanspeter, Hirtler Christof; Geister, Bann und Herrgottswinkel, S. 173; Watteck Arno, Amulette und Talismane, S. 72; Wunderlin Dominik, Mittel zum Heil, S. 44 f.; Zihlmann Josef, Volkserzählungen und Bräuche, S. 368; Iten Karl, Stadler Emil; Zeitungsserie «Rings um ds Ürner Chuchigänterli», in: GP Nr. 24, 19.6.1971.
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