Register der Volksfrömmigkeit
Toggäliabwehr
Die weite Verbreitung des Toggäliglaubens erahnte man am besten, wenn man die zahlreichen verschiedenartigen Abwehrmittel betrachtete, die die Leute kannten und mit denen sie versuchten, das Toggäli fernzuhalten. Man schlug Holzzapfen in Astlöcher und Risse, damit es erst gar nicht in die Schlafkammer eindringen konnte. Um die Wirkung zu verstärken, wurden im Loch geweihter Kerzenwachs, Rosshaare oder Gebetszettel eingeklemmt. Hilfreich war auch, ein Gitter, gebastelt aus fünf Spänen von geweihtem Palmholz, über das Bett zu hängen. Oder eine Toggelipuppe mit langen Haaren aufzustellen. Das Nachtgespenst spielte dann mit der Puppe und liess den Schlafenden in Ruhe.
Man nahm gesegnete Palmzweige ins Zimmer. Auch Weihwasser, Agathabrot oder ein Mistelzweig konnte helfen. Man malte oder schnitzte die Buchstaben C+M+B auf den Türsturz, kritzte den Drudenfuss oder das JHS auf die Bettstatt oder die Zimmertür und legte einen Donnerkeil (Belemnit) unter das Kissen. Die gleiche Wirkung hatten der Trudenstein. Das Klappern des Wirtels (Gewicht an der Spindel), der am Bett aufgehängt wurde, verscheuchte das Toggäli. Eine Werghechel (brauchte man bei der Hanfspinnerei) legte man beim Schlafen mit den Stahlspitzen nach oben auf die Brust. Um das Toggäli fernzuhalten, stellte man eine Sense so zurecht, dass die Schneide nach der Richtung schaute, aus der das Toggäli kam. Sorgfalt und Vorsicht waren in allem geboten, und man tat gut, jede Ritze in der Wand gewissenhaft zu vermachen.276 Damit das Toggäli erst gar nicht in die Kammer eindringen konnte, schlug man Holzzapfen in Astlöcher und Schwundrisse. Um die Wirkung zu verstärken, wurden geweihtes Kerzenwachs, Rosshaare, Hanfstricke oder Gebetszettel im Loch eingeklemmt. Für solche Verpflöckungen wurden aber auch Löcher gebohrt und mit Dämonen abwehrendem Hartholz (z. B. Eibe) verkeilt. Kam das Toggäli durch das Schlüsselloch, so verstopfte man dieses mit geweihtem Wachs oder man steckte ein Messer mit der Spitze nach aussen in das Loch. Als Mittel gegen das Toggäli steckte man am Abend beim Zubettgehen über dem Kopf ein Messer in die Wand, oder man nahm eine Rute aus Birkenreis mit ins Bett. Gegen das Toggäli zündete man eine Kerze an oder man brachte an bestimmten Stellen ein Pentagramm an. Man betete am Abend, dass das Toggäli nicht kam. Andere Mittel mit grossem Symbolgehalt, die dem Toggäli den Eintritt verwehrten, waren das Toggäligitter, das Toggälikreuz, das Toggälimesser und die Toggälipuppe.
Den vom Toggäli Geplagten wurde geraten, vor Sonnenaufgang das eigene Morgenwasser in eine noch nie gebrauchte Flasche zu tun und die Flasche dann hinter drei Riegel zu sperren, den Schlüssel abzunehmen und drei Tage zu warten. Während dieser drei Tage kam der Verwünscher und wünschte etwas. Der Wunsch durfte aber nicht erfüllt werden. Wenn kein Wunsch erfüllt wurde, konnte der Verwünscher selbst das Wasser nicht mehr lösen und starb. Aus dieser Version ging hervor, dass hinter dem Toggäli ein Verwünscher gesehen wurde.
Den Geplagten wurde auch geraten, am Morgen den Urin in einer Flasche zu verschliessen. Das Toggäli erschien dann in wahrer Gestalt als Verwünscher und bettelte auf Knien, das Fläschchen zu öffnen, denn solange es verschlossen blieb, konnte es selbst sein Wasser nicht lassen und musste zugrunde gehen. Ein anderes Mittel gegen das Toggäli war, dass Leute, die von ihm geplagt wurden, ihr Nachtwasser in ein Fläschchen brachten, das Fläschchen versiegelten und es mit einem offenen Messer zusammen unter das Bett stellten. War das Toggäli eine Hexe, was oft vorkam, so konnte sie so lange ihre eigene Notdurft nicht mehr verrichten, bis sie sich der Person, die das Mittel angewandt hatte, zu erkennen gab und seine Wegschaffung erbat.
Menschen, die vom Toggäli gedrückt wurden, halfen sich damit, dass sie ein offenes Messer bereithielten und das Messer in die Wand steckten, sobald sie sich wieder rühren konnten. So zwang man das Toggäli zu bleiben und sich in seiner wahren Gestalt zu zeigen.
Zahlreich waren die Abwehrmittel gegen das gefürchtete Toggäli, das nachts an das Bett von Kindern heranschlich, um seinen Opfern auf die Brust zu sitzen. Um das Toggäli vom Kleinkind fernzuhalten, hängten die Mütter an die Wiege einen Wirtel, der das Toggäli durch seltsamen Ton vertrieb. Das Toggäli machte sich dann an den Wirtel statt an das Kind und spann die ganze Nacht hindurch. Wenn in einer Familie ein Kind nicht schlafen konnte, weil es vom Toggäli geplagt wurde, legte die Mutter nachts dem betreffenden Kind eine Birkenreisrute an das Kopfende des Bettes.
Autor: Bär-Vetsch Walter, Aus einer anderen Welt, S. 569 ff. Literatur: Renner Eduard, Goldener Ring, S. 51 f. Niederberger Hanspeter, Hirtler Christof; Geister, Bann und Herrgottswinkel, S. 53, 56; Zihlmann Josef, Volkserzählungen und Bräuche, S. 404 ff.
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