LB UR (1864) Bd VI a S. 142-157
Erstes Vollziehungsdekret zum Gesetz betreffend Einbürgerung der Heimatlosen
Montag, 30. Juni 1856
«Der Regierungsrath des Kantons Uri,
In Vollziehung der Verordnung des Landrathes vom 6. April 1834, in Betreff Einbürgerung der Heimathlosen, beschließt und verordnet hiemit:
§. 1. Die bisher im hiesigen Kantone als Tolerirte oder Hintersäßen anerkannten Heimathlosen und unehelichen Kinder, denen kein anderes Heimathrecht ausgemittelt werden konnte, seien von Stunde an in das Kantonsbürgerrecht ausgenommen und ihnen ein Gemeindsbürgerrecht (vorbehältlich der unten im Verzeichniß III bemeldten Individuen) zugewiesen, wie folgt:
I. Ins volle Bürgerrecht sind aufgenommen.
II. Ins beschränkte Bürgerrecht sind aufgenommen.
III. Ins Kantonsbürgerrecht, ohne ein Gemeindsbürgerrecht, sind aufgenommen.
§. 2. Die Aufnahme ins volle Bürgerrecht hat die Wirkung, daß der Eingebürgerte (Verzeichniß I.) mit Bezug auf die Politischen und bürgerlichen Rechte, die Gemeinds-, Kirchen- und Schulgenössigkeit und den Genuß der Unterstützung bei Verarmung, sowie hinsichtlich der Pflichten den übrigen Bürgern gleichgestellt ist; er erwirbt sich beinebens auch den Antheil andern allfällig vom Gemeindegute durch Ueberlassung oder Zuteilung unmittelbar herfließenden Bürgernutzen, das Nutznießungsrecht auf Waldungen und Allmenden, gleich den andern Bürgern.
§. 3. Die Aufnahme ins beschränkte Bürgerrecht hat überhaupt für die Eingebürgerten (Verzeichniß II.) die ganz gleiche Wirkung, wie oben bei §. 2 erwähnt worden ist, mit der einzigen Ausnahme, daß dieselben kein Recht auf den vom Gemeinde- oder Korporationsgute, Allmenden und Waldungen, herfließenden Bürgernutzen sich erwerben. Die Gemeinden sind auch nicht berechtigt, solchen Gemeindseinwohnern, welche nicht im Genusse des Korporationsrechtes sind, einen Antheil am Bürgernutzen ohne Bewilligung der kompetenten Bezirksbehörde (Rüttibuch § 11, Art. LB 335) zu gewähren. Den ins beschränkte Bürgerrecht Aufgenommenen ist jedoch der Einkauf in denselben auch künftighin noch gestattet.
§. 4. Die ins Kantonsbürgerrecht, ohne Gemeindsbürgerrecht, Aufgenommcnen (vide Verzeichniß III.) werden im Kanton geduldet, und sind im Verarmungsfalle in derjenigen Gemeinde armengenössig, wo sie bisher das Duldungsrecht hatten. Eine Ausnahme von der in §§. 3 und 4 ausgestellten Regel der Armengenössigkeit macht die Familie Großholz, welche, da sie nicht schicklich nach dem Grundsätze der Volkszahl auf verschiedene Gemeinden vertheilt werden kann, das Gemeindsbürgerrecht, resp. Duldungsrccht von Altdorf mit der Bestimmung erhält, daß der Staat die Unterstützungspflicht sämmtlicher gegenwärtig lebenden Glieder dieser Familie im Verarmungsfalle, diejenige für deren Nachkommen aber die Gemeinde, wo die Betreffenden ihren Wohnsitz haben, zu übernehmen hat.
§. 5. Die ehelichen Kinder, welche ein Heimathloser nach der Einbürgerung erhält, werden vollberechtigte Bürger derjenigen Gemeinde, in welche er eingebürgert worden ist. Ebenso erhalten auch uneheliche Kinder von eingebürgerten Heimathlosen das volle Bürgerrecht in derjenigen Gemeinde, welcher sie nach dem Gesetze zufallen.
§. 6. Betreffend die in den obigen Verzeichnissen nicht einbegriffenen Heimathlosen wird je nach dem Ausgange des über ihr Heimathrecht waltenden oder noch einzuleitenden Untersuches der weitere Entscheid vorbehalten.»
Regierungs-Raths-Erkenntniss vom 30. Juni 1856 (LB VI a S. 142-157).
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