URNER WIRTSCHAFT

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Ürner Fleisch

ALLGEMEINES



Aus dem frischen Blut, das durch ausgiebiges Rühren vor dem Stocken bewahrt wurde, wird als erstes die würzigen «Blüätchiächli». Dazu wird ein Pfannkuchenteig aus Mehl, Eiern, Gewürzen und frischem Blut gemacht, in den man geschälte und in Scheiben geschnittene Äpfel eintaucht und schwimmend bäckt. Eine andere Speise ist «Blüätschtunggis», bei dem in Scheiben geschnittene, in der Schale gekochte Kartoffeln und geschwelltes, ebenfalls gescheibeltes Blut zusammen mit Zwiebeln wie eine Rösti gebraten werden. Eine weitere beliebte Zubereitungsart des aufgefangenen Blutes sind die «Blüätwirscht». «Ds Griän», die Innereien, Herz, Milz, Kutteln, Lungen, Nieren und Leber, und «d’Schwartä» werden unter Beigabe von gehackten Zwiebeln und Knoblauch, Gewürzen, wie Salz, Pfeffer, Salpeter und Zucker und einem Schuss Rotwein zu den traditionellen «Chittelwirscht» verarbeitet, die kleineren Fleischabschnitte, die zu nichts anderem mehr zu gebrauchen sind, sowie der Speck zu den sehr beliebten «Hüswirscht».

Die kleinen getrockneten Fleischstücke wurden zum Sieden und zur Zubereitung zahlreicher schmackhafter Speisen verwendet. Die grösseren Stücke hingegen lässt man völlig ausreifen und man isst sie später roh, indem man sie in hauchdünne Tranchen schneidet, so dass das appetitliche Dunkelrot des Fleisches wunderbar zur Geltung kommt. Es ist das tägliche «Znini» des Urner Bauern. Sehr geschätzt sind auch die «Littli» von Ziegen und Schafen; diese «Geisslittli» oder «Schaflittli» werden ebenfalls eingesalzen und getrocknet. Sie sind eine der gesuchtesten und begehrtesten Urner Trockenfleisch-Spezialitäten. Beliebt ist auch eine gedörrte Urner Hauswurst aus Ziegenfleisch, die sogenannte «Geisswurscht». Als besonders schmackhaft wird von Kennern das Fleisch der kastrierten Ziegen- und Schafböcke, der sogenannten «Schtackii» bezeichnet.

     
Literatur: Iten Karl, Stadler Emil; Zeitungsserie "Rings um ds Ürner Chuchigänterli", in: GP Nr. 35, 29.8.1970.

URNER FLEISCH IM DETAIL



Metzgätä
«Metzgätä» nannte man die Hausschlachtung eines Schweins für die Selbstversorgung, aber auch die bei der Schlachtung anfallenden Produkte, vor allem die Würste. Die «Metzgätä» mit dem zeremoniellen Drum und Dran (Verteilung der Funktionen unter die Familienangehörigen und Dienstboten, das Zubereiten des Blutes, das Auslassen des Fettes usw.) deutete auf den uralten Opfercharakter der Hausschlachtung eines Schweins hin.

Es war Brauch, von der «Metzgätä» den Nachbarn etwas zu geben. Auch der Pfarrer und der Sigrist bekamen davon. Der Pfarrer erhielt nebst Würsten auch ein gutes Stück Fleisch.

Termine für die Hausschlachtung waren Kilbi und Fasnacht. Der «Metzgätä» an der Fasnacht wurde grosse Aufmerksamkeit geschenkt. Wenn an der Alten Fasnacht die ganze Sau aufgegessen wurde, d. h. das, was für den Abend bereitgestellt worden war, verhiess das Glück für das kommende bäuerliche Jahr.

Autor: Bär-Vetsch Walter, Aus einer anderen Welt, S. 410. Literatur: Zihlmann Josef, Volkserzählungen und Bräuche, S. 315.

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Urner Kantonalgericht «Chabis und Schaffleisch»
«Chabis und Schaffleisch» ist wohl das Urner Gericht, das sich am eindeutigsten in die neue Zeit hinüberzuretten vermochte. Es ist das herbstliche Chilbigericht, ohne das ein Chilbi keine richtige Chilbi ist, und das in vielen Urner Familien wenigstens einmal im Jahr auf dem Tische steht.
«Chabis und Schaffleisch» ist ohne Zweifel das Gericht, das am tiefsten dem Geschmack des Urners entspricht. Wahrscheinlich würde der Urner weder auf seinen Kabis noch auf das Schaffleisch verzichten wollen; und doch lässt ein aus Silenen stammendes Sprichwort keinen Zweifel offen, welches von beiden er höher einschätzt, heisst es doch: «Äs isch besser ä Lüs am Chrüt, ass gar keiss Fleisch!» Iten Karl, Stadler Emil; Zeitungsserie "Rings um ds Ürner Chuchigänterli", in: GP Nr. 35, 29.8.1970.

