Register der Volksfrömmigkeit
Geist, Geister
Geister waren im Volksverständnis überirdische, jedenfalls unkörperliche Wesen, für die es wohl allerlei Erklärungsversuche, aber keine objektiven Beweise gab. Geister waren so, wie das Volk sie wahrzunehmen vorgab. Sie wandelten bescheiden in den Kleidern der Gegenwart, wenn es hoch kam im Reifrock der Jabot (Kleidungsteil im 17. und 18. Jahrhundert), vielleicht noch als Grenadiere aus der Franzosen- und Russenzeit. Meist traten sie als Guschi (altmodisch gekleidete Bauernweiber) oder Hutzelmänner auf, dann wieder als handfeste Sennen, denen allerdings das Feuer gelegentlich zwischen den Rippen hervorzüngelte. Nur eine einzige Gestalt, auf dem Seelisberg beheimatet, trug ein Lederkoller (Manscheedler, Manschettenmann, Manschettler). Sie galt als Geist eines gewissenlosen Landmarchers, und ihre Tracht wies auf das Mittelalter zurück. Ebenso traten die Geister in Tier- und Pflanzengestalt auf, wenn etwa ein ughiirigä Fuchs gross und grösser wurde wie der wohlvertraute Bettsack oder gar wie eine Hütte.
In vielen Fällen war es nicht möglich, zwischen Geist und Gespenst (körperliche Wesen) zu unterscheiden. Oft sprach das Volk nicht von Geistern, sondern von Armen Seelen. Dies war vor allem der Fall, wenn es sich um die Manifestation eines Geistes handelte, in dem sich Abgestorbenes bemerkbar machte.
Die Geister hatten ihre Zeiten. Das traf vor allem für die Armen Seelen zu, von denen gesagt wurde, dass sie sich zwischen dem abendlichen und morgendlichen Betzeitläuten kundtaten. Aber auch sonst gehörte die Nacht den Geistern.
Oft glaubte das Volks zu wissen, wessen Geist sich bemerkbar machte. Leute, von denen man sagte, sie hätten zu Lebzeiten Marchsteine versetzt, mussten nach der Volksmeinung nach ihrem Ableben den Marchen entlang wandeln. Die Meinung, was zu tun war, wenn man einem Geist begegnete, gingen weit auseinander. Sollte man beten oder fluchen? Beides wurde empfohlen. Wer einem Geist begegnete oder in etwas hineinlief, wie die Leute sagten, bekam das an seinem Leib zu spüren. Die wohl häufigste Folge war ein geschwollener Kopf, aber auch andere Übel.
In der Urner Sagenwelt hatten die Geister verschiedene Namen: «Änäiggi, Arvenkehlenmüetterli, Babautsch, Babäutzi, Bachmannli, Baitzi, Bärälinger, Baschi, Bärchi, Bärchibüeb, Bärchima, Bärsian, Bärsianäli, Bätt-Toggäli, Bäubäu, Bautzerli, Bäutzi, Bodmäbock, Choläbüdel, Chummuff, Dräckpätscher, Drapoling, Elbst, Färima, Firmannli, Flüelerteufel, Frau Seltä, Frau Selten, Geissbeebeler, Greiss, Grippemänndel, Grosskelleri, Guschi, Hackeler, Hahnäspillhäx, Isenmannsalp-Mannli, Kastenvögtin, Kindlifresser, Männdel, Manscheedler, Manschettenmann, Manschettler, Hihlibachwoüti, Nachthiwel, Nauzeli, Pfaffenkellerin, Räägälä, Rigälibüeb, Rizzenmännlein, Sali-Guschi, Schimmelreiter, Segelmann, Sennentunsch, Stälzäma, Stälzi, Stelzenmann, Tobelhaagä, Tobelmannli, Toggäli, Trapoling, Tunsch, Wängiguschi, Wasserma, Wassermannli, Wäuti, Wiggämüetterli, Wissäbodä-Toggel» usw.
In seinen Urner Sagen beschrieb Josef Müller die äussere Erscheinung der Geister und Gespenster (kopflose, Geister wie Laubsäcke und Ähnliches, Geister als Lichter und Feuer, Geister als feurige Männer69 und in Tiergestalten). Er ging auf die unheimlichen Tätigkeiten der Geister und Gespenster ein (Lärm, Tod ankünden, Kunde aus der Ewigkeit, wetterkündende Geister, Irreführen, Entführen und Entrücken, geneckte Geister, steinewerfende Geister, verkleidete Geister, Feiertagsentheiligung, Fluchen, Beten und Betrufe, Gelübde, Geister als Leichen, in Gräbern und auf Friedhöfen, Kampf mit Geistern, Geister-Ratssitzungen und -Messen, Berührung von Geistern, Marksteinversetzer, Erlösung von Geistern sowie Geisterbann und -abwehr). Josef Müller hielt einige Sagengestalten namentlich fest («dr Bäutzi, ds Woüti oder Wäuti», der Drapoling, der Stelzenmann, der «Manschettler», der Schimmelreiter, die Pfaffenkellerin und ähnliche Geister, Frau Selten sowie Alpgeister, wie das Sennentunschi und die sakralegische Taufe, das Greiss, Geister aus der Gotteslästerung, der Elbst, der Jodelbub und dreierlei Milch, Geister, die Viehrücken, Geister und gewissenlose Hirten, spukhafte Gestalten beim Käsen, Buttern usw. sowie weiteren Alpspuk. Er hielt auch die Erlösung von Alpgeistern fest, und in einem Nachtrag weitere Sagen zu Geistern und Gespenstern.
Autor: Bär-Vetsch Walter, Aus einer anderen Welt, S. 213 ff. Literatur: Renner Eduard, Goldener Ring, S. 161; Quellen: Müller Josef, Sagen aus Uri, Sagen 420 bis 1600; Literatur: Zihlmann Josef, Volkserzählungen und Bräuche, S. 74, 175 ff.
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