Register der Volksfrömmigkeit
Weissdorn
Der Weissdorn war im Volksglauben fest verankert. Dies begründete sich in der Legende, wonach die Dornenkrone Christi aus Weissdorn geflochten war. Als Dornstrauch, so glaubte man, hielt der Weissdorn alles Böse ab. Man steckte Zweige an Türen, um Hexen abzuhalten. Wer Weissdorn bei sich trug, war vor Gespenstern sicher. Ein Weissdornstecken sah nach der Begegnung mit einem Gespenst wie eine gedrehte Weide aus. Schlug man verhexte Milch mit einem Weissdornstock, so traf man die Hexe. Nicht nur den Kreuzdorn, auch den Weissdorn benutzten die Hebammen. Bei schwierigen Geburten schlugen sie mit dem Weissdorn „vor der betreffenden Stelle“ dreimal ein Kreuz. Dies sollte die Geburt beschleunigen.
Eine grössere Rolle als im Abwehrzauber spielte der Weissdorn in der Volksmedizin. Bei Krankheiten verpflöckte man Zähne, Haare, Fingernägel oder Haut des Patienten in Bäume und verstopfte das Loch mit einem Weissdornzapfen. Zahnenden Kindern hängte man Weissdornhölzchen, die am Karfreitag um die Todesstunde Christi gebrochen wurden, in Säcklein um den Hals. Gegen Gicht legte man Gichterkreuze unter das Kopfkissen. Hatte man Holzsplitter im Fleisch, so trug man ein Spiisenhölzli in der Tasche. Es musste am Andreastag um Mitternacht mit einem einzigen Schnitt vom Weissdorn geschnitten werden. Hier war der Analogiegedanke sichtbar, der Dorn sollte Dornen ausziehen. Warzen bestrich man mit roten Waldschnecken und steckte diese dann auf einen Weissdorn. Wie die Schnecke starb, so schwanden die Warzen.
Autor: Bär-Vetsch Walter, Aus einer anderen Welt, S. 633 f. Literatur: Zihlmann Josef, Volkserzählungen und Bräuche, S. 442; Niederberger Hanspeter, Hirtler Christof; Geister, Bann und Herrgottswinkel, S. 139, 143 f.
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