GEMEINDEN

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«Das Urner Dorf» von Karl Iten

Bürglen «Stolz wie eine mittelalterliche Burg blicken deine Türme von ihrer Terrasse hinab ins tätige Land. Du strömst etwas Behäbiges, Bodenständiges, Erdverbundenes aus. Und doch duckst du dich nicht ängstlich an den Fuss des Bannwaldes. Über deinen Häusern steht, wie ein feierlicher Gesang, ein Hauch jener unbändigen Freiheitsahnung, die hier ihren Ursprung nahm. Aus deiner Mitte sprang Tell ins Bewusstsein des Volkes, kühn und überraschend wie ein schneller Pfeil! «Gott und Fryheit» lese ich an deinem Kirchturm. Welch packende Sinnbilder doch dein stiller Dorfplatz birgt: Der gemalte Christophorus am Turm – vertrauter Führer durch die vielfachen Fährnisse des Passweges, und der steinerne Tell auf dem plätschernden Dorfbrunnen – unverrückbares Leitbild durch manche drangvolle, verdunkelte Stunde. – Heute aber liegst du verschlafen in der frühsommerlichen Nachmittagsstille. Nur hie und da weckt dich der melodische Dreiklang eines Postautos aus deinen Träumen, dann lauschst du wieder dem Wispern längst vergangener Geschlechter aus den Schatten der alten Gemäuer. Hier wird mir alles zum Sinnbild des Ewigen: In deinem stillen Friedhof, der mich unter dem heiteren Himmel und dem silbrigen Gipfelglanz beinahe das ernste Antlitz des Todes vergessen lässt, in der überquellenden Fülle von Blumen, die sich büschelweise durch die Zäune der Bauerngärten drängt, im würdigen Pfarrherrn, der abgemessenen Schrittes zur Kirche geht, im Sommerwind im Gras, der die weissen Kerbelbüschel unter den üppigen Nussbäumen leise schwanken macht, im gottesfürchtigen Volk, das in ländlich-barocken Prozessionen das Dorf betend umschreitet, in all diesem und in hundert andern kleinen Dingen erkenne ich den sanften Flügelschlag des Unendlichen.» Iten Karl; Eine beschauliche Reise durch den Kanton Uri festgehalten in einer Folge von Linolschnitten und Texten von Karl Iten; Altdorf 1968. -------------------------