Register der Volksfrömmigkeit
Fraisenkette, Fraisenhäubchen, Fraisenhemdchen
Mit Fraisen waren alle Arten von krampfhaften und plötzlich auftretenden Krankheitserscheinungen gemeint: Bauchkrämpfe, Durchfall, Würmer, Scharlach, Masern, Schüttelfrost. Man verstand darunter aber vor allem die gefürchtete Fallsucht (Epilepsie) oder Schlaganfälle. Solche Krankheiten fasste man mit dem Wort Frais zusammen (mittelhochdeutsch fraise = Angst, Schrecken oder Wut; Zustände also, die Zittern, Krampf oder Toben und Ähnliches verursachen konnten). Alle Frais-Erkrankungen wurden mit Besessenheit in Zusammenhang gebracht, hinter der man den Teufel als Verursacher vermutete.
Die Fraisenkette war eine Mischung von profanen (überwiegend tierischen) und religiösen Amuletten, die an einer Kette oder einem roten Band aufgereiht und dem gefährdeten Menschen – hauptsächlich Kindern – zum Schutz und zur Kräftigung mitgegeben wurden. Diese Gebetsschnur war ein klassisches Beispiel für die Vermischung von Magie und christlicher Religion. Sie war aus unterschiedlichen Elementen zusammengesetzt: christliche Segenszeichen (Kreuze, Medaillen), Teile von Rosenkränzen aus dem Heiligen Land und Perlen aus verschiedenen Materialien, die in der Magie verwendet wurden. Durch die Häufung der Amulette wurden die Kräfte und der Schutz wesentlich verstärkt.
Die Kette war ein Heil- und Abwehrmittel gegen angezauberte Krankheiten. Die werdenden Mütter trugen Fraisenketten gegen das Erschrecken, da man dachte, dass das Erschrecken Missbildungen des Kindes verursachen konnte. Eine glänzend-spiegelnde Perlmutter an einer Fraisenkette widerstand wirksam dem Bösen Blick, weil der Blick dadurch gespiegelt zurückgeworfen wurde.
Fraisenhäubchen und Fraisenhemdchen wurden von den Nonnen des Loretoklosters in Salzburg hergestellt und mit dem Bild des heiligen Valentin (Patron der Fallsucht und der Fraisen) oder anderer Heiliger versehen. Sie wurden kranken Kindern angezogen oder vorbeugend unter die Kopfkissen gelegt. Sie wirkten gegen Epilepsie und Krampfanfälle. Auch kreissenden Frauen wurden sie gegeben und Sterbenden auf die Brust gelegt.
Autor: Bär-Vetsch Walter, Aus einer anderen Welt, S. 187. Literatur: Kälin Detta, Zauberwahn und Wunderglauben, S. 33; Niederberger Hanspeter, Hirtler Christof; Geister, Bann und Herrgottswinkel, S. 102; «Suisse Primitive», Forum der Schweizer Geschichte, Museumsführer (2002); Watteck Arno, Amulette und Talismane, S. 15 und 61; Foto: Fraisenkette im Landesmuseum Johanneum (Mathias Wimler).
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Walter Bär-Vetsch, Altdorf
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