Register der Volksfrömmigkeit
Toggäli
„Ds Toggäli isch ä Mänsch, wo i dr Nacht als Chatz dur d’ Schlissäl- und Aschtlecher zu dä Buebä i d’ Chammärä schliift und nä üf d’ Bruscht hockät. Mä wird ganz schtiif, wennd’s eim plagät. Wenn’s aber eim gratät und är sich z’ rodä chunnt und ds Toggäli gleitig verwitscht, dä chas nimmä fort. Äs muess sich dä z’rugg verwandlä und litt als scheens blutts Meitli näbem im Bett.“
Diese Aussage behauptete, dass ein Mensch zugleich eine Katze und irgendein strickförmiges Wesen sein konnte, und zwar in jeder Gestalt, derb körperlich. Denn die Astlöcher waren in vielen Häusern ganz blank gefegt vom ewigen Aus- und Eingang des Toggäli, und am Ende seiner Fahrt landete es nackt im Bett des bestürzten Knaben. Nicht nur die Seele dieser Jungfrau ging in Truggestalt auf nächtliche Reisen, sondern sie selbst, und es war die Last ihres Leibes, die dem Schläfer den Schnauf abschlug.
Der Glaube an das Toggäli, ein Geistwesen, war im ganzen Alpenraum verbreitet. Es war ein Nachtgespenst, auch Propanz genannt, und hiess in anderen Gegenden auch Schrättele, Schrättlig, Schratt, Schrattl, Alb, Mahr oder Nachtmahr, aber auch Trud. Dieser Geist plagte auch Tiere.
Das Toggäli drang meist um Mitternacht durch Astlöcher, Schwundrisse, Schlüssel- und andere kleinere Löcher, selten aber durch geöffnete Türen und Fenster ins Zimmer. Der Schlafende hörte, wie es schleifend über den Stubenboden daherkam und sich ihm näherte. Dann hockte es ihm plötzlich auf die Brust und drückte ihm die Kehle zu, bis dieser vor Angst aufschrie. Furchtbare Angst packte den Betroffenen, machte ihr wehrlos; er meinte zu ersticken.231 Mit dem Erwachen verschwand auch das Toggäli wieder. Trat das Toggäli öfters auf, zehrte das Opfer, der Unterlieger, immer mehr ab.
Viele Sagen erzählten, wie auch Menschen als Toggäli auftraten. Diese sandten ihren Geist aus, um in verschiedenen Gestalten die Schläfer zu drücken. Dies machten sie nicht freiwillig, auch nicht aus Bosheit, viel eher war es ein krankhafter Drang, der seit frühester Kindheit in ihnen lag. Man konnte sie von ihrem Schicksal erlösen, wenn sie erkannt und ein zweites Mal getauft wurden. Ebenso hilfreich war die ausdrückliche Erlaubnis, ein Tier oder sonst etwas Lebendes zu Tode zu drücken. Dieses Opfer erlöste den Drücker von seinem Fluch.
Es gab im Grenzbereich des menschlichen Lebens und der Seele nur wenige Dinge, mit denen sich das Volk so intensiv beschäftigte wie mit der Erscheinung des Toggälis (seit dem 16. Jahrhundert bis in unsere Tage). Es war eine leibliche Krankheit. Sie bewirkte, dass jemand, der auf dem Rücken liegend schlief, meinte, dass sich etwas Schweres, ein Mensch, ein Tier oder sonst etwas, auf ihn niederliess und ihn hart drückte. Der Geplagte glaubte, dass er ersticken musste. Das Volk aber hatte eine andere Meinung über das Toggäli und glaubte, dass es ein Tier oder ein Geist war, der sich in Gestalt einer Katze auf die Brust des Schlafenden niederliess. Die Frauen glaubten, dass das Toggäli nachts die Säuglinge belästigte und an ihren Brüstchen saugte, dass Brüstlein und Wärzlein anschwollen. Das Toggäli plagte nicht nur die Menschen, sondern auch die Tiere. Es suchte besonders die schönsten Stücke im Stall aus. Es zog die Kühe an den Eutern. Den Pferden knüpfte es die Mähnen zusammen.
Autor: Bär-Vetsch Walter, Aus einer anderen Welt, S. 556 ff. Literatur: Renner Eduard, Goldener Ring, S. 10; Niederberger Hanspeter, Hirtler Christof; Geister, Bann und Herrgottswinkel, S. 53; „Suisse Primitive“, Museumsführer, Forum der Schweizer Geschichte (2002); Zihlmann Josef, Volkserzählungen und Bräuche, S. 404 ff.
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