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Votivgabe
   
Der Volksmund nannte die Votivgaben einfach Opfer. Allerlei Gaben wurden gespendet, um die Erfüllung einer Bitte zu erwirken oder für geweihte Hilfe zu danken. Hatte jemand in der Not ein Gelübde abgelegt, das erhört wurde, so brachte der Begnadete als Zeichen eine Tafel, ein Bild oder eine Plastik an den Gnadenort. Gemalte Gebete, aus Blech oder Holz hergestellte Symbole für Familie (Fatschenkind, Männerkopf, Frauenkopf), Körperorgane (Auge, Fuss, Hand, Herz) sowie Wachsaugen, Wachsarme, Wachskerzen, abgelegte Krücken, die man je nach Krankheit und Hilfe dem Schutzheiligen des Ortes darbrachte, waren Votivgaben, die man nach der Erhörung, nach Heilung oder Lösung eines Problems anbringen liess. Sie waren Opfer an die übernatürlichen Mächte, als Dankerweisung für gewährte Hilfe in Folge eines Gelübdes.

Diese Gaben, auch Ex votos genannt (aufgrund eines Gelöbnisses), gaben am Kultort das Gelübde und die Erhörung bekannt und munterten die Wallfahrer auf, diesem Gnadenort zu vertrauen. Votive wurden an Orten angebracht, wo sich eine helfende Macht als besonders wirksam erwies. Dies geschah meistens an bekannten Wallfahrtsorten. Das Volk kannte aber auch kleine, unscheinbare Kapellen, die für ganz besondere Anliegen aufgesucht wurden.

Mit den Votivgaben entstand ein Gegenstück zu den Wallfahrtsandenken. In grossen Wallfahrtsorten konnte man Votive auch an Markständen kaufen. Viele Klöster verfertigten selber Votivgaben und verkauften sie an die Gläubigen. Wer das nötige Geld nicht hatte, schnitzte sie zu Hause in Holz oder formte sie in Wachs. Diese Votivgaben wurden dann an den Wallfahrtsort mitgebracht und dort deponiert. Mit der Votivgabe entstand zwischen dem flehenden Menschen, der Gabe selbst, dem angerufenen Heiligen und dem Gnadenort eine magische Verbindung, deren Kraft die Heilung möglich machte.

Es handelte sich um Abbildungen oder Gegenstände, die den Anlass der Wallfahrt bildlich oder plastisch zeigten: Votivtafeln mit dem Bild von einem Unfall, ein Bein oder ein Arm aus Holz oder Silber, oder eine mit einem frommen Wunsch angezündete Kerze. Bei Krankheiten gelobte der Leidende, die allfällige Heilung durch eine Tafel bekannt zu machen. Votivgaben waren Opfergaben, die die eigene Person an eine Heilige oder an einen Ort der Gnadenwirkung weihten. Dieser Weiheakt konnte auch für andere (Kinder, Freunde, Eltern) vollzogen werden. Votivgaben und Andenken an eine vollbrachte Wallfahrt waren bereits aus der vorchristlichen Antike bekannt.

Die alten Ex Votos zeigten meist vier Elemente im Aufbau: den Bittenden, den angerufenen Heiligen und dazwischen bildlich dargestellt die Notsituation. Ein kürzerer oder längerer Text benannte das Ereignis, die Bitte oder den Dank, dazu Name oder Initialen und das Jahr. Der Dank für die erfolgte Hilfe wurde meist von anonymen Volkskünstlern auf den Votivtafeln festgehalten und dann als Dankeszeichen in die Wallfahrtskirchen und -kapellen gehängt, (z.B. in die Riedertal-Kapelle, in Maria-Sonnenberg auf Seelisberg, in der Getschwiler-Kapelle oder in die Pfarrkirche Schattdorf). Ein bekannter Votivbilder-Maler in Uri war Maximus Nell (1820 – 1878) aus Bürglen.

Der Grossteil der mittelalterlichen und neueren Votive waren Nachbildungen von Körperteilen. Bei inneren Organen war die Abbildung schwieriger. So wurde die Gebärmutter oft durch eine Kröte oder eine Stachelkugel dargestellt. Diese Votivgaben brachten Frauen nach überstandener Geburt oder nach Gebärmutterkrankheiten dar. Das Herz war Sinnbild für Kummer in allen Formen, besonders aber für Liebeskummer. Weit verbreitet war auch der wächserne Schlüssel. Dieser galt als Liebessymbol, als Beweis der Hingabe und des Rechts auf alleinigen Besitz. Der Schlüssel wurde aber auch zum Gnadenort gebracht mit der Bitte um eine gute und leichte Geburt. Es war dies ein sehr sprechendes und einleuchtendes Symbol, das nie missverstanden wurde. Das Opferrind aus geweihtem Hufeisen wurde dem heiligen Leonhard, Patron von Vieh und Hammerschmieden, geopfert.

Andere Opfer hatten einen starken Symbolgehalt, der aus dem Analogiegedanken abgeleitet worden war: Ein roter Seidenfaden bedeutete Menstruationsbeschwerden, ein schwarzes Tuch wurde bei enttäuschter Liebe gebraucht, ein Pfeil bei Seuchen, ein Messer bei Seitenstechen, ein Löffel bei Halsschmerzen und Zahnweh, einen Kranz bei Kopfschmerzen, ein Herz bei Depression, Liebeskummer, Heimweh oder Herzkrankheiten, ein Wickelkind bei Schwangerschaft, Geburt oder Kinderlosigkeit, ein Haus gegen Feuersbrunst, ein Besen bei Eissen und Hautkrankheiten, eine Kröte bei Unterleibskrankheiten, Schwangerschaft, Kindbettnöten, ein Haustier bei Seuchen oder Trächtigkeit usw. Im Volksglauben brachte man diese Dinge als stellvertretendes Opfer dar. Man opferte mit dem Abbild den kranken Körperteil, um einen gesunden zurückzuerhalten. Die Votive wurden in der Nähe des Gnadenbildes aufgehängt.

Künstlerisch wertvolle Votivgaben, wie Silbervotive, Tafeln und andere kunsthandwerkliche Dinge, wurden später verschachert, unansehnliche Gaben, wie Besen, Prothesen und dergleichen, verbrannt.

Autor: Bär-Vetsch Walter, Aus einer anderen Welt, S. 609 ff. Literatur: Renner Eduard, Goldener Ring, S. 100; „Suisse Primitive“, Museumsführer, Forum der Schweizer Geschichte (2002); Niederberger Hanspeter, Hirtler Christof, Geister, Bann und Herrgottswinkel, S. 182 ff.; Bellwald Werner, Wallfahrt und Prozession – betend und bittend unterwegs, S. 77 f.; Zihlmann Josef, Volkserzählungen und Bräuche, S. 428 f.

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Walter Bär-Vetsch, Altdorf

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Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 1.6.2019