GEMEINDEN

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«Das Urner Dorf» von Karl Iten

Isenthal «Lass mich für heute einmal die Kunst unserer Strassenbauer loben, denn wie unzugänglich wärst du ohne deine Zufahrtsstrasse! Beim Aufsteigen weitet sich der Blick auf den geliebten See und auf die Berge: Eine Kulisse schiebt sich hinter die andere, in immer helleren, duftigeren Tönen, bis sich, an der Grenze des Gesichtskreises, das weite Tal am blendenden Dreieck des Bristen in ein reines Ebenmass auflöst. O wunderbares Land! – Ist dann die Steilstufe über dem Urner See erklommen, wird der Boden flacher, und gemächlich führt mich nun das Strässchen dem Dorf entgegen, einer Handvoll Häuser, die sich um Kirche, Schulhaus und Gasthäuser scharen. Bergsteiger und Touristen gibt es hier im Spätherbst keine mehr; das sommerliche Fernweh ist gestillt; ein kühles Weiss auf Berg- und Hügelkuppen ringsum schliesst deine Welt nach aussen ab; die blauen Räuchlein, die aus den Kaminen steigen, verkünden Wärme und häusliche Geborgenheit und verheissen dampfende Schüsseln voll Gemspfeffer oder Kabis mit Schaffleisch! – Unter dem Vordach eines wettergrauen Holzhauses am hintern Dorfausgang hängen seit dem Jahre 1823 an verrosteten Eisenketten die Pranken eines Bären, des letzten, den man im Urnerland erlegte. Ich höre in Gedanken den Schuss, der ihm galt, von deinen Hängen widerhallen und vernehme das Todesröcheln des verwundeten Tieres; ich sehe, wie ihm die Jäger die Füsse zusammenbinden, wie sie einen starken Ast hindurchstossen und das tote Tier im Abendlicht mit schwerem Schritt zu Tal tragen, und wie aus diesem Niedersehreiten ein Triumphzug wird, je näher sie dem Dorfe kommen, und wie ein Kind, zwar etwas ängstlich, doch voll Mitleid, sein Händchen in das warme, zottige Fell steckt.» Iten Karl; Eine beschauliche Reise durch den Kanton Uri festgehalten in einer Folge von Linolschnitten und Texten von Karl Iten; Altdorf 1968. -------------------------