GEMEINDEN

GEMEINDEN

«Das Urner Dorf» von Karl Iten

Attinghasuen «Will man dich besuchen, hält dich der hohe Bahndamm verborgen bis zuletzt; dann tritt man durch die Strassenunterführung wie durch ein Tor, mitten hinein in die Erinnerungen an älteste Zeiten! Dein Name kündet von uralten Geschlechtern, die die Geschicke unseres Landes mitbestimmten. An deinem Hange brachen sich die Wogen der Geschichte. Ist es ein Zufall, dass du in deinen Grenzen eines der altertümlichsten Häuser des Kantons birgst? Ich meine den „Schweinsberg", halb abweisender Festungsturm, halb gemütliches Wohnhaus, zur Hälfte Stein, zur Hälfte Holz, der irgendwo im freien Feld zwischen den frühlingshaft knospenden Obstbäumen steht: Reines, unverfälschtes Mittelalter! Hier überkommt mich ein nicht näher zu umschreibendes Gefühl, auf einem Fleck Erde voller unausgesprochener Geheimnisse zu stehen! – Der Efeu, die dunkle Pflanze des Vergessens, rankt sich um die alten, moosbewachsenen Trümmer der Burg; mit ausgetrockneten Fingern greift er in die Mauerrisse der verwitterten Gemäuer und überwuchert die altersgrauen Steine, taucht sie in seinen hellgeäderten, schwärzlich-grünen Schlaf und begräbt im Dunkel unter sich immer mehr die Erinnerung an ihre einstigen Bewohner und an den grauenvollen Tag, an dem die Flammen lodernd aus dem Giebel des Turmes schlugen. Heute ist die Burg nur noch verlockender Platz für die Kinder, um auf kühne Entdeckungsfahrten auszugehen. – Drüben aber, über dem grossen Wasser, in New Yorks Metropolitan Museum of Art, steht in einer Glasvitrine neben einem sorgsam gehüteten, prunkvollen Goldkelch ein kleines Schild mit deinem Namen, der dort in der Gigantenstadt von deiner stolzen, ländlichen Vergangenheit kündet!» Iten Karl; Eine beschauliche Reise durch den Kanton Uri festgehalten in einer Folge von Linolschnitten und Texten von Karl Iten; Altdorf 1968. -------------------------