Register der Volksfrömmigkeit
Leichenzug
Als ein Leichnam noch in seinem Haus oder seiner Wohnung bis zur Beerdigung aufgebahrt wurde, sein Bett auch das Totenbett war, war der Leichenzug zur Kirche aus dem Sterbe- und Totenbrauchtum nicht wegzudenken.
In der ländlichen weitläufigen Gegend brachte man die Leichen im Sommer auf Leiterwagen, im Winter auf Schlitten zur Beerdigung. Grössere Gemeinden hatten ihren schwarzen Leichenwagen und einen Pferdehalter, der mit dem Wagen fuhr. Zu dessen Pflicht gehörte auch, den Wagen zu pflegen und in angemessener dunkler Kleidung seines Amtes als Pferdeführer zu walten.
Wurde in Bauen (und anderswo auch) die Leiche zum Trauerhaus hinausgetragen, so stellten die Träger vor der Haustürschwelle nochmals ab, und man betete fünf Vaterunser. Dabei war es Sitte, dem Schmerz freien Lauf zu lassen, laut zu klagen und zu jammern. Hinter dem abziehenden Leichenzug schloss dann die zurückbleibende Wacherin die Haustüre. Diese Zeremonie bedeutete, dass der Tote in diesem Hause jetzt kein Recht mehr hatte.
Bei den Leichenzügen war es üblich, dass diese bei Chäppeli, Helgenstöckli, Wegkreuzen und Lyychäghirmi einen kurzen Halt einschalteten und dort gemeinsam ein Vaterunser beteten. Die Leichenträger waren nach altem Brauch Nachbarn des Verstorbenen, bei einem Kind seine Mitschüler, bei einem Kleinkind der Götti. Wer um diesen letzten Dienst gefragt wurde, sagte nur im äussersten Notfall nein.
Das Volk kannte auch Vorzeichen eines Leichenzuges. Wenn die Kirchgänger am Sonntag scharweise aus einer Richtung zur Kirche kamen, erwartete man vom gleichen Ort her bald einen Leichenzug. Wenn ein Leichenzug vom Trauerhaus wegfuhr und das Pferd zurückschaute, musste es aus dem gleichen Haus bald wieder eine Leiche wegführen. Wenn eine Leiche über den Sonntag in einem Haus lag, starb bald jemand.
Autor: Bär-Vetsch Walter, Aus einer anderen Welt, S. 384 f.; Literatur: Zihlmann Josef, Volkserzählungen und Bräuche, S. 294 f. und 322; Müller Josef, Urner Brauch bei Einsargung einer Leiche, in Schweizer Volkskunde, Nr. 8, Basel, 1918, S. 8.
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