GEMEINDEN

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«Das Urner Dorf» von Karl Iten

Flüelen «Wieviele reizvolle Bilder gehen mir hier auf, du freundliches Hafenstädtchen am Urner See! Da sind die hellen, föhrenbestandenen Kalkfelsen der Axenwand mit ihren bizarren Überfaltungen; da sind die fischenden Seebuben am Landesteg; da ist der Turm der alten Kirche, auf den die Zeit ihre schwärzliche Patina gelegt hat – auf der Wetterseite grauschwarz, auf den andern Seiten ein uraltes, gebrochenes, angerauchtes Weiss; da ist der Fischer, der immer noch Abend für Abend seine Netze im See auslegt und Morgen für Morgen die schwere, zappelnde Last in sein schwankendes Boot einholt; und wie oft schon hat mich der weite Blick vom Axen überwältigt und beglückt! Als ungebrochenes Dreieck überragt dich die ferne Pyramide des Bristen, die unermessliche, ungehobene Schätze bergen soll, und fürwahr: im Abendlicht will es scheinen, als sei sie von Goldadern durchzogen. – Eines aber werde ich nie wieder aus dem Sinn verlieren: Draussen im See, auf dem sonnenheissen Kiesbagger, haben die Arbeiter einen Mövenflügel ans rostige Eisengeländer gebunden, silbergrau vor dem satten Grün des Wassers. Einst zog es dich, Möve, hinauf ins flirrende Sonnenlicht, und weit unter dir führten die Kähne und Nauen den feuchten Kies seeabwärts. Die Träume der Vormittagsstunde liessen dich heiser krächzen vor Glück. Doch dann trieb dich ein Sturmwind ins Eisengestänge; zerschmettert fanden sie dich- ein gestürzter Ikarus – auf den verwaschenen Planken, den Schnabel geöffnet in lautlosem Todesschrei. Aber noch heute flatterst du, Flügel, im Seewind, zerrst freiheitsdurstig an der Schnur, die dich festhält, erinnerst dich, immer wieder, seliger Flüge im sommerlichen Aufwind und des Knatterns der Böen in deinem Gefieder.» Iten Karl; Eine beschauliche Reise durch den Kanton Uri festgehalten in einer Folge von Linolschnitten und Texten von Karl Iten; Altdorf 1968. -------------------------