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Wandeln, Wandelnde
   
Das Volk rechnete damit, dass Verstorbene vom Jenseits zurückkommen konnten oder mussten und dass sie sich bei den Lebenden bemerkbar machten. Man sprach von wandeln. Wandeln war mehr als wandern, sich von Ort zu Ort bewegen. Das Wandeln sollte eine Veränderung bewirken, den Zustand der Seele verändern, es sollte sündenfrei machen. Das Wandeln dauerte seine Zeit. Je nach den Verfehlungen, die jemand in seinem Erdenleben begangen hatte, änderte sich die Wandelzeit. Im Volksglauben existierte ein Massstab für das Messen der Wandelzeit.

Ein Mensch, der nach menschlichem Ermessen zu früh gestorben war, musste nachher so lange wandeln, wie er unter gewöhnlichen Voraussetzungen gelebt hätte. Man konnte meinen, dass dieser Volksglaube vor allem diejenigen, die ihrem Leben selber ein Ende gesetzt hatten, betraf. Aber es gab auch Berichte über Verstorbene, die ihre Wandelzeit abtragen mussten, ohne an ihrem Tod sichtbar schuldig zu sein. Dies betraf vor allem die Verstorbenen, die sich zu Lebzeiten schwerer Vergehen schuldig gemacht hatten. In den Augen des Volkes war der falsche Eid eines der schlimmsten Vergehen.

Wandeln mussten Menschen nach dem Tode, weil sie Ungerechtigkeiten begangen hatten, etwa Marchversetzen, falsche Unterschriften, Vergehen an etwas Sakralem usw. Meist mussten sie nach ihrem Tode dort wandeln, wo sie sich verfehlt hatten. So mussten die Marchsteinversetzer in der Volksmeinung nach ihrem Tode den Marchen entlang wandeln. Lichter waren Seelen, die wandeln mussten, entweder in Menschen- oder in Tiergestalt. Von Seelen, die in Tiergestalt wandeln mussten, sagte man, dass sie ewig verloren waren.

Das Schicksal der Wandelnden beschäftigte das Volk sehr. Man fragte nicht nur, wer das sein konnte, man fragte auch nach dem Wielange. Man überlegte sich, was man tun konnte, um dem Geist zu helfen, damit er in die ewige Glückseligkeit eingehen konnte. Geister, die noch wandeln, kamen im Volksglauben nämlich zu Gnaden. Je weisser ein Wandelnder erschien, umso näher kam seine Erlösung. Solche, die bereits in Teufels Macht waren, konnten sich nicht mehr bemerkbar machen und somit nicht mehr erlöst werden.

Manchmal waren es nicht Einzelne, die wandelten. Man sprach vom Nachtvolk, das den Tanz der Toten aufführte.

Autor: Bär-Vetsch Walter, Aus einer anderen Welt, S. 622 ff. Literatur: Zihlmann Josef, Volkserzählungen und Bräuche, S. 432 ff.

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Walter Bär-Vetsch, Altdorf

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Stand der Arbeiten:
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Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 1.6.2019