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Andachtsbild, grosses
   
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts erlaubten neue Druckverfahren, wie die Farb- und Chromolithografie, eine Massenproduktion und -reproduktion von Bildern, die zuvor nur einer vermögenden Schicht in gemalten Bildern vorbehalten waren. Dies ermöglichte gläubigen Katholiken, Wandbilder (grosse Andachtsbilder, Tafeln) in ihren privaten Haushalt zu bringen. Mit raffinierten Drucktechniken imitierte man das Aussehen echter Ölbilder, schaffte auf dem Papier eine Gewebestruktur und trug Firnis auf, so dass die Drucke von echten Gemälden kaum mehr zu unterscheiden waren. Man nannte sie deshalb auch Öldrucke.22 Man erwarb Bilder von durchreisenden Händlern, auf Jahrmärkten oder an Kirchweihfesten. Möbelhändler schenkten jungen Brautleuten zur Aussteuer eine grosse Tafel, ein breites Schlafzimmerbild.

Die Bilder hingen, meist mit ornamentalen gestanztem oder geprägtem Rahmen geschmückt, mit Glimmer und goldenen Sternen versehen, im Kinderzimmer oder als extrabreite Ausgaben im Schlafzimmer über dem Ehebett. Die Bildsujets glichen denjenigen auf den kleinen Andachtsbildern. Bekannt waren Herz-Jesu- und Herz-Maria-Darstellungen, die Heilige Familie, Johannes der Täufer oder Schutzengel, die ein Kind nahe dem Abgrund beschützten oder es beim Gebet vor dem Zubettgehen begleiteten. Das grosse Format erlaubte auch bunte Darstellungen von Bibelszenen, meist aus dem Neuen Testament, oder von Schutzheiligen-Legenden. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Bilder – nach heutigem Empfinden – immer mehr süsslich-sentimental bis schwülstig.

Der bürgerliche Lebensstil lehnte die grossen Andachtsbilder der Arbeiter und Bauern – unabhängig vom Glaubensbezug des Sujets – als künstlerisch fragwürdig, als Kitsch ab (bzw. in der Sprache der Zeit: Talmi). Im Gegensatz zum breiten Geschmack der Unterschicht war dem Bürgertum die aufdringliche Farbigkeit der schreiend bunten Herz-Jesus-Darstellungen verpönt. Seine teureren Radierungen, Kupfer- und Stahlstiche blieben meist einfarbig oder allenfalls leicht koloriert. Hinter den religiösen Sujets stand eine bürgerliche Ideologie: Die Heilige Familie war als Vorbild für das bürgerliche Familienleben in Zweierbeziehungen mit Kind in intakten Rollenbildern dargestellt – Josef mit Zimmermannswerkzeug, Maria am Wolle Spinnen –, und der Schutzengel behütete adrett herausgeputzt das am Bett betende Kindlein.

Besonders beliebt waren jene Bilder vom Tod des Gerechten und Ungerechten. Auf diesen ganz trostlosen Helgen wimmelte es nur so von hässlichen Engeln und Teufeln. Man fand sie fast in jedem Bauernhaus. Nur die Bilder vom Weg zum Himmel und zur Hölle, Bilder vom guten und schlechten Lebenswandel und Bilder vom letzten Gericht machten ihnen den Rang streitig.

Grosse Andachtsbilder hingen nicht nur im Haus, vielfach an der Wand neben dem Herrgottswinkel, sondern auch im Stall; ein Wendelinsbild über Stalltüren, ein Bild mit Christus im Ährenfeld, der gute Hirte oder die Heilige Familie an einer Scheunenwand.

Massenprodukte eines blühenden Devotionalienhandels verdrängten die alten Stiche und die Erbauuungsbilder aus dem Bauernhaus.

Autor: Bär-Vetsch Walter, Kraft aus einer andern Welt, S. 34 f. Literatur: Schütz Markus, Das religiöse Wandbild, S. 116 f. Kaiser Lothar Emanuel, Zeichen religiöser Volkskultur, S. 33; Renner Eduard, Goldener Ring, S. 99

NACHWEISE

«... dem Bilde des Gekreuzigten in der Herrgottsschroten ...» / «... dem Heiland in der Herrgottsschroten ...»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sagen 907 und 908.
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«... auf das heilig Stöckli in der Stubenecke ...»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 901 3.
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«... Da ist es furchtbar „ung'hyrig“, trotzdem an der Tanne ein Muttergottesbild hängt ...»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 29.
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«… Der Helgennussbaum, auch der „heelig Nussbaum“ genannt, ist jetzt durch eine junge Linde ersetzt, an welcher eine primitive Kreuzigungsgruppe angebracht ist. Von dieser oder einem andern Heiligenbild hatte auch der Nussbaum seinen Namen „Helgen-Nussbaum“ erhalten.»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 486.
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«... Ja, die Meisterschaft hatte es direkt verboten, im Häuschen zu nächtigen: es regierte da ein Gespenst. Später brannte es ab, und nur ein Muttergottes- oder St. Annabild blieb unversehrt ...»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 905.
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«... Daher liess er jenes Muttergottesbild am Gaden anbringen, das heute auf der Manuellauwi an der Gasse steht ...»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 436.
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«... Nauzeli nannte er das heilige Bild ob dem Tisch in der Schroten. ...“ / «... dem St. Annabild in der Schroten ...»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 905 1-2.
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„... auf dem Büfett stehende hölzerne Figur des St. Sebastian ... dem St. Fridolinsbild im Gammerschwand ...»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 906.
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Walter Bär-Vetsch, Altdorf

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Stand der Arbeiten:
Begriffs- und Themenkatalog fertig
Nachweise in den Urner Sagen >
in Arbeit

 

Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 1.6.2019