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Glocken, Glockenweihe
   
Im Kirchenkult und im Volksbrauch besass die Glocke eine grosse Bedeutung. Weihe, Klang und ihr Name (vom entsprechenden Heiligen, auf den die Glocke geweiht wurde) wiesen ihr und ihrem Läuten nicht nur eine wichtige Rolle im Kirchenjahr und im individuellen Lebenslauf zu, sondern machten sie zu einem der bekanntesten Abwehrmittel gegen alle dämonische Macht. Mythologisch standen Glocken für die Kommunikation mit übersinnlichen Wesen, wie den Armen Seelen. Ihr Klang sollte Dämonen und Hexen abwehren. Warnendes und rettendes Apotropäum (zB. Wetterläuten) vertrieb die bösen Geister. Kleine Zauberglöckchen riefen gute Geister zu Hilfe. Die Glocken behüteten, was sie überschallten. Wo ihr Ton aber nicht hinreichte, hatten die Dämonen Macht. An einigen grossen Wallfahrtsorten wurden Glöckchen als Geweihtes abgegeben. Sie trugen ihrer Verwendung entsprechend etwa den Namen Gewitterglöckchen oder Hexenglöckchen.

Man fand Glocken als Beigabe in römischen Gräbern. Sie sollten die Toten vor dem Unfug der Geister schützen. Glöckchenamulette wurden später kleinen Kindern (zB. an einen Lutschstein) und Tieren zum Schutz gegen Behexung umgehängt. Die Schellen am Geschirr von Zugpferden (besonders Schlittenpferden) schützten vor Unfällen und jeglichem Unheil. In magischen Vorstellungen übten Glocken für Tiere eine ähnliche Schutzwirkung aus wie ein Amulett für den Menschen. So war auf einem Halsriemen einer Treichel neben Zierelementen das Auge Gottes eingekerbt. Als abwehrendes Zeichen schützte es das Tier nach links, nach rechts, nach vorn, nach hinten, nach oben und nach unten.

Diese Geister abwehrende Wirkung ging auch auf die Kirchglocken über. Um sich aber vor dem heidnischen Gebrauch der Glocken abzugrenzen – Eine nicht geweihte Glocke war der Macht des Teufels unterworfen. – führte die Kirche im 10. Jahrhundert die Glockenweihe (mit Namensgebung) ein. Die abwehrende Kraft des Schalls galt nun nicht mehr unbestimmten Dämonen, sondern dem Teufel und seinen Gehilfen. Kaum ein Kultobjekt erlangte eine so grosse Bedeutung im Leben der Menschen wie die Kirchenglocke. Sie begleitete sie durch alle bedeutenden Lebensabschnitte, von der Taufe bis zum Tod. Es gab im Leben eines Christen, vor allem des katholischen Christen, kaum ein bedeutendes Ereignis, das nicht vom Läuten der Glocke begleitet wurde. Sie ertönte im Alltag vom Betzeitläuten am Morgen bis zu demjenigen am Abend und rief an Sonn- und Feiertagen die Gläubigen zur Kirche. Das alte Landvolk kannte die Glocken seiner Pfarrkirche und der Kapellen am Ton. In Gegenden, wo man auch die Glocken der Nachbarkirchen und -kapellen hörte, waren auch diese dem Volk bekannt.

Wie bei jedem von der Kirche in ihren Dienst aufgenommenen Gegenstand wurden der geweihten Glocke wunderbare Kräfte zugeschrieben, einerseits ihrem Klang, aber auch der Glockenschmiere, dem abgefeilten Glockenmetall, dem Glockenstrang oder dem Klöppel. Diese fanden als Heilmittel in der Volksmedizin Verwendung. Gegen Heiserkeit, bei verlorener Stimme, gegen Ohrenschmerzen und wenn ein Kind nur sehr schwer sprechen konnte, schrieb man den Namen auf die Glocke. Bei Kopfweh setzte man sich eine Glocke auf den Kopf. Gegen Irrsinn trank man aus der Glocke und abgefeiltes Metall half gegen die fallende Sucht und Fieber. Die Glockenschmiere benutzte man gegen Bruch, Hämorrhoiden, Rachitis und Schwerhörigkeit. Man legte ein Stück vom Glockenstrang in ein Säcklein und band es den Kindern beim Zahnen um den Hals. Glockenschmiere wurde auch den Kühen eingegeben, um sie vor Krankheiten zu bewahren und ihren Milchertrag zu steigern. Gab man einer trächtigen Kuh etwas Glockenstrang zu fressen, so wirkte es sich günstig auf die Entwicklung des Kalbes aus. Man nannte dieses Vorgehen «das Anbinden des Kalbes an der Kuh».

Glocken standen in engem Zusammenhang mit dem Wettermachen und damit mit den Hexen. Wetterhexen hassten das Läuten der Glocken. Da Glockengeläut Unwetter vertreiben und Gewitter teilen konnte, wurde die Wetterglocke geläutet, sobald ein böses Wetter im Anzug war. In vielen Pfarrkirchen gab es eine eigentliche Wettersegenglocke. Diese ertönte, wenn der Priester nach dem Gottesdienst den Wettersegen erteilte. In manchen Pfarreien war irgendeine Glocke (eine grosse) die Wetterglocke, in andern war eine bestimmte Glocke bereits von Anfang an als Wetterglocke geweiht.

Autor: Bär-Vetsch Walter, Aus einer anderen Welt, S. 232 f. Literatur: Wunderlin Dominik, Mittel zum Heil, S. 23 f. Watteck Arno, Amulette und Talismane, S. 37; Niederberger Hanspeter, Hirtler Christof; Geister, Bann und Herrgottswinkel, S. 204 f.; «Suisse Primitive», Forum für Schweizer Geschichte, Museumsführer (2002); Wunderlin Dominik, Mittel zum Heil, S. 23; Zihlmann Josef, Volkserzählungen und Bräuche, S. 194 f.

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Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 1.6.2019