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Katzenmusik in den Urner Dörfern
Katzenmusik in Altdorf
In Altdorf hatte das Frühkonzert am Schmutzigen Donnerstag Tradition. Der Morgenstreich als zwar rhythmischer und vor allem lautstarker Anlass war jedoch ein Auslaufmodell. Die Clairon-Melodie der Bourbaki-Armee (1871) leistete dann zur Wiederbelebung der Katzenmusik den innovativen Beitrag.
Die Katzenmusik wird organisiert
Die 1888 ins Leben gerufene Faschingsgesellschaft Altdorf (Fagesa) sah zwar die Durchführung eines Fasnachtsspiels als Hauptzweck vor, kümmerte sich jedoch auch um die Katzenmusik. Damit nahm sich erstmals eine Organisation dem frühmorgendlichen Brauchtum an. Anfänglich als Teil der Fagesa entwickelte sich die Katzengesellschaft zur eigenen Institution, und hielt am Mittwochabend vor dem Frühkonzert jeweils ihre Versammlung ab, zu der auch die Instrumente mitgebracht wurden.
Ausgangs des 19. Jahrhunderts galt die Katzenmusik in Altdorf als traditionell und wurde nach alter Väter Sitte am frühen Morgen des Fetten Donnerstags zelebriert. Mitte der 1890er-Jahre sollte das Frühkonzert oder der Morgenstreich seinem Namen gerechter werden, und der Beginn des Konzertes wurde vorverlegt. Nicht ohne Reaktionen!
An das Frühkonzert reiht sich die Bubenkatzenmusik
In den folgenden Jahren wurde die Altdorfer Katzenmusik in der Urner Presse in den höchsten Tönen gelobt. «Mit lieblichschönen Weisen» wurde die Katzenmusik im Jahre 1906 eröffnet, 1908 war sie «famos», 1910 erinnerte sie «an die besten Zeiten». Das Frühkonzert dauerte nun – mit der Unterbrechung durch die Frühmesse – bis 9 Uhr, bis zur Ankündigung des Umzuges vom Nachmittag. Es folgte die zweistündige Bubenkatzenmusik mit dem Schlussmarsch auf dem Rathausplatz. Dort wurde gegen Vorweisen eines Instrumentes an alle Junioren-Katzenmusikanten Wurst und Brot abgegeben. Am Tage wurde sodann von den Erwachsenen keine Katzenmusik mehr gespielt.
Der Krieg kann der Katzenmusik nichts anhaben
Der Schmutzige Donnerstag wurde auch in den Jahren des Ersten Weltkrieges mit der traditionellen Katzenmusik eingeleitet. In der ersten Fasnacht nach dem Krieg im Jahre 1919 sollen gemäss Zeitungsbericht am Frühkonzert über 800 Personen mit 65 Pferden, einigen Eseln und 22 Wagen mit allen erdenklichen Soloinstrumenten, von der Trompete bis hinauf zur Kohlensäureflasche, teilgenommen haben.
In den 1920er-Jahren wurde in Altdorf der Eröffnungsmarsch am Mittwochabend endgültig zur Tradition. Mit dem Aufschwung der Katzenmusik begann sich auch der Regierungsrat vermehrt mit dem frühmorgendlichen Konzert zu beschäftigten und dieses zum Teil zu beschränken.
Auf die Fagesa folgt die Katzenmusikgesellschaft
Ein Jahr später gab die Faschingsgesellschaft, welche in den letzten Jahren die Katzenmusik organisiert hatte, den Fasnachtsgeist auf. Die Fasnächtler gründeten sogleich eine «Katzenmusik-Gesellschaft».
Die Katzenmusik kam dann in den 1930er-Jahren auch traditionell und ohne Unterbruch zur Durchführung, obwohl ihr von Regierung und Priesterschaft ein steifer Wind entgegenblies.
