FASNÄCHTLICHES URI

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Fasnacht, Fastnacht, Fasching, Karneval



Im Jahre 1601 zerbrach sich ein Zürcher Prediger über die Schreibweise und die Bedeutung der Fasnacht fast den Kopf. Das deutsche Wörtchen «Fassnacht» werde zwar als solches in den Kalender gestellt. Was aber darunter verstanden werde, könne er nicht wissen. Und so fragte er sich, ob das Wörtchen wohl «Faselnacht» genannt werden wolle, weil der unverschämte «Fasel» dann sein Spiel habe, oder «Fassnacht», indem man auf die Nacht die Fässer grüsse und dem Weingott Bacchus zu Ehren gewaltig schlucke, oder «Fassnacht» darum, da ihrer etliche auf die Nacht viel Speis und Trank fassen oder «Fastnacht» wohl darum, da grad drauf die vierzigtägige Fastenzeit beginne. Nun denn, wenn unser Prediger schon 1601 nicht mehr zur Wahrheit fand, wie sollten wir 400 Jahre später erfolgreicher sein. Die Schreibweise ist zwar nicht das Wichtigste an der Fasnacht, doch vielfach liegt im Detail der Hund begraben, und so haben sich denn nebst Geschichtsforschern, Volkskundlern auch Urner mit der Herkunft des Wortes befasst und dadurch zwar nicht näher zur Wahrheit gefunden, waren jedoch immerhin von ihrer Meinung so sehr überzeugt, dass sie die als die einzig richtige ansahen.

Ein Zusammenhang der Fasnacht mit der Fastenzeit ist nicht zu leugnen, doch wenn diese Beziehung auch für den Ursprung des fasnächtlichen Treibens herhalten soll, schieden sich hier die Geister, und allein die Schreibweise führte zu Kontroversen bis in die Urner Zeitungen.

Karneval und Fasching in der katholischen Welt
Das Kirchenlatein nannte den Eintritt in die Abstinenzperiode «carnislevamen», «carnis-privium» oder «carnetolendas», was mit «Fleischentnahme» zu übersetzen ist. Aus diesem Wortfeld entwickelte sich das «carnevale», welches als «Fleisch, lebe wohl» interpretiert wurde. Die Bezeichnung Karneval bedeutete somit ebenfalls die Zeit des Abschieds von den Gaumenfreuden und wird erstmals 1142 erwähnt. Der sprachliche Ursprung des Karnevals ist Italien. Dieser gelangte im 15. Jahrhundert in Venedig und am Hof der Medici in Florenz zu seiner festlichen Entfaltung. Von Italien aus, teilweise über Frankreich, kam die Bezeichnung im späten 17. Jahrhundert nach Deutschland und ist dort seit 1700 belegt. Der Karneval erfuhr dann vor allem im Rheinland seine Prägung. Vom späten 19. Jahrhundert an erreichten aufwändige Karnevals-Feiern in Viareggio, Nizza oder Rio de Janeiro (Carnaval do Brasil) oder der Mardi Gras von New Orleans internationale Berühmtheit. Gleichbedeutend dem Karneval ist der Fasching, welcher ursprünglich «vaschang» beziehungsweise «vastschanc» hiess, was auf das Ausschenken eines Fastentrunkes hinweisen soll. Fasching bezeichnet vor allem in Bayern und Österreich die närrische Zeit und ist seit 1283 belegt. Im alemannischen Raum wird die närrische Zeit als «Fasnet» (Schwaben) oder als Fasnacht (Schweiz) bezeichnet.

«Fasnacht» oder «Fastnacht»
1960 hatte der Propagandaminister des Altdorfer Fasnachtskomitees endgültig die Nase voll, dass ihm in seinen Einsendungen die Redaktion einer Urner Zeitung die «Fasnacht» immerzu zur «Fastnacht» korrigierte und sogar im «Kirchenblättli» des Urner Hauptortes ein Aufsatz über die «Nacht der Fasten» erschienen war. Er wollte nun von kompetenter Stelle wissen, ob das «t» in der Fastnacht seine doppelte Berechtigung habe, und schrieb dem Briefkasten-Onkel von Radio Basel, welcher seinerzeit am Radio in der Sendepause des Wunschkonzertes am Montagabend der ganzen deutschsprachigen Schweiz ihre Fragen beantwortete. Der Briefkasten-Onkel wusste Rat – wenn auch erst zwei Jahre später – und antwortete seinem lieben Neffen: «Fastnacht» sei tatsächlich eine Verballhornung der viel «älteren Fasnacht», was soviel wie «Nacht, in der man Possen treibt», heisse. Fasnacht habe mit Fasten ursprünglich so wenig zu tun wie «Carneval» mit «Fleisch ade». Dort stecke nämlich der uralte «Carrus navalis» dahinter, das Narrenschiff, das an Umzügen mitgeführt wurde. Man solle da bei Sebastian Brant nachsehen! So alt sei die Fasnacht und wahrscheinlich sogar noch älter! Der Propagandaminister, nach den langen Recherchen des Briefkasten-Onkels immer noch in seinem fasnächtlichen Amt, schickte den Brief der «Gotthard-Post». Die Redaktion klopfte sich dort dreimal an die schuldbewusste Brust und erklärte sich bereit, das ominöse «t» in Zukunft wegzulassen. Die Redaktion machte schliesslich noch darauf aufmerksam, dass ein Einsender aus Erstfeld ebenfalls mit grosser Beharrlichkeit die Version «Fassnacht» verwende, und gab diesem damit den Wink, seinerseits auf das doppelte «s» zu verzichten. Damit hatte der etymologische Disput um die Fasnacht jedoch noch keineswegs sein Ende gefunden – im Gegenteil. Vier Jahre später wurde hier zu Lande nochmals Öl ins Feuer gegossen! Ein Zusammenhang der Fasnacht mit der Fastenzeit ist nicht zu leugnen, doch wenn diese Beziehung auch für den Ursprung des fasnächtlichen Treibens herhalten soll, schieden sich hier die Geister, und allein die Schreibweise führte zu Kontroversen bis in die Urner Zeitungen.

