Register der Volksfrömmigkeit
Aussegnung
Schon im Alten Testament bestand die Vorstellung, dass eine Frau durch Schwangerschaft und Entbindung unrein wurde. Daher bedurfte sie eines Reinigungsaktes (Lev. 12, 1 – 8). Dieser bestand in der Aussegnung (Fürsegnung), die vorerst exorzistischen Charakter hatte, dann aber zum Dank- und Segensritual wurde.
Früher mussten das Kind und die Hebamme zum Aussegnen (Fürsegnen) zur Kirche mitgenommen werden; später ging die Wöchnerin mit einer Begleitperson dorthin oder liess den Geistlichen ins Haus kommen. Ledigen Müttern blieb der kirchliche Segen verwehrt. Die Formen der Aussegnung waren örtlich verschieden. In der Regel wartete die Mutter bei einer Seitentüre der Kirche, bis der Priester, mit Chorrock und Stola bekleidet, zu ihr kam. Ein Ministrant begleitete ihn mit Weihwasserspritzer und Schemel, auf den sich die Kindbetterin zu knien hatte. Der Geistliche gab ihr eine brennende Kerze in die Hand, führte sie mit gleichzeitigem Auflegen der Stola zum Muttergottesaltar, wo die Segensgebete gesprochen wurden. Die Kindbetterin gab dem Priester meist eine Geldgabe, die er als Almosen wertete. Nach dieser Segnung blieb die Mutter noch eine Weile auf der Altarstufe knien.
Obwohl die Aussegnung von der Kirche schon lange keine Verpflichtung mehr war, hielt das Volk am alten Brauch fest. Dies hing mit der Vorstellung zusammen, nach denen die unreine Mutter bösen Mächten ausgesetzt war. Man hatte Angst, dass sie genommen werden konnte. Weil deshalb der Gang vor die Dachtraufe für sie gefährlich war, musste sie bei ihrem ersten Gang ins Freie, die zur Aussegnung in die Kirche führte, immer eine Begleitperson mitnehmen. Meist war dies die Frau, die während des Wochenbettes den Haushalt besorgte. Später durfte die Kindbetterin sogar alleine zur Aussegung in die Kirche gehen.
In Flüelen kannte man die Aussegnung noch bis 1962/1963. Eine Mutter aus der Göschneralp, die 1969 ihr ältestes Kind im Spital gebar, liess sich noch aussegnen. In Isenthal fanden bis 1954 Aussegnungen statt.
Autor: Bär-Vetsch Walter, Kraft aus einer andern Welt, S. 65 f. Literatur: Gisler Karl, Geschichtliches, Sagen und Legenden aus Uri, S. 188; Zihlmann Josef, Volkserzählungen und Bräuche, S. 55, 268; Muheim-Büeler Josef, Domus, S. 225.
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