Beim Eröffnungsmarsch am Mittwochabend verschwanden die Hörner und Tricheln, die der Katzenmusik bisher den Unterton gaben, und das Korps bestand nun aus einigen Clairon-Bläsern, einem knappen Dutzend Trommlern und zwischen 16 und 20 Pauken, insgesamt zwischen 35 und 40 Musikanten. An der Bubenkatzenmusik und am Frühkonzert dominierten immer noch «Trichlä», «Heeräli», «Pfannädeckel» oder «Tschärribigsä».
Die drei traditionellen Konzerte (Eröffnungskonzert, Frühkonzert und Bubenkatzenmusik) kamen auch während des Zweiten Weltkrieges immer zur Durchführung. Dies wurde damit begründet, dass alte Sitten und Bräuche auch in der so bewegten Zeit, wo alles Alte und Schöne vernichtet würde, nicht untergehen sollten. Die Kinder erhielten, wenn allzu unbescheidene nicht doppelt und dreifach einheimsten, Wurscht und Brot oder dann – wegen der Lebensmittelrationierung – eine «Biräweggä». Ende Februar 1944 folgten den Katzenmusikklängen das Geheul der Sirenen und das Dröhnen der über die Schweiz fliegenden Flugzeuge.
Katzenmusik nach dem Zweiten Weltkrieg
Eröffnungsmarsch, noch einheitlich ungeschminkt in einheitlichem Kostüm.
Das Kriegsende bewirkte, dass das fasnächtliche Treiben wieder freigegeben wurde. Die Priesterschaft erwartete, dass man weises Mass walten lasse und die Regeln des Anstandes und der guten Sitten nicht verletzen würde. Man dürfe auch in der Freude und Lustbarkeit eine gewisse Feinheit nicht vermissen lassen. Die Tendenz vom Lärmbrauch zum Strassenkonzert setzte sich weiter fort. 1947 nahmen am Eröffnungsmarsch der Katzenmusik 30 Pauker, 20 Tambouren und 10 Bläser teil.
In den Jahren nach dem Krieg hielt bei der Katzenmusik strenge Disziplin Einzug. Es galt eine Zugsordnung: Bläser und Trommler marschierten in Viererkolonne und die Pauker in Dreierkolonne. Gewünscht wurde möglichst strammes und aufrechtes Gehen. An der Spitze des Zuges schritt der Katzenmusikdirektor mit dem Taktstock und beleuchteter Katze. Der Start wurde vom «Tellen» zum Knabenschulhaus gelegt, wo der Katzenmusik für ihren Eröffnungsmarsch eine schnurgerade Paradestrasse zur Verfügung stand. Die Instrumente erhielten in erster Linie jene Mitglieder, die sich als Sammler betätigten. Für die Tambouren wurden Probetrainings durchgeführt.
Das Musikkorps wurde immer grösser und erreichte 1966 erstmals die Stärke einer Hundertschaft. In diesem Jahr wurde der Name Eröffnungsmarsch durch «Itrummlete» ersetzt. Die Instrumentierung war nun streng vorgeschrieben. Der Katzenmusikmarsch besass einen dreiteiligen Aufbau und wurde dreiteilig gespielt. Die Bläser begannen, die Trommler fielen im zweiten, die Pauken im dritten Teil ein. Nicht mehr so harmonisch tönte es jeweils am Donnerstagmorgen, wenn sich Kinder mit Hörnern, Blechkanistern, Kuhglocken und anderen Instrumenten einmischten.
Während des Zweiten Weltkrieges nahmen die Frauen erstmals am Frühkonzert und an der Kinderkatzenmusik teil. Der Eröffnungsmarsch blieb jedoch noch lange den Männern vorbehalten. Im Vorfeld der Fasnachtswoche und in der Pause zwischen dem Schmutzigen Donnerstag und dem Güdelmontag fanden seit den 1950er-Jahren immer mehr Darbietungen von verschiedenen ad hoc gebildeten Katzenmusiken statt. Die «Fliälersträssler» wurde am Samstagabend (ab 1962) als fester Bestandteil in den Altdorfer Katzenmusikkalender aufgenommen.
Die «Fliälersträssler» Katzenmusik 1966 mit den charkteristischen «Tryychlä».
