Epidemien, Krankheiten
Tuberkulose
Aufgrund der Übertragbarkeit von Tieren auf Menschen zählt die Tuberkulose zu den Zoonosen.
Das Krankheitsbild der Tuberkulose gab es schon im Altertum und im Mittelalter. Ältere Bezeichnungen sind die «Schwindsucht» und die «Weisse Pest».
Tuberkulose fand im 19. und frühen 20. Jahrhundert allgemeines Interesse als die endemische Krankheit der städtischen Armen. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Luftkur bei der die Patienten mehrere Stunden täglich an der freien Luft liegen mussten, zur bevorzugten Therapie für Tuberkulose. In den 1920er-Jahren wurde ein Impfstoff erstmals an Menschen angewendet. Seit dem Zweiten Weltkrieg machte ein Antibiotikum die Behandlung möglich.
Die Tuberkulose (Auszehrung, Schwinbdsucht) war in den Jahren der Wende zum 20. Jahrhundert die neue Volksseuche. Die Infektionskrankheit zählte zu den häufigsten Todesursachen in der Schweiz (1900 rund 9'000 Tote). Für die Romantiker war die Tuberkulose eine Krankheit der Seele. Die Schwindsüchtigen wurden zu tragischen Heldinnen und Helden in der Literatur, in Opern und in der Kunst.
Die Bakterien werden übertragen, wenn eine infizierte Person hustet oder niest. Da Rinder ebenfalls an der Tuberkulose erkranken können, war in Westeuropa früher Rohmilch eine verbreitete Infektionsquelle. Die meisten Menschen, die mit Tuberkulosebakterien infiziert sind, haben keine Symptome. Wenn Symptome auftreten, sind dies normalerweise Husten, manchmal mit blutdurchsetztem Auswurf, sowie Gewichtsverlust, Nachtschweiss und Fieber. Patienten mit aktiven Symptomen benötigen eine langfristige Behandlung, unter anderem mit mehreren Antibiotika.
Ursprünglich glaubte man, dass die Schwindsucht eine Erbkrankheit sei, ehe man den engen Zusammenhang mit den Wohn- und Arbeitsbedingungen erkannte. Im Gegensatz zu epidemischen Infektionskrankheiten war die Tuberkulose kaum lokalisierbar und schon gar nicht eingrenzbar. Man musste mit ihr leben.
Die Patienten konnten nur darauf hoffen, dass sie die Erkrankung aus eigener Kraft überstanden. Mit vielerlei Mitteln versuchte man gegen die Krankheit, die vor allem auch junge Menschen befiel, anzukämpfen: mit Milch, Cognac, Veltliner Wein und dem Schlafen in Kuhställen, weil die Luft darin besonders ammoniakreich war. Den Ärzten blieb kaum anderes, als bei jeder Witterung Liegekuren, frische Luft und regelmässiges Essen zu verordnen. .
Wer es sich leisten konnte, begab sich zum Kuraufenthalt. Die anderen Schwindsüchtigen mussten sich zu Hause pflegen lassen, wo aber die Lungenpatienten nicht getrennt von den gesunden An- und Mitbewohnern betreut wurden und oft jahrelang im Familienkreis dahinsiechen mussten. Bis der Tod dem Leiden ein Ende setzte, bestand die Ansteckungsgefahr unausgesetzt weiter. Noch bis Ende des Zweiten Weltkrieges forderte die Tuberkulose zahllose Todesopfer..
1882 entdeckte der Deutsche Robert Koch (1843-1910) den Erreger der Tuberkulose. Nun begann ein vom Staat geführter Kampf gegen die Krankheit. 1928 erliess der Bund ein Gesetz, das die Kantone verpflichtete, Wohnungen zu sanieren, die Bevölkerung über die Hygiene aufzuklären sowie einen schulmedizinischen Dienst aufzubauen und das Schulturnen zu fördern. Bereits kurz nach den 1895 von Wilhelm Conrad Röntgen (1845-1923) entdeckten Röntgenstrahlen begann man, die Lungen der Leute zu durchleuchten.
