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Brevel, Breve
   
Ein Brevel war ein meist rechteckiger kissenartiger Beutel oder Polster, der aus kostbar bestickten Stoffen, wie Brokat, Leder oder Messing (geschlossene, verzierte Metallbehälter), meistens aber aus Papier bestand. Dieses Amulett war im ganzen Alpenraum verbreitet. Der Begriff Brevel kommt von beve (lateinisch: kurz; littera brevis = kurzer Brief) oder vom mittelhochdeutschen briebelin, Brieflein. In der Innerschweiz wurden Brevel auch «Pünteli» («Bündeli»), Zahnwehkissen, Heilsumtäschlein, «Tiifelsjägerli» und die kleineren «Agnus Die» genannt, obwohl diese mit dem wächsernen Agnus Dei, ausser der erhofften Wirkungskraft, nichts gemeinsam hatten. Als geistliche Hausapotheke mit geweihten und magischen Schutzmitteln vermischte das Brevel Glaube und Aberglauben deutlich.

Das Brevel enthielt eine Ansammlung religiöser Dinge, wie Medaillen, Kleinfiguren, Nepomukzungen, Berührungsreliquien, Wallfahrtserinnerungen, geweihte Pflanzen, heilige Erde, Wachs und Kreuze, vielfach das doppelbalkige Scheyererkreuz, vermischt mit magischen Objekten, wie Samen, Moose, Korallen, also Dinge mit christlichen und vorchristlichen Glaubensinhalten. Die Zusammensetzung der Pflanzen unterschied sich regional. Die Kräuter wurden an der Kräuterweihe am 15. August, dem Fest von Mariä Himmelfahrt, von der Kirche gesegnet. In vielen «Pünteli» befand sich ein neunteiliger Faltzettel, der in Kupferstich- oder Holzdrucktechnik Gnadenbilder oder neun heilige Gestalten zeigte (Schluckbilder). Das mittlere Heiligenbild liess sich aufklappen und machte die eingeklebten Dinge sichtbar: verschiedene Kreuze, Medaillen, Anhänger, Zettel mit Zauberformeln und Gebeten, Moose, Samen, getrocknete Blüten und Kräuter, Schabmadonnen, farbige Papier- und Filzstücken, rote Tuchfetzen (gegen Dämonen), Korallen, Partikel von Agnus Dei, glänzende Papierstücke aus Gold- oder Silberimitate. Manchmal liessen sich auch weitere Teile aufklappen und dabei ein Segenszettel mit Gebeten oder Zauberformeln entfalten.

Die Brevel wurden vermutlich in der Gegenreformation vorwiegend als Klosterarbeit in Frauenklöstern des Franziskanerordens hergestellt und als gesegnete Schutzzeichen unter das gläubige Volk verteilt. Die katholische Kirche duldete das Brevel-Brauchtum nur halb und verurteilte es oft, denn das durch die zeichenhafte Vergegenwärtigung von Schutz- und Helferheiligen erkennbare barocke Bemühen, das Breverl in die Nähe der kirchlichen Sacra zu bringen, vermochte die hohe Geistlichkeit nicht nachhaltig zu überzeugen. Ende des 18. Jahrhunderts wurde ihr Vertrieb kirchlich verboten.

Die zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert sehr beliebten Breverl wurden an einer Kette um den Hals, am Gürtel, an Rosenkränzen, an Fraisenketten getragen, an einer Wiege oder einem Bett befestigt oder in die Kleider eingenäht. Die Zahnwehkissen trug man als Amulett um den Hals, legte sie unter das Kissen oder die Matratze. Bei Krankheiten berührte man die schmerzende Stelle mit dem Kissen. Die kleineren wurden in die Unterwäsche oder in die Kleider eingenäht, damit sie möglichst nahe auf der Haut lagen und so eine optimale Kraftübertragung boten. Die Breverl versprachen dem Träger als Kompositamulette täglichen Schutz gegen dämonische Einflüsse, gegen Hexerei, allerlei Gefahren und die böse Macht. Den einzelnen dargestellten Heiligen und den in Miniaturausgabe nachgebildeten Objekten kamen die ihnen nachgesagten unterschiedlichen Schutz- und Heilfunktionen zu. Zusammen bildeten sie ein kompaktes Mittel gegen Krankheit und Seuche, Feuer, Unwetter und Naturkatastrophen, gegen den Teufel, Hexen, Dämonen und den Bösen Blick. Den Soldaten sollten sie auch vor feindlichen Kugeln schützen, daher auch die Bezeichnung Kugelfänger.

Das «Pünteli» blieb geschlossen bzw. zugenäht. Sein Träger wusste in der Regel nicht, was es enthielt. Er durfte es nur in Todesnot und äusserster Gefahr an Leib und Seele, die er nicht selbst meistern konnte und in der er auf Gottes Beistand angewiesen war, öffnen.

Autor: Bär-Vetsch Walter, Aus einer anderen Welt, S. 104 ff; Literatur: Hofmann Lea, Anhängen, zeigen, S. 48; Kaiser Lothar Emanuel, Zeichen religiöser Volkskultur, S. 35; Kälin Detta, Zauberwahn und Wunderglauben, S. 37; Lussi Kurt, www.lussikurt.ch (2019); Niederberger Hanspeter, Hirtler Christof; Geister, Bann und Herrgottswinkel, S. 173 f. „Suisse Primitive“, Museumsführer (2002); Watteck Arno, Amulette und Talismane, S. 62 f. Wunderlin Dominik, Mittel zum Heil, S. 16.

NACHWEISE

«In Gurtnellen und wohl auch anderwärts hat man früher, um das Toggeli von den Kindern fern zu halten, Malefizpulver unter das Kissen gestreut, und ein Agnus Dei oder ein Lysäpunggeli oder beides zusammen zu Häupten des Kindes an die Wiege gehängt. Im Stalle aber, wenn es die Ziegen oder Kühe sog, sodass sie keine oder dreckige Milch gaben (sie sind um dz Ütter chu), streute man Malefizpulver zuvorderst in den Barnen und in die Rischi, wo das Toggeli aus dem Obergaden herabkam, und steckte geweihte Palmen und Haselzwicke auf.»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 1438.
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Walter Bär-Vetsch, Altdorf

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Stand der Arbeiten:
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in Arbeit

 

Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 1.6.2019