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Urner Trockenfleisch «Tigets»
In Uri wird das Einsalzen und Trocknen des Fleisches an der reinen Bergluft «Dirrs» oder im Rauch «Graikts» heute noch gepflegt. Die Zubereitung dieses Trockenfleisches ist seit Jahrhunderten gleich geblieben.
Der Vorgang bleibt bei allen Fleischsorten genau gleich. Die einzelnen Fleischstücke werden zuerst mit einer Schnur zum Aufhängen versehen. Dann werden sie mit einer speziellen Salzmischung tüchtig eingerieben. Diese Mischung besteht pro Kilogramm Fleisch aus 22—25 g Salz, ½ g Salpeter, 1 g Zucker und ½ g Pfeffer.

Hat die Eichenstande voll Fleisch ein Loch im Boden, das mit einem Holzzapfen verschlossen ist, muss alle Tage die Sulz, die sich gebildet hat, abgelassen und wieder über das Fleisch gegossen werden. Andernfalls müssen die Fleischstücke jeden zweiten Tag gründlich umgepackt werden, und zwar so, dass die unteren Stücke jeweils nach oben und die oberen nach unten zu liegen kommen. Die grösseren Stücke liegen zwanzig bis achtundzwanzig Tage lang in der Sulz, die mittelgrossen etwa zwanzig und die kleinen vierzehn bis zwanzig Tage. Nur beim Speck ist die Salzzeit etwas kürzer, nämlich zehn bis vierzehn Tage.

Nach dieser Zeit wird das Fleisch aus dem Holzgefäss herausgenommen und mit frischem, kaltem Brunnenwasser gründlich abgewaschen, damit es etwas Salz verliert. Dann wird es mit den eisernen Fleischhaken an die reine Bergluft oder in den beissenden Rauch des Kamins gehängt. Im Urserental wird das Fleisch praktisch nur an der Luft getrocknet, im Urner Unterland hingegen wird es oft auch angeräuchert. Das «Luftgetrocknete» hat für eine einwandfreie Reife die reine, trockene Bergluft nötig; nur so erhält man eine gute Fleischqualität. Die klimatischen Verhältnisse sind nur in den Wintermonaten günstig, um ein einwandfreies «Dirrs» zu erhalten.
Das Rauchfleisch aber, das sogenannte «Graikti», hing früher im Innern des Hauses, unter dem Gebälke des Daches, in der offenen Rauchküche. Man legte lange Holzstangen in regelmässigen Abständen nebeneinander über die Holzbalken, die zur Hauskonstruktion gehörten. An dieser Einrichtung, der sogenannten «Fleischhänki», hängte man die Fleischstücke auf, den ganzen Vorrat, der für ein volles Jahr der Familie als Nahrung dienen musste, bis zum nächsten Herbst und zur nächsten Metzgetä.

Die eigentliche Trocknungszeit, die mit dem Aufhängen des Fleisches begonnen hat, dauert ziemlich lange: Je nach Stückgrösse drei bis sechs Monate; nur der Speck ist etwas früher (ein bis zwei Monaten) essreif. Während der Trocknungszeit verliert das Fleisch bis zur Hälfte seines ursprünglichen Gewichtes.

Im Winter vergrub man einstmals das Fleisch im Schnee und konnte es so, wenn auch nicht für lange Zeit, vor dem Verderben schützen. Dieses Vorgehen wandte man vor allem für Wild an, wenn ganz plötzlich und unerwartet eine grosse Menge Fleisch anfiel, die man nicht sofort verwerten konnte. Auch durch das Einbeizen machte man das Fleisch über eine längere Zeit haltbar.