Katzenmusik anstelle des Maskenballs
Bis in die 1980er-Jahre gehörten die Nächte des Schmutzigen Donnerstags und des Güdelmontags dem Maskenball. Es wurde noch getanzt. Wer dazumal an diesen beiden Abenden der Katzenmusik frönte, hatte es vor allem am Montagabend nicht einfach, den Durst zu löschen. Die wenigen beschwerten sich, dass sie in den Restaurants nicht mehr zu trinken bekamen, ohne Eintritt zahlen zu müssen. Wenn es trotzdem eine Konsumation gab, wurde diese mit der Aufforderung an den Tisch gebracht, schnell auszutrinken und dann wieder zu verschwinden. Bald sollten die Katzenmusikanten jedoch wieder gern gesehene Gäste sein. Der Maskenball verlor plötzlich rasant an Attraktivität, anderseits legte die Katzenmusik an den beiden Abenden enorm zu. Das «Gässlä» wurde immer beliebter.
Die Teilnahme der Frauen
Die Altdorfer Katzenmusik hinter weiblichem Zepter – Yvonne Flühler, Altdorfs erste Katzenmusik-Präsidentin.
Die Katzenmusik war aus ihrer Tradition heraus ein Männerkonzert. Die weibliche Jugend hatte den ersten Schritt unternommen, dies zu ändern. An der Kinder- und an der Kindergartenkatzenmusik nahmen sodann immer mehr Frauen teil. Das weibliche Element wertete das Bild der Katzenmusik stark auf. Dieses wurde reicher an Farben und schöner an Kostümen. Das Ein- und Austrommeln blieb hingegen eine Männerdomäne. Die ersten Frauen wagten sich vereinzelt in den 1980er-Jahren hinter Masken und in Rundungen überdeckenden Kostümen in das Eröffnungskonzert. 1995 durften die Frauen erstmals offiziell am Eröffnungskonzert teilnehmen. Es kam zu einem Grossaufmarsch, welchem jedoch der Takt standhielt. Nach diesem Erfolg sollte nun auch mit dem Männerkonzert am Fasnachtsende aufgeräumt werden. Drei Jahre später schickte sich ein gutes Dutzend Frauen an, in langen schwarzen Röcken und mit schwarzem Hut am Austrommeln teilzunehmen. Die Damenwelt zeigte sich zur Tat entschlossen. Seit 1998 dürfen die Frauen auch am Austrommeln teilnehmen.
Die Katzenmusik dehnt sich in der Vertikalen aus
Neben der Ochsenkatzenmusik (Freitag) existieren mit der Katzenmusik auf den Eggbergen (Samstag) sowie der «Nussbäumli»-Katzenmusik weitere «wilde» Konzerte, die nicht von der Katzenmusikgesellschaft organisiert werden.
Seit den 1920er-Jahren wird die Altdorfer Fasnacht mit dem Austrommeln abgeschlossen. Frauen und Männer trommeln und Pauken in schwarzem Gewand, die Töne der Bläser sind bereits verstummt.
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Altdorf
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1997
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Üstrummälä
NOTEN DES KATZENMUSIKMARSCHES
Würdigung: Der Katzenmusik in Altdorf spricht man schon lange nach, dass sie zu langsam gespielt wird. Die Katzenmusik wird dadurch dem Marschschritt nicht mehr gerecht. Dieser verlangt, dass die Teile auf den ersten Schlag eines Taktes enden, der zweite Schlag (Schritt) stumm ist und der nächste Teil wieder auf den nächsten Schritt beginnt, mit Ausnahme des zweiten, der von einem Achtel-Auftakt eingeleitet wird. Die Trommler getrauen sich nicht mehr, ihren ersten Schlag des Teils auf den Schritt zu bringen. Die Bläser sehen sich dadurch gezwungen, den ersten Ton ellenlang auszuhalten..
Notenschrift und Würdigung: Hanspeter Arnet, Altdorf, für das Buchprojekt «Fasnächtliches Uri» (1997-2004).
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Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr /
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/ Letzte Aktualisierung: 25.01.2024