Register der Volksfrömmigkeit
Amulett, Talisman
Amulette und Talismane waren magische Heil- und Schutzmittel, denen Unheil abwehrende (Amulett) oder Glück bringende (Talisman) Kraft zugemessen wurde (folgend Amulett). Die Amulette waren nach Form und Farbe (Signaturlehre), nach dem Bezug zu Astrologie und Alchimie (Sympathielehre), nach der Ausformung magischer Zeichen (Zauberzeichenlehre) oder nach dem Bezug zum kirchlichen Bereich (Gnadens- und Segenslehre) gegliedert. Sie wurden als Anhänger um den Hals getragen, an anderen Stellen des Körpers oder der Kleidung befestigt (an der linken Körperseite sichtbar oder verborgen; Orden und Auszeichnungen an der linken Brustseite zu tragen, rührt daher), in der Tasche mitgetragen oder an einem für sie bezeichnenden Ort im und ums Haus aufbewahrt. Eine Kraftübertragung fand am sichersten dann statt, wenn das Amulett mit der Haut direkten Kontakt hatte. Man dachte, dass sich die Kraft direkt übertrug. Einigen ist der Gebrauch von Amuletten heute selbstverständlich, für andere sind solche Schutzmittel ein Aberglaube (z.B. Maskottchen, glückbringende Plüschtiere, Halsketten mit Glücksbringer).
Die katholische Kirche verbot das Tragen von Amuletten zeitweise, weil sie den Glauben an deren Heil- und Schutzkraft als heidnische Praktik ablehnte. Die Verbindung zu Hexerei und Zauberei lag nahe. Trotz wiederholten Versuchen der Kirche, den Glauben an solche magischen Mittel zu verbieten, waren die Menschen von der Wirkungskraft ihrer Amulette überzeugt. Oft verteilten Franziskaner- und Kapuzinermönche christliche Amulette an die Bevölkerung – dies auch gegen den Einwand anderer Geistlicher. Hier wurde die Grenze zum Aberglauben überschritten.
Eine Unterscheidung zwischen christlichen und magischen Amuletten liess sich nicht immer ziehen. Als christliche Objekte mit amuletthaftem Charakter galten die, die die Kirche ausdrücklich erlaubte, die ein Priester segnete oder die in Klöstern gar hergestellt und an Wallfahrtsorten verkauft wurden (z.B. Kreuzanhänger, gesegnetes Wasser, Schabmadonnen, Skapuliere, Münzen oder Medaillons mit Darstellungen von Heiligen). Im volkskatholischen Verständnis waren Amulette immer geweiht, und ihr Schutz ging von diesem Segen aus. Andererseits fanden sich Objekte, die ihre Wurzeln in einem anderen Glauben hatten oder aufgrund abergläubischer Vorstellungen als Schutzmittel Verwendung fanden. Auf diesen fanden sich wohl christliche Symbole. Doch ihre Wirkkraft entfalteten sie nur dann, wenn dazu ein entsprechendes Gebet gesprochen wurde.8 Als magische Amulette und Talismane galten Objekte, die die Kirche nicht segnete, sondern ablehnte (z.B. Handanhänger, Steinamulette, Alraune oder Ketten mit Zähnen, Krallen und Knochen), und solche, die mit magischen Praktiken verbunden waren (z.B. Weisse oder Schwarze Magie).
Christliche Amulette dienten nicht nur der täglichen Einübung des Glaubens. Sie belegten auch den Bund mit Gott, heidnische Amulette dagegen den Pakt mit dem Teufel. Gegen Teufelsglauben kämpfte die Kirche, denn er war ganz konkret verbreitet. So glaubten die Soldaten während des Dreissigjährigen Krieges, sich mit umgehängten Amuletten, die magische Kritzeleien enthielten, vor Hieben und Stichen schützen zu können.
Amulette schützten gegen alles Böse. Häufig wurde zwischen ihrer Form oder Machart und einer bestimmten Krankheit eine Analogie hergestellt. So halfen Amulette mit Zähnen gegen Zahnschmerzen. Die Alraune mit ihrer menschenähnlichen Form verhiess eine starke heilende Kraft bei verschiedenen Krankheiten. Amulette mit Eberzahn- und Gebissamuletten schützten nicht nur gegen den Bösen Blick, sondern die Spitzen der Zähne liessen den Neid zerplatzen. Den Schutz vor dem Bösen Blick erhoffte man sich ebenfalls mit einem gläsernen Augenamulett.
Faltbriefe mit Buchstaben- und Zahlenzauber oder in ein kleines Kissen eingenähte gedruckte Blätter eines Andachtsbuches wehrten böse Mächte ab. In Stoffsäcklein eingenähte Pflanzenteile schützten die Soldaten im Krieg vor Schussverletzungen. In ein schwarzes Seidentäschchen eingenähte vierzehn Wachholderbeeren, die am Tag nach Maria Himmelfahrt gepflückt sein mussten, wirkten gegen Fallsucht (Epilepsie) und Albdruck. Das Amulett musste aber in der Christnacht zwischen elf und zwölf Uhr angefertigt worden sein. Die vierzehn Beeren bedeuteten die Vierzehn Nothelfer, die als besondere Helfer im Alltag, in Not und Gefahren angerufen wurden.
In der Hochzeitsnacht liess der Mann seine Braut unbemerkt mit blossen Füssen auf ein Amulett mit magischen Zeichen (z.B. Schlange, Mond und neun Sterne) treten, damit sie ihm lebenslang treu blieb. Solche Amulette mit eingebrannten Zeichen trugen Frauen gegen Krankheit und Unfruchtbarkeit auch auf dem blossen Leib.
Eine verkrüppelte Marderkralle, ein Mardergebiss oder einen in Silber gefertigter Marderkopf an einer Kette hängte man Kindern zum Schutz gegen den Bösen Blick um. Man glaubte, dass der Marder nachts Hühner so lange anstarrte, bis sie verzaubert herunterfielen. Gegen Bauchschmerzen band man ungetauften Kindern vor der Taufe einen Schlüssel um den Leib.
Kompositamulette bestanden aus verschiedenen Teilen mit je einer eigenen Wirkung. Brevel oder Messingdosen mit Kreuzen, Agnus Dei und Reliquien verschiedener Heiliger, aufbewahrt an einem sicheren Ort im Hause, schützten als Kompositamulett (mehrere Amulette zusammen) gegen Krankheiten, Behexung und bösen Geist.
Autor: Bär-Vetsch Walter, Kraft aus einer andern Welt, S. 31 ff. Literatur: Watteck Arno, Amulette und Talismane, S. 12 ff. Kälin Detta, Zauberwahn und Wunderglauben, S. 11; Hofmann Lea, S. 45; Kaiser Lothar Emanuel, Zeichen religiöser Volkskultur, S. 35; Hofmann Lea, Anhängen, zeigen, S. 45 f. Schütz Markus, Gebrauchsgegenstände zum Glauben, S. 125; Ausstellung „Suisse Primitive“, Ausstellungsführer.
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Zeichen und Handlungen
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in Uri
Walter Bär-Vetsch, Altdorf
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