Literatur: Iten Karl, Stadler Emil; Zeitungsserie «Rings um ds Ürner Chuchigänterli», in: GP Nr. 38, 19.9.1970. «Tigets» ist gesalzenes, gewürztes, rein luftgetrocknetes sowie je nach Luftfeuchtigkeit zusätzlich schwächer oder stärker geräuchertes Fleisch. Bekannt ist es als Trockenfleisch vorwiegend von der Kuh oder dem Rind, es wird aber auch Schaf, Ziege, Hirsch, Gämse und anderes Wild sowie Schweinefleisch getrocknet. «Tigets» gab es, da Ackerbau nur rudimentär zu betreiben war und sich die Urner Bauern auf Viehwirtschaft konzentrierten. Man züchtete Vieh und verkaufte es vor allem ins Tessin sowie nach Norditalien, «Welschland» genannt, und produzierte Milch und Käse. Im Spätherbst wurde geschlachtet. Verwertet wurde alles, was man essen konnte – dazu gehörte auch die Hauswurst. Das Fleisch wurde so verarbeitet, dass der Vorrat ein Jahr lang reichte. Die Versorgung mit Fleisch in ländlichen Gebieten war in erster Linie die Selbstversorgung. Traditionell wurde das Fleisch im Estrich getrocknet. Je nach Luftfeuchtigkeit und Höhenlage wurde es zusätzlich unterschiedlich stark geräuchert, da sowohl Föhn als auch Feuchtigkeit wie Nebel das Trocknen und somit die Haltbarkeit beeinträchtigen. Die «richtige» Dosis Rauch garantierte gut essbares und gleichzeitig lang haltbares Trockenfleisch. Will man Fleisch konservieren, wird es entweder getrocknet oder eingesalzen, um ihm die Flüssigkeit zu entziehen. Eine zusätzliche Methode ist das Räuchern, welches das Fleisch vor Ungeziefer schützt. Räuchern wird je nach Luftfeuchtigkeit respektive auch Höhenlage notwendig. Im Kanton Uri werden beide Methoden angewendet. Je höher man lebt, desto trockener ist die Luft. Im Urserntal braucht man nicht zu räuchern, im Unterland dagegen schon. Heute spielen die klimatischen Verhältnisse nur dann eine Rolle, wenn man traditionell Trockenfleisch erzeugen will – mit zeitgemässen Klimaanlagen in den professionellen Fleischtrocknereien lassen sich die Bedingungen nach Wunsch einstellen. Trotz dieser effizienten Möglichkeiten lebt man im Urnerland die alte Tradition des Fleischtrocknens bedeutend stärker als in vergleichbaren Berggebieten. UW 45, 06.06.2020, S. 15.

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FLEISCH-ZITATE

«Schäfigs zu halbä Pinktä»
Anna Steinmann-Gamma
D’Büiirä metzged ihri Schäfli,
d’Fleischration tüät schtygä.
Chasch jetz vorem Mittagchläfli
Schäfigs hindärä bygä.
Und als Gschpanä — wirsch verschtah —
brücht’s ä scheenä Chabischopf;
was diär d’Schnäggä hend la schtah,
schnätzlet d’Frai i Topf.
Wetz dys Mässer also güät,
bind d’Serviettä feschter,
sitz a Tisch mit frohem Müät,
s git Schäfigs grad wiä geschter.
Und im Jänner säisch zur Frai:
Ich gschpir’s bimäich am Magä;
git’s um ds Himmels Willä ai
nyt ass Schäfigs z’gnagä?»

In: Iten Karl, Stadler Emil; Zeitungsserie "Rings um ds Ürner Chuchigänterli", in: GP Nr. 35, 29.8.1970.
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Wacholderholz zum Fleischtrocknen
Ludwig Lussmann, Maler und Schriftsteller
«Am Abend hing Grunzi kunstgerecht in hundert Stücke zerschnitten im Rauchfang über der Küche, der kohlschwarz verrusst und offen war bis unter das Schindeldach. Im Feuerloch, neben dem Kessiturner, wo üblich das „Erwellen” geschah, brannte ein vorsichtig bemessenes Feuer aus Wacholderchries, dessen vielspendender Rauch einen weihrauchhaltigen Geruch ausströmte. Neben Salz und Pfeffer verlieh dies den Hammen und Schinken die chüstige Würze und Dauerhaftigkeit.»
Lussmann Ludwig; «Die Eisenrose», in: Iten Karl, Stadler Emil; Zeitungsserie «Rings um ds Ürner Chuchigänterli», in: GP Nr. 38, 19.9.1970.
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Spezialitäten beim Fleischtrocknen
Karl Iten, Buchautor und Grafiker
«Es ist aber klar, dass jeder wieder sein ganz spezielles, persönliches Hausrezept besitzt, auf das er schwört, und von dem er glaubt, dass man nur mit seiner Hilfe das beste Trockenfleisch erhalte. Die verschiedensten aromatischen Gewürze werden dabei zu Hilfe gezogen, um dem Endprodukt etwas Einmaliges zu verleihen. Man kramt in den Gewürzbüchslein und den geheimnisvollen Säcklein auf dem Gestell das Nötige zusammen; der eine schwört auf feingeschnittene Zwiebeln und gehackten Knoblauch, deren beissende Schwaden schon beim Schnetzeln in Nase und Augen steigen; der andere zieht Wacholderbeeren und Gewürznelken vor; und zwar unbedingt vom besseren! — über das Fleisch. Wieder andere berichten, ein tüchtiger Schuss Kirschwasser sei ausschlaggebend, wolle man ein besonders gutes Dirrs erhalten!»
Iten Karl, Stadler Emil; Zeitungsserie «Rings um ds Ürner Chuchigänterli», in: GP Nr. 38, 19.9.1970.
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Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 20.12.2018