Register der Volksfrömmigkeit
Taufname
Dem Taufnamen kam, wenigstens scheinbar, alle Bedeutung vom Religiösen her zu. In jeder Familie fanden sich die Namen Josef und Maria. Gewöhnlich wurde der älteste Knabe auf den Namen Josef getauft, wenn man es nicht vorzog, ihn sogar Josef Maria oder Maria zu nennen. Das älteste Töchterchen erhielt meist den Namen Maria.
Auch das Nachtaufen war üblich: Das erste Kind einer Familie erhielt meist den Namen des Vaters oder der Mutter. Nachher hatten bei der Namensgebung Götti und Gotte den Vorrang. Meist waren diese Leute aus der Verwandtschaft. In vielen Familien wurde streng auf die Familientradition geachtet, und die Grosseltern hatten gegenüber den Paten den Vorzug. Wenn ein Kind zwei Namen bekam, war der zweite meist derjenige der Grosseltern oder ein Name, der in der Verwandtschaft brauchtümlich war.
Dem Namen wurde Bannkraft zugeschrieben. So konnte z. B. das Toggäli (Alb) verscheucht werden, wenn man es mit dem Taufnamen ansprach, oder wenn man als Befallener selbst seinen Taufnamen zu denken oder auszusprechen vermochte. Aber man durfte nicht den Rufnamen in abgekürzter Form gebrauchen, etwa Wisi, Sepp, Kari, sondern den vollen Taufnamen Aloisius, Josef, Karl.
Aus den Namen der Kinder konnte man ganze Familienschicksale herauslesen. So deutete der Name Verena auf die Rüfengefahr, unter dem das Heim stand, Matthias auf Lawinengefahr. Ein Beweis dafür, dass auch kleinere Nöte in den Bereich eines Bannes gezogen wurden, liegt im Namen Apollonia. Er deutet auf häufiges Zahnweh der Eltern oder schwieriges Zahnen der älteren Geschwister. Die heilige Margareta galt als Helferin in Kindsnot; nach schwerer Geburt oder bei Todesgefahr der Kinder während der Geburt konnte das Mädchen Gretli heissen. Diese Namen gehörten jenen wohltätigen Heiligen an, den Nothelfern, die sich für einen ganz bestimmten Kreis von Gefahren zur Hilfe verpflichteten. Gelegentlich trat vereinzelt ein seltener Name auf, weil man dachte, dass ein Namenspatron, der für wenige Schützlinge zu sorgen hatte, sich umso gewissenhafter des Kindes annahm. Die Heiligen galten für den Täufling nicht so sehr als Vorbilder, denn als Beschützer.
Benjamin hiess meist der Zweit-, Dritt- oder Jüngste einer grossen Familie. Dieser Name war Ausdruck dafür, dass ein kinderreiches Paar gerne sah, dass der Knabe der Letztgeborene war. Aber die Tücke, der unsere Bergler immer wieder begegneten, konnte den Plan zerschlagen. So suchte man mit zweifelhaftem Erfolg die Schar der Nachzügler wiederum mit einem Namen abzustoppen. Der diesmal unwiderruflich letzte der Sprösslinge hiess dann Sylvester. Dieser Name liess beinahe mit Sicherheit darauf schliessen, dass in der Familie den Name Benjamin schon einmal vergeblich verwendet wurde. Sylvester bezog sich auf jenen Heiligen, dessen Fest auf den letzten Tag des Jahres fiel. So galt der Name Sylvester den Nachzügler oder den letzten der Familie.
Autor: Bär-Vetsch Walter, Aus einer anderen Welt, S. 551 ff. Literatur: Zihlmann Josef, Volkserzählungen und Bräuche, S. 323; Renner Eduard, Goldener Ring, S. 125 bis 127.
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NACHWEISE
«Wenn man merkt, dass jemand vom Toggeli geplagt wird, soll man ihn mit dem Taufnamen anrufen, dann wird er befreit ... Aber man muss den Taufnamen vollständig richtig aussprechen, z. B. nicht Toni, Sepp, Wysi, sondern Antonius, Aloisius, oder wenigstens Anton, Joseph, Alois.»
«Der Bann löst sich, wenn der Bedrückte mit dem Taufnamen gerufen wird.»
«Ruft man einen, der vom Toggeli gedrückt wird, mit seinem Taufnamen, so wird er befreit und erwacht; aber viele meinen, das sei gefährlich, der also Gerufene erwache zu rasch und könne augenblicklich sterben.»
«Der Bann löst sich, wenn der Bedrückte mit dem Taufnamen gerufen wird oder mit der Zunge im Munde das Kreuzzeichen macht oder den Namen Jesus ausspricht; Messer, die man in die Wiege der Kinder, die besonders häufig vom Unhold heimgesucht werden, oder in die Zimmertüre, in die Holzwand steckt oder auf die Brust legt, halten das Toggeli ab. Auch die rote Farbe scheut es und Kreuze, die man in die Zimmer- oder Haustüre ritzt. ... hat man früher, um das Toggeli von den Kindern fern zu halten, Malefizpulver unter das Kissen gestreut, und ein Agnus Dei oder ein „Lysäpunggeli“ oder beides zusammen zu Häupten des Kindes an die Wiege gehängt. Im Stalle aber, wenn es die Ziegen oder Kühe sog, sodass sie keine oder dreckige Milch gaben (sie sind um dz Ütter chu), streute man Malefizpulver zuvorderst in den Barnen und in die Rischi, wo das Toggeli aus dem Obergaden herabkam, und steckte geweihte Palmen und Haselzwicke auf.»
«Im Stalle aber, wenn es die Ziegen oder Kühe sog, sodass sie keine oder dreckige Milch gaben (sie sind um dz Ütter chu), streute man Malefizpulver zuvorderst in den Barnen und in die Rischi, wo das Toggeli aus dem Obergaden herabkam, und steckte geweihte Palmen und Haselzwicke auf.»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 275, 731, 1438, 1442.
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Walter Bär-Vetsch, Altdorf
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