Register der Volksfrömmigkeit
Volks- oder Bauernkalender
Volkskalender waren handliche Broschüren, die neben dem, was wir heute noch als Kalender bezeichnen, auch zahlreiche Erzählungen, Berichte und Anekdoten enthielten. Sie waren billig; jeder konnte sich einen Kalender leisten. Während man in der Stadt die Kalender in Buchhandlungen erwarb, hausierten auf dem Land Kolporteure mit ihnen. Man las sie dann während des Jahres mehrmals – viel anderen Lesestoff hatte man ja nicht. War das Jahr abgelaufen, konnten sie auch zu Leseübungen in der Schule dienen.
Volks- oder Bauernkalender waren im 19. Jahrhundert äusserst beliebt. Der religiöse Inhalt sollte den Leser nicht nur unterhalten, sondern auch erziehen. So trugen auch die Lesestoffe der religiösen Kalender in den Jahrzehnten um 1900 zur Schaffung eines spezifischen katholischen Milieus bei. Erst nach 1900 liess das Interesse langsam nach, zumal immer mehr Zeitungen, Zeitschriften und Fotografien aufkamen.
Während die protestantischen Ausgaben gefüllt waren mit moralisierenden Erzählungen, beschränkten sich die katholischen Kalender vielfach auf die Darstellung von Heiligenlegenden und berichteten aus dem Leben von Kirchenvätern. Diese Texte sollten dem Leser ein gutes Beispiel für sein eigenes Leben geben. Die Kalender enthielten zahlreiche Ausführungen zum katholischen Brauchtum. Wallfahrtsorte wurden beschrieben und christliche Feste erklärt. Hatten die Aufklärer noch diese Art der religiösen Praxis stark kritisiert, sollte sie nun wiederbelebt werden und den Leser zum Einhalten der katholischen Feste anspornen. So waren die Kalender massgeblich daran beteiligt, dass die Heiligenverehrung, insbesondere die Verehrung der heiligen Mutter Gottes, im 19. Jahrhundert eine grosse Aufwertung erfuhr.
Der Grosse christliche Hauskalender aus Luzern, erstmals 1834 erschienen, war der erste katholische Kalender und zugleich auch der erste religiöse Kalender der Schweiz in deutscher Sprache. Der auflagenstärkste katholische Kalender war der Einsiedler Kalender.
Autor: Bär-Vetsch Walter, Aus einer anderen Welt, S. 604. Literatur: Venetz Nadja, Starke Segen und fromme Bücher, S. 84 ff.
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