Kurz nach 1900 trat der Bund entschlossen auf, um die allgemeine Volksgesundheit zu fördern und die immer mehr Opfer fordernde Tuberkulose wirksam zu bekämpfen. 1905 rief er die Kantone auf, Kommissionen zur Bekämpfung der Tuberkulose zu gründen. In Uri übernahm diese Aufgabe die bestehende Sanitäts-Kommission. Sie wurde später massgeblich von der 1920 gegründeten Urnerischen Vereinigung zur Bekämpfung der Tuberkulose unterstützt, deren Zweck es war, der Tbc mit verschiedenen Massnahmen entgegenzutreten. 1928 erliess der Bund sogar ein Bundesgesetz gegen die Tuberkulose.
In den 1930er-Jahren wurden erste Impfungen auf freiwilliger Basis gegen die Tuberkulose durchgeführt. Nach 1950 empfahl der Bund solche Schutzimpfungen für Kinder, die aber bei Weitem nicht in dem erhofften Rahmen in Anspruch genommen wurden. Weitaus erfolgversprechender waren die nach 1948 begonnenen grossangelegten Schirmbilduntersuchungen in den Schulen, Fabriken und in der kantonalen Verwaltung. 1967 liessen sich rund 5'000 Personen in Uri «schirmbilden». Die frühzeitige Diagnose und Behandlung von Erkrankten verhinderte weitere Ansteckungen. Nach einer Ansteckung konnte eine Erkrankung mit der Einnahme von Antibiotika verhindert werden. Diese Medikamente konnten das Tuberkulosen-Risiko schlagartig verringern. 1987 wurden in Uri die Testung der Immunitätslage und die allenfalls notwendige Impfung gegen Tuberkulose als Kollektivmassnahme bei Schulkindern aufgehoben. Drei Jahre später wurde angeordnet, dass an den Urner Schulen alle neu eingeschulten Ausländerkinder wiederum betreffend Immunität getestet und bei negativen Reaktionen geimpft werden müssen.
Literatur: Fryberg Stefan, Urner Gesundheitspolitik von 1800 bis heute; Bär-Vetsch Walter, Medizinhistorisches aus Uri; in: «Wo fählt’s?», S. 95 ff. Statistik: Ritzmann-Blickenstorfer Heiner (Hg.); Historische Statistik der Schweiz, Zürich 1996, S. 327.
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EREIGNISSE ZUR KRANKHEIT
1896
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Samstag, 11. Januar 1896
Die Furcht vor Tuberkulose und Kuhmilch
Im «Urner Wochenblatt» erscheint ein Bericht, dass Stadtleute sich zunehmend vor Kuhmilch fürchteten, weil sie gelegentlich Keime für die Auszehrung enthalte, was besonders auf die Stallfütterung zurückzuführen sei. Weil das bei der Geissmilch nicht der Fall ist, gewinnt die Ziegenhaltung an Ansehen.
UW 11.01.1896.
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1926
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Sonntag, 27. Juni 1926
Krankenkassen beschliessen Massnahmen gegen die Tuberkulose
An der Delegiertenversammlung des Verbandes der urnerischen Krankenkassen beschliessen die Kassenvertreter einmütig schlossen, folgende Massnahmen zur Bekämpfung der Tuberkulose zu unterstützen: Sanierung der Wohnungsverhältnisse mancher armer Familien; Aufklärung über die TBC durch öffentliche Vorträge; Propaganda für das eidgenössische Tuberkulosegesetz; Gemeinsames Vorgehen mit der Ärzteschaft; Gründung einer Liga für die TBC-Bekämpfung.
Müller Josef, Blätter aus der Entwicklung des urnerischen Krankenkassenwesens, S. 21 f.