«Fasching» gibt es auch im Urnerland
Im Jahre 1966 fühlte sich ein etymologisch gut und in Altdorf beheimateter «Chatzemüüsiger» berufen, zur Feder zu greifen und die Urner Obländer darüber aufzuklären, wie der Fasching zur Fasnacht stehe. Einleitend bekannte der Leserbriefschreiber, dass er wie jeder andere Fasnächtler die schweizerische Fasnacht nie und nimmer gegen den Münchner Fasching oder gegen den Kölner Karneval eintauschen würde. Als unser unbekannter Leserbriefschreiber von dem Faschings-Club im Oberland hörte, «hängte es ihm aus» und er mutmasste, dass sich für die Göschener Fasnacht keine Eingeborenen, sondern vermutlich «Gastarbeiter» aus dem «grossen Kanton» nordöstlich des Bodensees verantwortlich zeigen würden. Mindestens schien sich einer in der Urner Residenz zu fragen, wie sich dieses deutsche Kuckucksei ausgerechnet ins obere Reusstal verirrt habe. Der Schreiber gibt den Göschnern schliesslich den guten Rat, im kürzlich herausgegebenen Buch «Uri – Land am Gotthard» nachzusehen, was dort Mitbürger Dr. Tino Arnold – anscheinend kein Anhänger des Briefkasten-Onkels – über die «Urner Fassnacht» zu berichten wisse. Der Leserbrief schreibende Fasnachtsexperte rät den Göschnern schliesslich, diese Unterländer-Kritik ruhig und ohne Trotzstimmung zu überlegen und am besten diesen «Faschingsklub» den Erstfeldern zu schicken, damit sie ihn samt ihrem ebenso un-urnerischen «Böögg» ein für allemal dem Feuertod überliefern könnten.
Nun denn, egal beim Politiker oder beim Narren: Was lautstark heraus proletet wird, muss lange noch nicht richtig sein! Was unser «Chatzemüüsiger» anscheinend auf seinem Feldzug für die Reinheit und Urtümlichkeit der Urner Fasnacht nicht wusste, war, dass bis zum Zweiten Weltkrieg sowohl die Begriffe «Fasching» als auch «Karneval» im Land am Gotthard gang und gäbe waren. So führten die Faschingsgesellschaft Altdorf (1888 – 1928), die Faschingia Fiora (1899 – 1924) in Flüelen als auch weitere Fasnachtsgesellschaften den «Fasching» in ihren Namen. In Göschenen bestand schliesslich der Fasching-Club schon seit 1944. Schliesslich zog selbst in der Urner Residenz noch Anfang der 1960er-Jahre in der Faschingszeit Prinz Karneval mit seinem Geleite ein. In Göschenen blieb die Attacke natürlich nicht unbeantwortet. Es folgten zwei Leserbriefe, welche bedauerten, was der «liebe Freund urnerischen Wortschatzes und Brauchtums» für Sorgen habe und gaben ihm den Rat: «Um Fremd- oder Saison-Fasnächtler à la Hauptort mussten wir noch nie froh sein, denn bei uns ist immer und in jeder Hinsicht alles sehr nahrhaftes Eigengewächs. Und wenn sich auch einmal ein so genannter ‹Beisässe› zur Mitarbeit meldet, fragt man nicht lange nach Farbe und Hutnummer. Denn unsere Devise lautet: ‹Immer luschtig und frehli, mit jedem cheibe Leeli›». Eines hatte dieser Feldzug erreicht. Mit Ausnahme der Namen des Faschingsklubs Göschenen und Gurtnellen sind in Uri die Begriffe Fasching und Karneval zu Beginn des 21. Jahrhunderts aus dem fasnächtlichen Geschehen sozusagen verbannt worden.

Weitere etymologische Erklärungsversuche der Fasnacht
Es gibt noch einige weitere fasnächtliche Theorien, welche jedoch von der modernen Forschung grösstenteils abgelehnt werden. Der Ursprung der Fasnacht wird einerseits direkt von den römischen Festen der Bacchanalien oder Saturnalien hergeleitet, oder anderseits deren Wurzeln in den Winteraustreibungs- und Totenkulten der Germanen gesehen. Andere Herleitungen wie von «faseln» (töricht reden) oder Fassnacht (Nacht des Fasses) gelten als überholt. Die heute vertretene Theorie verneint, dass das Brauchtum aus vorchristlicher Zeit stammt, sondern sieht ihren Ausgangspunkt im christlichen Jahreslauf, wo die Fasnacht von Anfang an das Schwellenfest am Vorabend (vigilia) der vierzigtägigen Fastenzeit vor Ostern bildete.

Ob Fasnacht, Fasching oder Karneval – die drei Begriffe bezeichnen alle dasselbe, nämlich die fünfte und für die Narren die schönste Jahreszeit!

 
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Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 15.01.2020