Register der Volksfrömmigkeit
Küche
Die Küche war für die Menschen ein ambivalenter Raum. Hier wurden die Speisen gekocht. Es war der Arbeitsplatz der Frau, das Feuer ihr Element. Der Raum war durch den offenen Rauchfang aber gefährdet. War die Frau eine Hexe, konnte sie durch den Kamin wegfliegen. Andererseits aber bot die Öffnung allem Unberufenen Einstiegsmöglichkeiten. In einer verhexten Küche flogen Pfannen, Kellen und andere Kochgeräte in der Luft herum. Abwehrzeichen am Rauchfang sowie der Kesselhaken und der Dreifuss in der Feuerstelle wehrten das Böse ab. Erst mit dem Einbau der neuen Herde mit den abgeschlossenen Kaminen wurde die Küche zur Wohnküche.
Das lebendige Feuer war nicht nur Mittelpunkt der Küche, sondern des ganzen Hauses. Trotzdem hatte es etwas Unheimliches an sich. Daran war nicht nur das Wissen schuld, dass es sich jederzeit ausbreiten könnte. Es waren auch abergläubische Vorstellungen dabei. Diesem Unerklärlichen sah sich der Urner immer wieder gegenübergestellt. Es drang gelegentlich bis in den Bannkreis seines Eigens vor. Vor allem die Küche war ein unheimlicher Ort. Eduard Renner schrieb in seinem Buch „Goldener Ring über Uri“: „Der Küche eignet nichts von jener Weihe, die sie im grossen Bauernhaus des Flachlands fast zum Kulturraum macht. Der Bergler kennt keinen heiligen Herd. Es ist ihm vielmehr die Küche ein unheimlicher Ort. Vielleicht einzig geschützt durch das Dach, nimmt die Küche am Bann der Wohnräume teil, ist aber immer noch ein Teil des Aussen. Nie soll man beide Türen, die links und rechts vom Freien her in die Küche führen, gegenseitig offen lassen Nie soll man allein am Herde sitzen. Äs chennt eim susch erpäckä! Der Unvorsichtige büsste seinen Leichtsinn mit einer fieberhaften Krankheit oder einem hochgeschwollenen Kopfe. Die schwangere Frau soll nicht ins Feuer schauen, sonst wird sie ein Kind mit Feuermal oder rotem Haar gebären.“
Der Bergler lud seinen Gast nie zu Feuer und Licht, sondern zu Licht und Schermen. Er betonte damit die Überwertigkeit der Stube und die Unterwertigkeit des Herdraums.
Autor: Bär-Vetsch Walter, Aus einer anderen Welt, S. 371 f.; Literatur: Zihlmann Josef, Volkserzählungen und Bräuche, S. 288; Niederberger Hanspeter, Hirtler Christof; Geister, Bann und Herrgottswinkel,, S. 35; Renner Eduard, Goldener Ring, S. 50 ff.
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NACHWEISE
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VOKLSGLAUBEN
DAS NACHSCHLAGEWERK
Kraft aus einer anderen Welt
Zeichen und Handlungen
des Volksglaubens und der Volksfrömmigkeit
in Uri
Walter Bär-Vetsch, Altdorf
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