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1927
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Samstag, 5. Februar 1927
Gründung einer Liga gegen die Tuberkulose
Der Sanitätsdirektor meldet, die Gründung einer Liga stehe nächstens bevor. Es sollten jedoch noch einige Jahre vergehen, bis es soweit war.
Müller Josef, Blätter aus der Entwicklung des urnerischen Krankenkassenwesens, S. 22.
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1928
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Mittwoch, 13. Juni 1928
Bund erlässt Bundesgesetz gegen die Tuberkulose
Der Bund erlässt ein Bundesgesetz gegen die Tuberkulose. Gestützt auf das Gesetz, werden die kantonalen Behörden u. a. angehalten, Wohngebiete und Wohnräume zu sanieren, die Bevölkerung über die Hygiene aufzuklären und einen schulärztlichen Dienst aufzubauen.
Abl UR 1928, S. 439. Fryberg Stefan, Urner Gesundheitspolitik von 1800 bis heute; Bär-Vetsch Walter, Medizinhistorisches aus Uri; in: «Wo fählt’s?», S. 95 ff
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1930
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Sonntag, 15. Juni 1930
Versammlung wegen Tuberkulose
Die gewünschte Versammlung betreffend Tuberkulose kommt endlich zustande. Es sind vertreten: die Sanitätsdirektion, der Kantonalverband der Krankenkassen, der Samariterverein Altdorf und Umgebung, die Liga zur Bekämpfung der TBC, der Kantonale Lehrerverein, die Ärztegesellschaft,
das Priesterkapitel und die Müttervereine beider Konfessionen. Die Versammlung nimmt einen erfreulichen Verlauf, aber die Entwicklung kommt weiterhin langsam vorwärts, nimmt dann später durch die Anstellung einer Fürsorgerin einen ungeahnten Aufschwung.
Müller Josef, Blätter aus der Entwicklung des urnerischen Krankenkassenwesens, S. 22.
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1933
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Mittwoch, 18. Januar 1933
Uri erlässt VVO zum BG gegen die Tuberkulose
Uri erlässt die Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz gegen die Tuberkulose. Die hygienischen Massnahmen sehen bei Feststellung einer offenen Tuberkulose regelmässige Desinfektionen der Leib- und Bettwäsche sowie der persönlichen Gebrauchsgegenstände der an Tbc erkrankten Person durch ausgebildete Desinfektoren vor. Jede Gemeinde hat einen Schularzt zu bestimmen, der die Schüler und Lehrpersonen in gewissen Abständen auf Tuberkulose untersuchen muss. Wird bei einer Lehrkraft eine ansteckungsgefährdete Tuberkulose festgestellt, ist sie sogleich aus der Schule zu entlassen. Gerät die betroffene Person dadurch ohne eigenes Verschulden in Not, hat sie Anspruch auf bis zu 75 Prozent des zuletzt bezogenen Gehalts. Diese Kosten werden zur Hälfte vom Bund und zu je einem Viertel vom Kanton und der Schulgemeinde getragen. Ausdrücklich verboten wird die Anpreisung von Geheimmitteln zur Verhütung und Behandlung der Tuberkulose. Die Ärzte werden mit 50 Rappen vom Kanton «für die richtig ausgestellte Meldung eines anzeigepflichtigen Tuberkulosen honoriert.
Abl UR 1933, S. 381. Fryberg Stefan, Urner Gesundheitspolitik von 1800 bis heute; Bär-Vetsch Walter, Medizinhistorisches aus Uri; in: «Wo fählt’s?», S. 95 ff.
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1996
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Zwei neue Tuberkulose-Fälle in Uri
Dem Tätigleitsbericht 1996 der Urnerischen Liga gegen Tuberkulose und Lungenkrankheiten ist zu entnehmen, dass im vergangenen Jahr zwei neue Fälle von Tuberkulose aufgetreten sind.
UW 102, 31.12.1997
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EPIDEMIEN, KRANKHEITEN
TODESURSACHEN
GESUNDHEIT
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