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Porträts von Personen des Eisenbahnwesens
Favre Louis
26.01.1826 - 19.07.1879
Genf
Beruf:
Ingenieur, Unternehmer
Geboren in Chêne-Thônex im Kanton Genf. Sohn des Zimmermeisters Claude und der Péronne Chevalier. oo 1849 Caroline Eugénie Rondeau. Nachdem Favre 1845 die Werkstatt seines Vaters verlassen hatte, wurde er als Zimmermannsgeselle in der Nähe von Paris aufgenommen. Er belegte Architekturkurse und bildete sich autodidaktisch zum Ingenieur aus. Er führte dann verschiedene Projekte im Eisenbahn- und Tunnelbau in Frankreich aus. Er kaufte Steinbrüche und entwickelte den mechanischen Abbau. Den 1871 ausgeschriebenen Wettbewerb für den Gotthardtunnel gewann er mit dem Versprechen, diesen in acht Jahren zu realisieren. Bedroht von den drakonischen Bedingungen seines Vertrages, kämpfte er ständig mit finanziellen Problemen. Er starb (Riss der Bauch-Aorta) gut sieben Monate vor dem Durchstich im Tunnel, der erst 1882 eröffnet wurde. Die Gotthardbahn-Gesellschaft nahm die Verspätung zum Anlass, die Erben Favres gerichtlich zu belangen.
Literatur:
www.hls.ch (2016); www.wikipedia.de (2016)
WICHTIGE ECKPUNKTE
1872 / Vertrag mit Louis Favre zum Bau eines Gotthardtunnels
Gegenstand des Vertrags vom 7. August 1872 zwischen der Gotthardbahn-Gesellschaft und Ingenieur Louis Favre war gemäss Artikel 1 die Herstellung eines «14 900 Meter langen zweispurigen Tunnels durch den St. Gotthard zwischen dem Portal bei Göschenen und demjenigen bei Airolo». Die Artikel 2 bis 6 beinhalteten im wesentlichen eine Auflistung der integrierenden Bestandteile des Vertrages, die Festlegung der Einheitspreise für die zu leistenden Bauarbeiten, die Modalitäten für die Entrichtung monatlicher Abschlagszahlungen der Gotthardbahn-Gesellschaft an Louis Favre, eine Regelung des Eigentums an Baumaschinen und Gerätschaften. Artikel 7 schrieb vor, dass der Gotthardtunnel innerhalb von acht Jahren, vom Tage der Genehmigung des Vertrags durch den Schweizerischen Bundesrat an gerechnet, in allen Teilen vollendet sein musste. Die Gotthardbahn-Gesellschaft war verpflichtet, Louis Favre eine Prämie von 5‘000 Franken für jeden Tag früherer Fertigstellung zu zahlen, wogegen dieser einen Abzug von 5‘000 Franken für jeden Tag längerer Bauzeit innerhalb der ersten sechs Monate und von 10‘000 Franken für jeden Tag weiterer Verspätung während der folgenden sechs Monate zu gewärtigen hatte. Sollte das Projekt erst mit einem ganzen Jahr Verspätung abgeschlossen sein, sollte seine Kaution (8 Millionen Franken) an die Gotthardbahn-Gesellschaft fallen.
Artikel 10 verpflichtete Louis Favre, innert Jahresfrist ab Genehmigung des Vertrages dem Bundesrat ein Arbeitsprogramm vorzulegen, aus welchem das Fortschreiten der Arbeiten ersichtlich ist. Wenn Louis Favre vor Vollendung des Tunnels sterben sollte, so würde der Vertrag in Kraft bleiben. In diesem Fall hatten die Erben von Louis Favre in die Rechte und Pflichten des Vertrages zu treten.
Jung Joseph, Alfred Escher – Der Aufbruch zur modernen Schweiz, Band 2, S. 603.
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1872-1882 / Der Bau des Gotthardtunnels
Der Genfer Unternehmer Louis Favre (1826-1879) erhielt den Zuschlag für den Tunnelbau, ungeachtet seiner nur geringen Erfahrung im Tunnelbau. Der Vertrag war für beide Seiten ruinös. Die Arbeiten wurden unter grossem Einsatz von Menschen und Maschinen sowie Sprengstoff (Dynamit) durchgeführt. Führend an der Arbeit beteiligt war unter anderen der Urner Ingenieur Franz Lusser-Cavadini (1818-1885). Er wirkte 1876-1881 als Oberingenieur der Baustelle Airolo. Im Tunnel arbeiteten durchschnittlich 2‘500 bis 3‘000 Personen. Die meisten kamen aus dem Piemont. Einheimische Arbeiter waren nicht zahlreich. Favre hatte den Tunnel in acht Jahren zu vollenden, ansonsten er schwere Konventionalstrafen zu bezahlen hatte. Erstand somit unter ständigem Zeit- und Finanzdruck. Die Arbeiter wurden geschunden. Die Arbeitsverhältnisse im Tunnel waren katastrophal, die Wohnverhältnisse in Göschenen wie Airolo völlig ungenügend. Entsprechend gedrückt, oft aufgebracht war die Stimmung. Viele Arbeiter erkrankten wegen mangelhafter Tunnelbelüftung (Staublunge). Andere litten an der ebenfalls tödlichen Mineuranämie, verursacht durch den Grubenwurm. Zahlreich waren die Arbeitsunfälle. Der gesamte Bahnbau inklusive Zufahrtsstrecken forderte 310 Tote und 955 Verletzte. Die Unfallopfer, oft körperlich bleibend geschädigt, hatten mit bescheidener Abfindung heimzukehren.
1875 streikten die Arbeiter in Göschenen und blockierten den Zugang zum Tunnel. Eine Gruppe Landjäger, ergänzt mit einer zufällig angeheuerten bewaffneten Bürgerwehr, wurde nach Göschenen beordert und musste den Streik brechen. Es kam zu einer unkontrollierten Schiesserei, bei der vier Arbeiter tödlich getroffen wurden.
Louis Favre starb 1879 während eines Kontrollganges im Tunnel an Herzversagen. 1882 konnte der damals längste Eisenbahntunnel eröffnet werden.
Literatur: Kuoni, Gotthardbahn, S. 9 f.; Stadler-Planzer Hans, Geschichte des Landes Uri, Bd 2 b, S. 268 ff.
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WICHTIGE EREIGNISSE
1872
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Mittwoch, 7. August 1872
Favre erhält den Auftrag mit der Gotthardbahngesellschaft
Der Vertrag zwischen Favre und der Direktion der Gotthardbahngesellschaft betreffend den Bau des Tunnels zwischen Göschenen und Airolo kommt zustande. Grattoni, der Erbauer des Mont-Cenis-Tunnels galt als Gotthardtunnelunternehmer quasi als gesetzt. Favre musste, um ihn auszustechen, ein extrem günstiges Angebot machen. Er verpflichtet sich zudem, den Bau nicht innert neun, sondern schon nach acht Jahren zu vollenden. Favre ist bereit, sämtliche Risiken zu übernehmen. Dies wiegt insofern schwer, als der damalige Kenntnisstand der Wissenschaft die detaillierten geologischen Bedingungen im Gotthard nicht im voraus zu bestimmen erlaubt. Es fehlt zudem an bautechnischer Erfahrung, da bis anhin noch nirgendwo auf der Welt ein 15 km langer Tunnel gebaut worden ist, dessen Scheitelpunkt überdies auf 1152 m über Meer liegt. Dies hält Favre nicht davon ab, eine überaus restriktive Baufrist von lediglich acht Jahren vorzuschlagen.
Jung Joseph, Alfred Escher – Der Aufbruch zur modernen Schweiz, Band 2, S. 603 f.
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1872
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Donnerstag, 24. Oktober 1872
Favre beginnt mit dem Ausbruch des Gotthardtunnels in Göschenen
Louis Favre beginnt mit dem Bau des Firststollens. Er baut nach dem belgischen System (von oben nach unten). Zuerst wird der Richtstollen erstellt und dieser dann nach und nach bis zum Vollausbruch erweitert. Die Luft für den Bohrmaschinenbetrieb und die Belüftung wird mit guss- und schmiedeisernen Röhren in den Tunnel befördert. Anfänglich sind rund 100 Arbeiter in Göschenen beschäftigt (in drei Schichten zu acht Stunden). Gebohrt wird zunächst von Hand.
Wanner Martin, Geschichte der Gotthardbahn, 1885, S. 26 ff.
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1875
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Donnerstag, 29. Juli 1875
Schüsse auf Arbeiter in Göschenen
Louis Favre trifft von Airolo kommend in Göschenen ein und unterhandelt mit einigen Arbeitern wegen der Streikforderung. Es kommt jedoch zu keiner Einigung. Nachmittags um drei Uhr trifft die in Altdorf requirierte Kompagnie Infanterie ein. Louis Favre reist daraufhin ab. Die Arbeiter halten die Tunnelzugänge in grosser Menge besetzt. An dem Streik beteiligen sich mehr als 1‘000 italienische Arbeiter. Der Gemeindepräsident fordert diese auf, auseinanderzugehen, ansonsten militärisch gegen sie eingeschritten werden müsse. Statt dessen verhöhnen die Arbeiter denselben und die eingetroffenen Milizen und erklären, nicht früher arbeiten zu lassen, bis ihnen die verlangte Lohnaufbesserung versprochen werde. Nach vergeblicher Aufforderung seitens des Militärs und der Polizei, den Hauptzugang beim Baudienstgebäude frei zu machen, sucht das Militär den Platz mit Gewalt durch den Gebrauch des Gewehrkolbens und des Bajonnets zu räumen. Die Arbeiter werden zurückgedrängt. Ein grosser Teil derselben aber begibt sich hierauf an die Berglehne zwischen dem Baudienst- und dem Postgebäude und bewirft das Militär mit Steinen. Da mehrere der Soldaten getroffen werden, machen sie von ihrer Munition Gebrauch. Es kommt zu einem förmlichen Gefecht. Nachdem mehrere Arbeiter gefallen oder verwundet sind, ziehen sie sich unter heftigen Drohungen mehr und mehr in die Häuser zurück. Die Ruhe ist wieder hergestellt. Zwei Italiener blieben tot auf dem Platze liegen.
Wanner Martin, Geschichte der Gotthardbahn, 1885, S. 127 f.
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1879
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Samstag, 19. Juli 1879
Favre bricht im Tunnel tot zusammen
Louis Favre bricht im Gotthardtunnel völlig unerwartet tot zusammen. Die Todesursache ist das Aufbrechen einer Erweiterung der Schlagader. Seine einzige Erbin ist seine Tochter Marie-Augustine, die mit ihrem Gatten, dem Türken Naoum Hava, in Paris lebt. Eine Rückweisung der Erbschaft hätte den Konkurs der Tunnelunternehmung, die Übernahme der Arbeiten durch die Gotthardbahngesellschaft und den Verlust der Kaution bedeutet. Die Tochter setzt Bossi, Ingenieur und Chef des Favreschen Zentralbüros in Altdorf zum Nachfolger ihres Vaters ein. Bossi ist damit nicht nur der Direktor der Tunnelunternehmung (Kommanditgesellschaft L. Favre & Cie), sondern auch Finanzchef und oberster Ingenieur.
Kuoni, Gotthardbahn, S. 103.
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1879
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Sonntag, 20. Juli 1879
Favre wird in Flüelen aufgebahrt
Die Leiche von Ingenieur Louis Favre wird im Haus Ochsen in der grossen Stube des ersten Stocks aufgebahrt.
Müller Robert, Flüelen 1912, S.14.
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2016
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Mittwoch, 17. Februar 2016
Mit Louis Favre durch Erstfeld
Der Ingenieur Louis Favre, gespielt von Marcel Huwyler, taucht am SBB-Depot in Erstfeld auf, der Tunnelarbeiter Giovanni Stella beim Badehaus und Bundesrat Welti im Bahnhof: Uri Tourismus bietet zur Gotthard-Basistunnel-Eröffnung eine Theatertour an. Die soll die Geschichte von Erstfeld und seine Entwicklung zum Eisenbahnerdorf zeigen.
UW 13, 17.2.2016, S. 5.
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/ Letzte Aktualisierung: 28.05.2021